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Tourismus: Venedig als Negativbeispiel – Städte kämpfen gegen Touristenmassen

Überfülltes Venedig: Tagestouristen sollen hier künftig Eintritt bezahlen.
Überfülltes Venedig: Tagestouristen sollen hier künftig Eintritt bezahlen.Bild: www.imago-images.de
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"Niemand will so wie Venedig sein" – Städte kämpfen gegen Touristenmassen

06.04.2019, 08:3906.04.2019, 08:41
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Venedig gilt als der Inbegriff des Massentourismus. Für viele Touristenorte in Europa gilt daher: Bloß nicht so werden wie Norditaliens Schmuckstück.

Nun will die Lagunenstadt Eintrittsgeld verlangen. Was kann das bringen?

Venedig ist längst kein Vorbild mehr. Auf der Rialto-Brücke, vor dem Dogenpalast oder dem Markusdom wimmelt es nur so vor Touristen. Und das umso mehr, je wärmer die Sonnenstrahlen werden.

"Niemand will so wie Venedig sein"
So betitelte zuletzt das spanische Portal "El Confidencial" einen Artikel zum Problem des Massentourismus.

In der beliebten Lagunenstadt wird sich bald etwas ändern: Tagestouristen müssen Eintritt bezahlen. "Das ist eine Maßnahme, die es in keinem anderen Teil der Welt gibt", sagte Bürgermeister Luigi Brugnaro am Donnerstag in Rom.

Ein genaues Datum gibt es noch nicht – doch wenn es nach Brugnaro geht, soll es noch vor dem Sommer soweit sein: Wer keine Unterkunft in Venedig gebucht hat, soll in diesem Jahr zunächst drei Euro bezahlen. Ab 2020 soll der Betrag dann auf sechs Euro steigen. Je nach Saison und Besucherandrang kann der Beitrag allerdings auch gesenkt oder weiter angehoben werden: In ruhigen Zeiten würden drei Euro fällig, bei stärkerem Andrang acht Euro, in "außergewöhnlichen" Situationen sogar zehn Euro. Ausgenommen von der Zahlung sind Hotelgäste, die ohnehin eine Ortstaxe zahlen.

Ein paar Euro mehr werden die Touristen wohl nicht davon abhalten, einen Ausflug in die Stadt zu machen. Aber Bürgermeister Brugnaro geht es darum, sie wieder lebenswert zu machen – für die Anwohner und für Touristen. Die Stadt solle auch weiterhin als Stadt erkennbar sein und gepflegt werden, damit sie auch für kommende Generationen erlebbar sei.

"Wir wollen die Stadt verteidigen"
Das sagt Bürgermeister Luigi Brugnaro.
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Venedig wurde auf knapp 100 Inseln in einer Adriabucht erbaut. Es gibt kaum Straßen und fast ausschließlich Kanäle als Verkehrswege. Bild: imago stock&people

Die neue Gebühr soll in die Instandhaltung und Reinigung Venedigs fließen. Die Maßnahme soll der Kommune auch Aufschluss darüber geben, wie viele Touristen in der Stadt sind. Brugnaro habe auch schon Anrufe aus mehreren Städten bekommen, wie das ganze funktionieren soll.

Touristen: Fluch und Segen zugleich – das wissen auch andere Städte

Denn wie für Amsterdam, Barcelona oder Dubrovnik ist die Beliebtheit für die Lagunenstadt Segen und Fluch zugleich: Die Touristen lassen Geld in da – sorgen aber auch für Preissteigerungen, Dreck, Stau. Der Ärger der Bürger wächst seit Jahren. In Barcelona etwa. Das ging soweit, dass 2017 Vermummte einen voll besetzten Reisebus stoppten, die Reifen zerstachen und mit Farbe den Satz "Tourismus tötet die Stadtteile" auf die Windschutzscheibe sprühten.

"Der Tourismus ist wie König Midas: Er zerstört das, was er liebt"
Diesen Vergleich zieht die Digitalzeitung "El Confidencial".

Oder in Paris: Anwohner in der Rue Crémieux wollen erreichen, dass die Straße im 12. Arrondissement zu bestimmten Zeiten wie am Wochenende für Touristen gesperrt wird. Denn die für Paris ungewöhnlich pastellfarbenen Häuser sind begehrtes Fotomotiv. Auf Instagram gibt es den entsprechenden Hashtag #ruecrémieux. "Es ist zur Hölle geworden", sagte ein Anwohner dem Sender France Info.

In Dubrovnik dürfen nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe pro Tag anlegen

Für viele Städte sind Kreuzfahrttouristen das größte Problem, weil sie in Massen ankommen, die Straßen überschwemmen und bei ihrem recht kurzen Aufenthalt wenig Geld zurücklassen. Im kroatischen Dubrovnik dürfen pro Tag nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe anlegen und maximal 5000 Touristen an Land gehen lassen. Wegen der "Invasion" der Touristen riskiert die Stadt, ihren Status als Unesco-Weltkulturerbe zu verlieren. Auch Kotor in Montenegro steht unter Druck, die Zahl der Kreuzfahrttouristen zu reduzieren. Die Unesco bangt um die Festung der Stadt wie um die tiefe Bucht, an der sie liegt.

Touristen lassen sich übers Wasser gondeln. Die Rialto-Brücke im Hintergrund.
Touristen lassen sich übers Wasser gondeln. Die Rialto-Brücke im Hintergrund.Bild: www.imago-images.de

In Amsterdam sind es die Grachten und der "Wallen" - das Rotlichtviertel -, die jährlich Millionen an Besucher anziehen. Für 2025 rechnet die niederländische Hauptstadt mit 30 Millionen Gästen. Schon im vergangenen Jahr kamen um die 25 Touristen auf einen Einwohner. Nun wurde die Touristensteuer erhöht. Auch in Prag steigt die Zahl der Besucher seit Jahren. Überlegungen, ein Eintrittsgeld etwa für die berühmte Karlsbrücke zu verlangen, gibt es aber nicht.

Und in der Schweiz, wo vor allem Luzern unter großem Touristenansturm ächzt, wird auf Besucher-Begrenzungen verzichtet, auch wenn es Beschwerden aus der Bevölkerung gibt. Um die alte Holzbrücke am Vierwaldstättersee drängen sich jedes Jahr mehr als neun Millionen Besucher für Fotos und Selfies. Das seien pro Kopf der Bevölkerung mehr als in Venedig, wie die Boulevardzeitung "Blick" 2018 errechnet hat: in Luzern kommen demnach 116 Besucher auf einen Einwohner, in Venedig 96. Die Politiker verweisen immer wieder auf das viele Geld, das die Touristen zurücklassen.

In Venedigs Kassen wird es davon jetzt bald noch mehr geben. Aus Sicht von Bürgermeister Brugnaro ist das Eintrittsgeld im Kampf gegen den schnelllebigen Massentourismus erst der Anfang – und könnte auch etwas für andere europäische Städte sein.

"Wir dürfen niemanden benachteiligen und genauso wenig den Eindruck erwecken, dass die Stadt sich verschließt"
Venedigs Bürgermeister Brugnaro.

Er sprach aber gleichzeitig von der "Verteidigung" von Venedig. Zum Image der Stadt passt die neue Maßnahme allemal. Wenn man die beige- bis terracottafarbenen Hausfassaden mit den typischen Rundbogenfenstern vor dem glitzernden türkisfarbenen Wasser sieht, glaubt man sich schon jetzt im Museum.

(as/dpa)

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