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Bundestagswahl 2025: Vorschläge der Politiker befeuern Klassenkampf

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Friedrich Merz, wenn er hört, was der deutsche Durchschnittslohn ist.Bild: IMAGO images / Andre Lenthe
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Bundestagswahl 2025: Klassenkampf von oben geht in die nächste Runde

14.01.2025, 07:0514.01.2025, 07:17
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"Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist eine Geschichte von Klassenkämpfen", schrieben Karl Marx und Friedrich Engels vor mehr als Hundert Jahren. Nach wie vor ist der Satz gültig. Spitzenmanager fordern Einsatz, beklagen mangelnden Arbeitsethos, eine um sich greifende Schluffigkeit. Ihr Appell: Schippen, bis die Hände bluten, ganz im Sinne der deutschen Volkswirtschaft.

Weitergetragen wird dieser von Teilen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Menschen mit Hang zu Mythologisierung sprechen auch von Wirtschaftsweisen. Spitzenpolitiker:innen wie Unionsliebling Friedrich Merz schließen sich ebenfalls an. Pünktlich zu den Wahlen gibt es also Klassenkampf von oben.

Wieder werden Errungenschaften infrage gestellt, die Arbeiter:innen hart erkämpft haben. Kippen diese, leidet ein Großteil der Bevölkerung.

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Wer krank ist, kriegt erstmal keine Kohle

Nehmen wir etwa die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Allianz-Chef Oliver Bäte forderte laut WDR, diese am ersten Krankheitstag zu stoppen. Deutschland sei Weltmeister im Krankmachen. Eine markige Aussage, die er völlig evidenzfrei von sich gibt.

Bei ZDF heißt es, die OECD habe geprüft, wie viele Stunden Arbeitskräfte anteilig an der Wochenarbeitszeit krank sind. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit 6,8 Prozent auf Platz sieben, Norwegen belegt mit mehr als 10 Prozent den ersten Platz. Daten bleiben aber links liegen, wenn Arbeitgeber:innen Chancen auf Geländegewinne wittern.

So dreht der Mercedes-Chef Ola Källenius gleich voll auf und fordert sogar drei Tage ohne Lohnfortzahlung. Bäte und Källenius attackieren damit etwas, das Arbeiter:innen noch in den Fünfzigern in einem 114 Tage langen Streik erkämpften. Spitzenpolitiker:innen hüllen sich hier in Schweigen, selbst die im Wahlkampf tarnkappenlinke SPD.

Derlei Angriffe auf die Rechte der Arbeitskräfte sind nicht überraschend. Beliebtes Ziel sind auch die sozialen Sicherungsnetze. Daran will die Unternehmerseite fleißig schnippeln. Unterstützt wird sie von Deutschlands Spitzen-Ökonom:innen.

Grimms Märchen über den Sozialstaat

Zum Beispiel Veronika Grimm. Sie sagte etwa in einem Gespräch mit Phoenix, geführt in der bürgerlichen Behaglichkeit ihres Wohnhauses, wir würden in dem letzten Punkt über unsere Verhältnisse leben. Die Ausgaben würden wachsen, die Wirtschaft aber nicht.

Absolut mögen die Sozialausgaben zulegen, aber in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nicht. Seit 2020 ist die Sozialquote sogar kontinuierlich gesunken, rangierte im vergangenen Jahr bei 30,3 Prozent. Im OECD-Vergleich ist Deutschland sogar recht weit unten angesiedelt, wie die Hans-Böckler-Stiftung zeigte. Dort führt Neuseeland mit 136 Prozent.

Mal abgesehen davon, dass weniger Sozialausgaben von Staatsseite weniger Ausgaben für die Renten- und Krankenversicherung, Wohn- oder auch Arbeitslosengeld bedeutet, ist das auch mal wieder evidenzfreies Gewäsch. Investiert der Staat weniger in Soziales, ist das Ergebnis nur: weniger für Menschen in Notsituationen und weniger Sicherheit für Arbeiter:innen, die wiederum verengte Verhandlungsspielräume auf dem Arbeitsmarkt zur Folge hätte.

Niemand muckt oder lehnt einen Drecksjob ab, wenn sonst der Sturz ins Elend droht. Wenn Unions- und FDP-Politiker:innen ebenfalls weniger Sozialausgaben fordern, sollten Wähler:innen also hellhörig werden, sofern sie nicht zur Einkommenselite gehören. Auch Merz ließ sich einen kleinen Angriff auf die Arbeiter:innen nicht nehmen.

Malochen für Merz

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz fragte erst kürzlich mit vernünftendelm Unterton in einem "Bild"-Interview, warum "wir heute eigentlich mit 45 Millionen Erwerbstätigen nicht mehr Arbeitsstunden als vor 30 Jahren haben?"

Das mag einer normalen Frage anmuten, lässt sich aber ohne großen Analyseaufwand als Wunsch nach mehr Arbeit lesen. Wie das ausgestaltet wird, definiert Merz nicht. Mehr Lebensarbeitszeit, mehr wöchentlich geleistete Arbeitsstunden, mehr Überstunden?

Merz Äußerung ist nicht nur perfide, sie ist auch undifferenziert. Ja, durchschnittlich sind die jährlich geleisteten Arbeitsstunden gesunken. 1991 waren es 1554 Stunden, 2023 sind es 1345. Das liegt aber am ausgebauten Teilzeitsektor. Und wer Teilzeit arbeitet, wird häufig durch die Lebensumstände, zum Beispiel zu wenig Kita-Plätze, dazu gezwungen.

Wer profitiert vom Wohlstand?

Alle drei Argumente einigt vor allem eins: den Wunsch nach mehr Wohlstand. Und klar, mehr Wohlstand ist nicht schlecht. Immerhin sorgt dieser, im Optimalfall, für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage aller. Und offensichtlich ist den meisten auch klar, wer das Wohlstandswachstum treibt: die Arbeiterseite.

Die Frage ist nur, wie viel sie von der verbesserten wirtschaftlichen Lage Deutschlands hat, wenn sie sich selbst dafür kaputt buckeln muss; wenn sie wichtige Sicherheiten verliert; wenn sie bei jeder Erkrankung Lohneinbußen fürchten muss. Wenige hingegen frönen einem angenehmeren Leben und fordern mit völlig realitätsfremden Argumenten mehr Peitsche.

Wäre doch schön, wenn zur Geschichte aller "bisherigen Gesellschaft" ein neuer Klassenkampf hinzukommt. Einer, der mit einem Sieg von unten endet. Einer, der die Lage der arbeitenden Klasse ein ordentliches Stück verbessert.

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