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Interview

Aus im Bundestag: Mitarbeiterin von Ex-Abgeordneter packt aus

Weitgehend verlassenes Paul-Löbe-Haus mit Abgeordnetenbüros zu Beginn der parlamentarischen Sommerferien im Juli 2023 Weitgehend verlassenes Paul-Löbe-Haus mit Abgeordnetenbüros zu Beginn der parlamen ...
Im Abgeordnetenhaus heißt es jetzt: Veränderung. Bild: imago images / Chris Emil Janßen
Interview

Job weg von heute auf morgen: Wie es Mitarbeitenden von Ex-Abgeordneten jetzt geht

16.03.2025, 14:00
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Befristete Arbeitsverträge sind nichts Ungewöhnliches. Was aber, wenn dein Job von einem Tag auf den anderen einfach nutzlos wird und dein ganzes Team auseinanderbricht?

Sarah (Name geändert*) war mehr als drei Jahre Büroleiterin bei einer Bundestagsabgeordneten. Bei der Bundestagswahl 2025 verfehlte ihre "Chefin" jedoch den erneuten Einzug – und damit wurde ein ganzes Team arbeitslos.

watson hat mit Sarah über ihr Leben nach der Wahl gesprochen und darüber, warum man die Arbeit im Abgeordnetenbüro nur als "High Performer" schafft.

Watson: Mit dem verfehlten Bundestagseinzug deiner Abgeordneten hast du deinen Job verloren. Wie hat sich dein Alltag seitdem verändert?

Sarah: Jetzt gerade ist das Stichwort erstmal abwickeln: Alles, was noch offen ist, muss übergeben werden. Das sind etwa offene Bürger:innen-Anfragen oder Sachen, die man jahrelang erarbeitet hat. Damit das nicht versandet, gibt man das an andere Büros oder Abgeordnete. Hinzu kommt ein großer organisatorischer Aufwand. Wir haben durch den recht großen Wahlkreis drei Wahlkreisbüros – die müssen aufgelöst werden. Da muss der Mietvertrag und das Gas gekündigt werden, aber auch all unsere Handy-Verträge, es müssen Backups gemacht werden und und und …

Und wie ist die Stimmung im Team?

Es ist schon schlechte, niedergeschlagene Stimmung. Außerdem ist es nicht hilfreich, wenn man Leuten begegnet und niemand weiß, was er oder sie sagen soll.

Was würdest du dir denn wünschen, was die Leute sagen?

Ich wüsste auch nicht, wie ich bei anderen reagieren würde. Ich glaube, das Angemessenste ist: "Tut mir leid und trotzdem viel Erfolg für die Zukunft." Es gibt einfach keine vergleichbare Situation. That's the game, man weiß, worauf man sich eingelassen hat. Man hat ein Risiko, mit dem geht man da rein, und wir waren als Mitarbeitende auch bereit zu.

Das ist sicher ein sehr persönlicher Abschied vom Team. Wie fühlt sich das für dich an?

Mental ist das gerade echt eine Herausforderung, weil es von einem auf den anderen Tag endet und man kein bestehendes Team mehr hat. Die Politiker:innen haben natürlich auch ihre Ups and Downs und wir alle waren das Support-System. Das ist kein Job wie bei einem großen Unternehmen mit abgesteckten Bereichen, sondern ein sehr fließender Übergang.

Wie geht es für dich beruflich weiter?

Bei mir ist es gerade erstmal ergebnisoffen. Aber ich bin positiv gestimmt, weil ich weiß, dass es in der politischen Kommunikation in Berlin einige Stellen gibt.

Könntest du jetzt einfach zu einem anderen Abgeordneten wechseln?

Wenn sich der Job noch einmal bei einem anderen Abgeordneten ergibt, würde ich natürlich gerne weitermachen. Rein rechnerisch haben wir nur die Problematik, dass in unserer Fraktion sehr viel weniger Abgeordnete als vorher in den Bundestag eingezogen sind.

Das heißt, wenn du nichts findest, bekommst du erstmal ganz normal Arbeitslosengeld I?

Ja, genau.

Könntest du dir auch vorstellen, selbst in der ersten Reihe Politik zu machen?

Ganz abwegig ist das nicht. Ich könnte mir das schon mal vorstellen, nur inhaltlich zu arbeiten und nicht immer alles im Blick haben zu müssen. Ich würde mir das zutrauen, weil ich weiß, dass ich kommunikativ stark bin...

... aber?

Ich weiß, wo meine Kapazitätsgrenzen sind und dass ich keine 80-Stunden-Woche will. Klar sind die Diäten hoch, aber irgendwann muss man sich überlegen, ob es überhaupt entsprechend vergütet werden kann, wenn man kein Privatleben mehr hat. Es wird nicht nur unterschätzt, was wir alles in der zweiten Reihe machen, sondern auch zu 100 Prozent, was die Abgeordneten leisten.

Kevin Kühnert ist beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten.

Ich weiß aufgrund meiner Arbeitserfahrungen in den letzten Jahren, dass ich nicht bereit bin, an so eine Grenze zu gehen. Auch wenn meine Ideologie mich wahrscheinlich dahintreiben würde.

Bist du in dem Job als Büroleiterin schon einmal an deine Grenzen gekommen?

Es gab auf jeden Fall Situationen, wo ich dachte, ich kann einfach nicht mehr. In der Regel war das vor der Sommerpause.

Warum gerade da?

Es stehen unfassbar viele Veranstaltungen an. Dann steht morgens um 8 Uhr das erste digitale Meeting an und abends bist du bis 22 Uhr auf einer Veranstaltung. Am Anfang habe ich dort auch viel Networking betrieben, aber beim fünften Meeting macht man dicht und kann nichts mehr mitschneiden.

Das klingt alles nicht so richtig nach einer 40-Stunden-Woche…

Man muss schon dedicated sein. Das ist definitiv kein "nine to five"-Job. Vor allen Dingen nicht in einer leitenden Funktion.

Freust du dich auch ein bisschen, dass es bald entspannter wird?

Ich bin ehrlich gesagt immer Richtung High Performance unterwegs (lacht). Aber ich hätte kein Problem damit, eine zweimonatige Pause bis zum nächsten Job einzulegen.

Wie viel der eigenen Bedürfnisse stellt man als Mitarbeiterin einer Abgeordneten generell hinten an?

Sehr viel. Man braucht viel Geschick in Sachen zwischenmenschlicher Kommunikation.

Hast du ein Beispiel?

Wenn deine Chefin in einer Stresssituation ist, darfst du dich nicht mitreißen lassen. Passiert das aber doch oder man gerät aneinander, habe ich das mit nach Hause genommen. In meinem Privatleben hat mir dann bei vielen Sachen die Energie gefehlt.

Würdest du dir mehr Anerkennung für diese politische Arbeit wünschen?

Ja, das kommt oft zu kurz. Politiker:innen und die Leute dahinter geben auf jeden Fall mehr als in der öffentlichen Wahrnehmung ankommt.

* Hinweis: Die Gesprächspartnerin möchte gerne anonym bleiben. Watson hat das Interview aus diesem Grund ihren Vornamen geändert.

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