Nach 19 Minuten war dann endlich Markus Söder an der Reihe. Beide Hände am Pult, staatsmännischer Blick, Showtime. "Meine Damen und Herren, es ist vollbracht."
Die nun aller Voraussicht nach künftige Koalition aus Union und SPD ist nach knapp fünf Wochen mühsamer Gespräche am Mittwochnachmittag vor die Fernsehkameras getreten und hat ihre Einigung vorgetragen. Und Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Landesvater, durfte sein neues Stand-up-Programm vortragen.
Politik, das wurde in seiner Stellungnahme einmal mehr klar, ist für ihn vor allem ein Profilierungsschauspiel. Ein erfolgreicher Arbeitstag ist für Markus Söder, wenn er sich als Zampano aufspielen kann. Dass hier gerade eine bitter benötigte Regierung gebildet worden ist, die sich zu erratischen US-Präsidenten, eskalierenden Handelskriegen und einer in Umfragen neuerdings bundesbeliebtesten AfD verhalten muss – geschenkt.
Reden müssen nicht trocken sein. Es ist sogar schön, wenn sich jemand Mühe gibt, abwechslungsreich und ergreifend zu sprechen. Bei Söder allerdings wird man den Verdacht nicht los, dass es hier nicht um das Wohlergehen Deutschlands geht, sondern nur um ihn selbst. Das ist altbekannt – aber war in seinem Ausmaß am Mittwoch doch bemerkenswert.
In seiner Rede benutzte Söder so viele Metaphern, dass selbst Paulo Coelho schamesrot anlaufen würde. Schon im zweiten Satz erfährt man, dass man ein "dickes Brett" bohren musste, der Koalitionsvertrag sei eine "Mischung aus einer Reha-Kur und einem Fitness- und Modernisierungsprogramm für unser Land" und werde ganz sicher ein "Bestseller", denn: Die deutsche Wirtschaft könne nun ihre "Fesseln abstreifen".
"Ich habe recht gehabt", sagte er, als es um die Migrationspolitik ging. Alles sein Verdienst. Heizungsgesetz? Abgeschafft. Lieferkettengesetz? Geschichte.
Friedrich Merz hat neben ihm sichtlich Mühe, die Contenance zu wahren. Als sich Söder bei der Frage, welche Antwort man Donald Trump nun geben wolle, auf Arnold Schwarzeneggers "I'll be back" beruft, deutet Merz nur seitlich mit dem Kopf Richtung Söder. Guck mal, er hier wieder.
Sie nehmen ihn nicht ganz für voll auf der Bühne. Auch die SPD-Spitzen Lars Klingbeil und Saskia Esken verlieren sich gelegentlich in gefälligem Lächeln. Söder, das ist halt der verschrobene Onkel, der verbal auch mal übers Ziel hinausschießt.
Der Unterschied zu dem großtönenden Wahlkampf-Söder der vergangenen Monate ist aber, dass seine Partei nun echten Zugang zur Macht hat. Sein Wort hat Gewicht, Entscheidungen können an ihm scheitern. Drei Ministerien hat die CSU erringen können: Innen, Forschung und Landwirtschaft. In den regelmäßigen Koalitionsausschüssen wird er dafür sorgen, dass die bayerische Note prominent platziert und sein Gewicht deutlich wird.
Söder behauptet an diesem Mittwochnachmittag, er wolle weiter beim "Sie" bleiben, auch wenn zeitweise eine "Männer-Duz-Freundschaft" zwischen den Beteiligten der Koalitionsverhandlungen kolportiert worden war, nur damit Saskia Esken später korrigiert, sie würden sich schon seit Jahren duzen. Aber da ist Markus Söder schon wieder demonstrativ am Handy. Es geht schließlich nicht mehr um ihn.
Auf die Frage, ob es bei einem Vizekanzler bleibe, sagte der Mann, der von der "Bild" bereits als "Schattenkanzler" umschmeichelt wird: "Ich werde öfters da sein, aber ich fahre auch gerne wieder zurück." Und dann, schnell hinterher schiebend: "Aber Sie werden von mir hören." Wie so oft an dieser Pressekonferenz: lautes Lachen.
Die Ampel-Regierung ist auch, und nicht in geringem Maße, an Christian Lindners ideologischer Kompromisslosigkeit gescheitert. Was aber passiert, wenn jemand die Regierung mitprägt, dessen einzige Ideologie er selbst ist?