Blut ist dicker als Wasser, Familienbande sind die beste Versicherung und so weiter. Das scheint sich auch Recep Tayyip Erdogan gedacht zu haben. Der frisch wieder gewählte und am Montag vereidigte türkische Präsident hat seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum neuen
Finanzminister ernannt. Auf ihn sollte man in den nächsten Jahren besonders achten, denn mit seiner Berufung hat Erdogan begonnen, eine Dynastie zu schmieden und seinen Clan an der Spitze des Staates fest verankert.
Meist unauffällig, aber immer an der Seite ihres Mannes: Emine Erdogan ist die "First Lady" der TürkeiBild: AA
Berat Albayrak gilt spätestens seit seiner Berufung zum Finanzminister als Erdogans Kronprinz. In der Vergangenheit hat er gezeigt, dass er genauso rücksichtslos gegen Kritiker vorgehen kann, wie sein Schwiegervater.
Kurz vor der Vereidigung räumte Erdogan nochmal richtig auf:
Der in Istanbul geborene Albayrak studierte in New York und Istanbul und ist seit 2004 mit Erdogans ältester Tochter Esra verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne und eine Tochter. Wir erinnern uns: Erdogan hatte von allen türkischen Familien, gefordert, mindestens drei Kinder in die Welt zu setzen. Check.
Die Familien kennen sich seit Jahrzehnten und sind eng befreundet. Erdogan Und Albayraks Vater Sadik stammen laut Medienberichten beide aus der islamistischen Milli-Görus-Bewegung. Erdogans Tochter Esra soll Berat 2003 während ihres Studiums in Kalifornien kennengelernt haben.
Senkrechtstarter in jungen Jahren
Albayrak war vor seiner politischen Karriere in Erdogans Partei AKP schon eine wirtschaftliche Größe im Land. Mit gerade einmal 29 Jahren stieg er zum CEO der Calik Holding auf – einem enorm finanzstarken türkischen Textil-, Energie-, und Baukonzern. Nach einem Jahr bei Calik kaufte das Unternehmen unter Albayraks Führung die türkische Tageszeitung „Sabah“ und dasdazugehörige Medienimperium.
Die türkische Tageszeitung "Sabah" gilt als Erdogans SprachrohrBild: picture alliance / NurPhoto
„Sabah“ gilt laut Medienberichten als eine der auflagenstärksten Zeitung und mittlerweile als Erdogans wichtigstes Sprachrohr. Allerdings hat Albayrak sich schon vor längerer Zeit aus der Wirtschaft zurück gezogen und ging in die Politik. Der riesige Konzern bleibt dennoch im Schoß der Familie verwurzelt. Für die Calik Holding ist jetzt Albayraks Bruder Ahmet verantwortlich.
Politische Blitzkarriere in der AKP
Albayrak gelang es, schnell in der Politik Fuß zu fassen und in der AKP Karriere zu machen. Mit tatkräftiger Unterstützung von Schwiegervater Erdogan. Der soll ihn bei einer Parlamentswahl auf Platz eins der AKP-Liste im Bezirk Istanbul 1 gesetzt haben. Erdogan habe in Albayrak eine Vertrauensperson gefunden, hieß es. Beobachter und Experten vermuten, dass Erdogan mit Albayrak als Kronprinz schon seinen Nachfolger aufbaut.
Albayrak wurde, wenig verwunderlich, sofort Minister. Im Kabinett von Binal Yildrim leitete er das Energie-Ressort. Gleichzeitig wurde er zu so etwas wie einem Star in der Fraktion. Laut Tagesspiegel sollen im Parlament die AKP-Abgeordnete Schlange gestanden haben, um sich mit ihm fotografieren zu lassen. In der Vergangenheit sprach Albayrak sich mehrfach für die Einführung des Präsidialsystems aus.
Warum bekommen Erdogans eigene Kinder keine hohen Posten?
Laut Focus wäre es Erdogan wohl lieber, wenn er eines seiner leiblichen Kinder für die Nachfolge in Stellung bringen könnte. Sie kommen als politische Erben jedoch weniger in Frage. Sie gelten jedoch als weit weniger durchsetzungsstark als Albayrak.
Erdogans ältester Sohn Burak zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, nachdem er vor 20 Jahren in einen tödlichen Autounfall verwickelt war. Damals, so berichtet "Focus", sei der Erdogan-Sohn ohne Führerschein unterwegs gewesen und habe Fahrerflucht begangen. Burak Erdogan wurde nie dafür verurteilt. Beim Prozessauftakt soll er sogar außer Landes gewesen sein. Sein Vater Recep Tayyip Erdogan war zu diesem Bürgermeister von Istanbul.
Bilal Erdogan ist politisch aktiv, gilt aber nicht als Person für die erste ReiheBild: EPA
Erdogans zweiter Sohn Bilal ist Chef der islamisch-konservativen "Stiftung für Jugend und Erziehung". Wenn er sich in der Öffentlichkeit äußert, dann ganz im Sinne seines Vaters. Er sprach sich mehrfach für die politische Vorherrschaft des Islams in der Türkei aus.
Töchter hat Erdogan auch noch
Eine Frau an der Spitze der AKP und der Türkei gilt nicht nur unter Beobachtern und Experten als undenkbar. Eine politische Karriere von Erdogans Töchtern Sümeyye und Esra ist daher sehr unwahrscheinlich. Sümeyye hat ihren Vater zwar öfter oft auf Veranstaltungen der AKP begleitet. Während der Proteste um den Gezi-Park 2013 als Erdogan Proteste mit Gewalt niederschlagen ließ, soll sie zudem versucht haben, mäßigend auf ihn einzuwirken. Sie ist außerdem als stellvertretende Vorsitzende der pro-islamischen "Vereinigung für Frauen und Demokratie" politisch aktiv.
Esra Albayrak (2. v.l.) und Sümeyye Erdogan (2. v. r.)Bild: AA
Ihre Schwester Esra hält sich aus der Politik weitgehend raus. Bisher. Denn da ihr Mann Berat Albayrak nun so viel Macht bekommt, bleibt nicht auszuschließen, dass sie ebenfalls politisch sichtbarer wird.
Erdogan ist auf dem Zenit der Macht, aber...
Nur wenige Stunden nach seiner eigenen
Vereidigung gab Erdogan am Montagabend sein Kabinett bekannt. Außenminister bleibt Mevlüt Cavusoglu. Mit den nun geltenden Verfassungsänderungen übernimmt Erdogan die Leitung der Regierung, da das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft wird. Zudem kann das Staatsoberhaupt mit Dekreten teilweise das Parlament umgehen.
Das Einzige was Erdogan derzeit ernsthaft in Bedrängnis bringen könnte, wäre eine Talfahrt der Wirtschaft. In diesem Punkte beginnt die Lage in der Türkei langsam kritischer zu werden. Als Reaktion auf die Personalentscheidung verlor die türkische Lira an den Finanzmärkten an Wert.
Im Wahlkampf hatte Erdogan angekündigt, dass er als Präsident eine stärkere Kontrolle über die Zentralbank ausüben wolle. Das hat bei Investoren Sorgen geschürt, die Unabhängigkeit der Notenbank könnte in Gefahr geraten. Die Teuerung in der Türkei ist derzeit mit etwa 15,4 Prozent so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr.
1000 Tage Krieg: Warum die Ukraine nicht verloren ist
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