Browser-Entwickler zu Zuckerberg: "Hören Sie auf zu lügen!"
26.04.2018, 16:33
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Facebook legt auch Profile von Nutzern an, die kein Mitglied in
dem sozialen Netzwerk sind. Vor dem US-Kongress hatte Mark Zuckerberg
behauptet, nichts von diesen "Schattenprofilen" zu wissen. Ein
Browser-Entwickler nennt das eine Lüge – und legt eine Studie vor.
"Der
Begriff ist mir nicht geläufig", sagte Zuckerberg, als er im US-Kongress nach den "Schattenprofilen" gefragt wird. Facebook mag intern einen anderen Namen
dafür haben. Doch dass es diese Schattenprofile gibt, daran haben
Verbraucherschützer und Experten keinen Zweifel.
"Hören Sie auf zu lügen!"
Unter dieser Überschrift hat die
Software-Firma Cliqz einen offenen Brief an Mark Zuckerberg
verfasst, in dem sich die Experten für eine strengere Regulierung von
Tracking-Methoden im Internet aussprechen.
Marc Al-Hames,
Geschäftsführer von Cliqz sagt:
"Die auf der Überwachung von Internetnutzern basierenden
Geschäftsmodelle müssen streng reguliert werden. "Es ist zwar okay, wenn Facebook weiß, was
Sie auf Facebook tun. Und es ist fair, wenn Sie für die Dienste bei
Google ‚mit Ihren Daten bezahlen‘. Das gibt den Konzernen aber nicht das
Recht, Ihnen auf praktisch allen Webseiten heimlich
hinterherzuschnüffeln und dort Ihre persönlichen Daten abzugreifen.
Der Unternehmer appelliert an die EU, den Praktiken
"endlich einen Riegel vorzuschieben".
Hoffen auf neue Gesetze
Das Problem betreffe aber nicht nur Facebook. "Es war längst überfällig,
dass die Datensammel-Praxis von Facebook – stellvertretend für alle
werbefinanzierten Internetgiganten – auf den Prüfstand kommt."
Verbraucherschützer hoffen dabei auf die europäische
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die ab dem 25. Mai von den
Unternehmen umgesetzt werden muss.
Auch unser Autor legt in seiner Analyse viel Hoffnung in die neuen EU-Regeln:
Allerdings ist das Gesetz gerade im
Bezug auf Werbetracking nicht eindeutig formuliert und bietet
potenzielle Hintertüren. Diese könnten durch zukünftige Gerichtsurteile
geschlossen werden, was allerdings einige Jahre in Anspruch nehmen wird.
Außerdem ist unklar, wie effektiv die zuständigen Behörden auf
Beschwerden reagieren werden oder Verstöße aufklären und sanktionieren
können.
Datenschützer drängen deshalb auf eine schnelle Umsetzung der
sogenannten "ePrivacy-Verordnung", die derzeit in Brüssel verhandelt
wird und strengere Regeln für Online-Werbung anstrebt. Diese kommt aber
unter dem starken Gegenwind aus der Wirtschaft kaum voran. Auch die
Bundesregierung hat noch keine eindeutige Position bezogen.
Auch deutsche Politiker warten auf die ePrivacy-Verordnung. Lest hier noch einmal die Reaktionen:
Cliqz will "kompromisslos für die Privatsphäre" eintreten
Sowohl das Medienunternehmen Hubert Burda als auch der
Browser-Entwickler Mozilla haben eine Beteiligung an Cliqz. Das
Unternehmen hat sich auf Privatsphäre-Tools spezialisiert und stellt
unter anderem den datenschutzfreundlichen "Cliqz-Browser" und die
gleichnamige Browser-Erweiterung her.
Auch die bekannte
Anti-Tracking-Software "Ghostery" gehört zur Produktpalette. Insofern
spricht Cliqz Warnungen vor dem Werbetracking nicht uneigennützig aus.
Ghostery stand selbst schon in der Kritik, da das Unternehmen
Nutzerdaten an Werbefirmen weitergegeben haben soll. Spätestens seit der
Übernahme durch die Cliqz GmbH müssen Nutzer aber in die Funktion
"Ghostrank" einwilligen. Tun sie das nicht, werden laut
Unternehmensangabe auch keine Daten gesammelt. Erweiterungen wie der
"Privacy Badger" der Electronic Frontier Foundation oder "Disconnect"
bieten Alternativen zu Ghostery.
Laut einer Studie von Cliqz und Ghostery:
Wird ein Drittel des weltweiten
Internetverkehrs von Facebook-Trackern überwacht.
Wird jeder User auf durchschnittlich jeder dritten Webseite, die er ansurft, mit Facebook sichtbar oder unsichtbar konfrontiert und analysiert
Laut Cliqz reichen diese Informationen völlig aus,
"um mehr
über uns zu wissen als unsere nächsten Verwandten: ob wir Schulden
haben, an einer schweren Krankheit leiden, unseren Partner betrügen,
einen neuen Job suchen, welche politischen Einstellungen und welche
sexuellen Vorlieben wir haben – unser Internetverlauf verrät es".
Diese
Daten seien ein ganz wesentlicher Teil des Geschäftsmodells von
Facebook, das sie für zielgerichtete Werbung nutzt.
Die EU verlangt Antworten
Dies sei besonders ärgerlich für alle, die gar kein Facebook-Konto haben
und dem Tracking ausgesetzt sind, ohne daraus einen Vorteil zu ziehen.
Hinzu kommt: "Wer kein Konto bei Facebook besitzt, hat keinerlei
Möglichkeiten, der Datenerhebung durch Tracking zu widersprechen,
Einsicht in seine Daten zu erhalten oder sie löschen zu lassen", heißt
es in einer Pressemitteilung. Dies sei ein klarer Verstoß gegen das neue
EU-Datenschutzgesetz.
Nach dem US-Kongress verlangt nun auch die EU Antworten von Facebook und
will Mark Zuckerberg ebenfalls zu einer formellen Anhörung einladen.
Cliqz hofft, dass sich die EU-Abgeordneten nicht mit Scheinantworten
abspeisen lassen wie die US-Senatoren und Mitglieder im amerikanischen
Abgeordnetenhaus.
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