Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine hat die ukrainische Regierung Tausende Männer zur Landesverteidigung einberufen. Gesetzesreformen sorgten unter anderem dafür, dass Reservisten im Alter von 25 Jahren an die Front geschickt werden können. Zuvor hatte das Mindestalter bei 27 Jahren gelegen.
All die Regelungen gelten jedoch nicht für Frauen, die Wehrpflicht besteht nur für Männer. Und dennoch haben sich mehr als 45.000 Frauen freiwillig den ukrainischen Streitkräften angeschlossen, kämpfen Seite an Seite mit den männlichen Soldaten.
Andere wiederum nehmen an Ausbildungsprogrammen von Nichtregierungsorganisationen teil, lernen die Grundlagen des Militärdienstes. Jedoch nicht immer, um jetzt an die Front zu ziehen. In einem Bericht schildern sie ihre Beweggründe.
Eine Organisation, die derlei Schulungen anbietet, ist die NGO Valkyriya (Walküre). Seit Beginn der russischen Invasion hat sie mehr als 1500 Frauen ausgebildet, darunter etwa die 24-jährige Anna Syvohip. Sie arbeitet eigentlich in der IT-Branche, nahm aber an der Schulung teil, um den Umgang mit Waffen und Selbstverteidigungstechniken zu lernen.
"Der Krieg hat uns lange Zeit begleitet und wir wissen nie, wann er nach Kiew zurückkehrt. Es wäre also gut, nicht wie am 24. Februar 2022 zu erstarren", sagt sie zu der ukrainischen Zeitung "Kyiv Independent". "Ich würde gerne zu den Waffen greifen und (in den Krieg) ziehen können."
Bei der 49-jährigen Mathematiklehrerin Valentyna Yarysh waren es hingegen familiäre Gründe, die sie zur Militärausbildung bewegten. Sie ist laut "Kyiv Independent" Mutter von drei Kindern, lebte zeitweise unter russischer Besatzung – bis sie floh.
"Das kam für uns sehr unerwartet", sagt sie der Zeitung über die Invasion Russlands in der Ukraine. "Wir waren völlig wehrlos, und jeden Moment hätten voll bewaffnete Leute ins Haus stürmen und Waffen auf uns richten können. Wir fühlten uns hilflos."
Damit sich diese gefühlte Machtlosigkeit nicht wiederholt, mache sie die Ausbildung. Um sich im Notfall selbst zu verteidigen oder sich Partisanen oder den Truppen anschließen zu können.
Auch die 23-jährige Übersetzerin Anna Malishevska macht die Ausbildung, um vorbereitet zu sein, Militärdienst zu leisten und ihr Zuhause zu schützen, heißt es in dem Bericht. Ähnlich ist es auch bei Maryna Holovanova, eine 35-jährige Verkäuferin im medizinischen Bereich.
Sie wolle im Falle eines Angriffs zumindest eine Waffe benutzen können, sagt sie. Außerdem wollte sie verstehen, "wie sich unsere Jungs (Soldaten) fühlen, wie schwer es für sie ist, und lernen, wie wir unser Land verteidigen können".
Liudmyla Shundyk, eine 30-jährige Finanzmanagerin, wählte die Ausbildung als Neustart. "Eines Tages wachte ich auf und erkannte, dass das, was ich tat, sinnlos war. Ich hatte das Gefühl, zur Armee gehen zu müssen und war bereit, alles aufzugeben", sagt sie zu "Kyiv Independent".
Sie habe bereits dutzende Trainingseinheiten absolviert, blieb aber dennoch in ihrem Beruf. Sie wolle schlicht wissen, was zu tun ist, wenn der Ernstfall eintritt. "Das Einzige, was du verlieren kannst, ist dein Leben. Aber ich möchte nicht unter russischer Besatzung leben, und ich kann mir auch nicht vorstellen, im Ausland zu leben. Wir sind hier geboren, und wir müssen hier sein, an unserem Platz."