Russlands Präsident Putin ist mit zahlreichen Problemen konfrontiert, die er sich mit dem Einmarsch in der Ukraine vor zweieinhalb Jahren selbst eingebrockt hat. Westliche Sanktionen bremsen die Wirtschaft, Embargos sorgen für Materialengpässe und in der Bevölkerung schwindet die Unterstützung für den brutalen Angriff auf den Nachbarn.
Um die Ukraine in einem erschöpfenden Krieg doch noch in die Knie zu zwingen, hat Putin deshalb per Dekret angeordnet, die Größe der Armee auf 1,5 Millionen Soldaten aufzublähen. Dabei hat die russische Streitmacht bereits jetzt Hunderttausende Quadratkilometer verbrannte Erde hinterlassen.
Doch der Kreml will sich keinen Trümmerhaufen einverleiben. Stattdessen sollen den Bewohner:innen der eroberten Gebiete lebenswerte Städte geboten werden. Russische Agenturen rekrutieren daher Tausende Arbeiter. Die werden meist unter falschen Versprechungen angelockt und arbeiten unter Lebensgefahr.
Das freie russische Recherchenetzwerk "Meduza" hat dazu eine Recherche veröffentlicht – mit erschreckenden Details. Der Bericht zeugt von falschen Versprechungen, verschleppten Bauprojekten und Hungerlöhnen. Und von explodierenden Gewinnen bei den Firmen.
Demnach suchen Arbeitsvermittler in Russland händeringend nach Personal für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in der Ostukraine. Während die Agenturen zu Beginn der Besetzung noch regelmäßig Updates über den Baufortschritt veröffentlichten, stockt die Arbeit spätestens seit März 2023.
Aus den 1000 Wohnungen und Häusern, die bis dahin fertiggestellt wurden, wichen die staatlich beauftragten Baufirmen zu einer vagen Angabe von "mehreren Hundert" neuen Bauabschlüssen ab. Ob diese bewohnbar sind, ist allerdings fraglich.
Ein Arbeiter, der mehrere Monate in verschiedenen ostukrainischen Städten schuftete, weckt daran Zweifel. Der Mann, der sich in dem Artikel "Igor" nennt, erzählt von rudimentären Arbeiten und unbewohnbaren Verhältnissen.
Demnach beschränkte sich seine Arbeit darauf, Hausfassaden zu errichten. "Im besten Fall bereiten sie die Innenräume für Reparaturarbeiten vor", erklärte der Arbeiter aus St. Petersburg.
Auch Stahl- und Waffenfabrikanten, Callcenter, Brauereien und sogar Reiseunternehmen expandieren von Russland in die besetzten Gebiete. Dabei berichten verschiedene Quellen von niedrigen Löhnen und gefährlichen Arbeitsbedingungen. Für weniger als 1100 Euro im Monat riskierte Igor täglich sein Leben in Donezk.
In der Hauptstadt des ressourcenreichen Donbass, berichtet Igor, schlugen mehrmals täglich Raketen, Drohnen und Bomben ein. "Donezk ist eine absolute Shitshow – ständige Explosionen", erinnert sich Igor. Mindestens 23 Arbeiter wurden während ihres Dienstes getötet. Zwölf davon stattete Wladimir Putin posthum mit einer Auszeichnung für ihren Mut aus.
Ganz andere Umstände herrschen in einer anderen Metropole. "In Mariupol ist es sicher, obwohl nicht alle Straßenlaternen funktionieren", erklärt Igor. 25.000 Menschen starben dort bei den russischen Angriffen im Bombenhagel, 95 Prozent der Gebäude wurden zerstört. Dementsprechend spricht Igor von einer "Geisterstadt", in der lediglich volltrunkene Alkoholiker zurückgeblieben sind.
"Meduza" berichtet über 121 Stelleninserate, die Arbeiter unter falschen Vorzeichen in den Donbass locken. Dabei würden die Unternehmer die schwierigen bis lebensbedrohlichen Umstände verschweigen. Oft blieben Lohnzahlungen für die Arbeitnehmer ganz aus. Davon berichteten selbst die Rekrutierer in Russland.
Gleichzeitig streichen die Leiharbeitsfirmen große Gewinne ein. Der Konzern SPK Zeleny Gorod, der in der Ukraine Bauprojekte für Wohnungen, Infrastruktur und Landschaftsarbeiten leitet, konnte seinen Umsatz um 56 Prozent steigern.
Weil immer wieder Arbeiter verletzt werden oder aufgrund der niedrigen Gehälter und gefährlichen Arbeitsbedingungen kündigen, laufen die Online-Inserate für ungelernte Arbeitskräfte in Endlosschleife weiter.