Dann ging es doch schneller als gedacht. Nach den erfolglosen Anläufen des Republikaners Jim Jordan befürchteten US-Medien einen langwierigen, chaotischen Abstimmungsprozess im US-Repräsentantenhaus. Denn die Republikaner sind zerrissen: Vor allem der rechte Flügel mit den konservativen Hardlinern und Trump-Verbündeten Matt Gaetz sorgt für Wirbel.
Doch nun gibt es offenbar eine Einigung: Und die heißt Mike Johnson. Mike who? Fragen sich wohl einige. Der Republikaner kommt als Außenseiter ins Spiel, dessen Namen Expertenstimmen nicht auf ihrer Liste hatten. Dieser eher unbekannte Republikaner übernimmt den mächtigsten Posten im US-Kongress. Der 51-Jährige ist jetzt die neue Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize.
Einen vermag diese Entscheidung offenbar besonders freuen: Ex-Präsident Donald Trump. Der Wahlsieg für Johnson könnte Folgen weit über die USA hinaus haben.
Johnson gehört zur religiösen Rechten seiner Fraktion, ist Abtreibungsgegner und lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Er zählt zu Trumps loyalen Anhänger:innen. Johnson weigerte sich seinerzeit, Trumps Niederlage gegen Biden bei der Präsidentenwahl 2020 anzuerkennen, und unterstützte damals auf juristischem Weg Trumps Bemühungen, den Wahlausgang nachträglich ins Gegenteil umzukehren. Johnson war auch im Verteidigerteam bei Trumps Amtsenthebungsverfahren.
Abgesehen von seinen kontroversen Ansichten kommt auch die Frage auf: Ist der neue Chef des US-Repräsentantenhauses überhaupt fit für den Posten?
Demokraten äußerten sich besorgt über die Personalie. Der Jurist und frühere Radiomoderator aus dem Bundesstaat Louisiana sitzt seit 2017 im Repräsentantenhaus. Der vierfache Vater ist evangelischer Christ. Johnson war bislang Teil der erweiterten Fraktionsführung der Republikaner, ist auf nationaler Bühne aber weitgehend unbekannt und hat im Repräsentantenhaus bislang nicht mal einen Ausschuss geleitet.
Selbst Parteikolleg:innen machten keinen Hehl daraus, dass Johnson für den Posten vergleichsweise wenig Erfahrung aufweist. "Er wird ein wenig lernen müssen", sagte der Republikaner Tom Cole der "Washington Post". Ein anderer, nicht namentlich genannter Parlamentarier wurde zitiert mit den Worten: "Seine Bilanz ist nicht überragend."
Dabei erwarten Johnson große Herausforderungen.
Die Parlamentskammer hat jede Menge zu tun. Bis Mitte November muss der Kongress einen neuen Haushalt verabschieden, sonst droht ein Stillstand der Regierungsgeschäfte – ein "Shutdown". Dann läuft nämlich ein Übergangshaushalt aus. Das Parlament muss sich auch mit dem Israel-Krieg und dem Langzeitkonflikt in der Ukraine beschäftigen.
US-Präsident Joe Biden beantragte vergangene Woche ein mehr als 100 Milliarden US-Dollar (rund 94,5 Milliarden Euro) schweres Hilfspaket beim Kongress, das Unterstützung für die Ukraine und Israel enthält. Es ist aber fraglich, ob der Kongress zustimmen wird. Eine wachsende Zahl von Republikanern sieht die Hilfe für Kiew zunehmend kritisch oder lehnt sie gar völlig ab. Johnson selbst hat sich in der Vergangenheit gegen US-Hilfen für das von Russland angegriffene Land gestellt.
Die USA sind der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. In dem verabschiedeten Übergangshaushalt sind auf Druck von Teilen der republikanischen Fraktion keine weiteren Hilfen für das Land vorgesehen. Und das bisher vom Kongress genehmigte Geld für Kiew geht zur Neige, neue Mittel müssen deshalb dringend her. Ob die Ukraine bei einem Repräsentantenhaus unter Johnsons Führung mit baldigen Hilfen rechnen kann, ist unklar.
Das wiederum könnte bedeutsame Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen haben. In seiner Antrittsrede erwähnte Johnson die Ukraine nicht, sondern sprach lediglich über den Konflikt in Israel. Als erste Amtshandlung ließ er über eine allgemeine Resolution zur Unterstützung Israels abstimmen.
Die radikalen Abgeordneten, darunter die acht Parlamentarier, die McCarthys Sturz initiiert hatten, feierten Johnsons Wahl – auch als Zeichen eines Erstarkens des rechten Flügels.
In einem Interview mit dem US-Rechtspopulisten Steve Bannon sagt Gaetz: "Wenn man nicht erkennt, dass der Wechsel von Kevin McCarthy zu Maga Mike Johnson den Aufstieg dieser Bewegung zeigt und wo die Macht in der Republikanischen Partei wirklich liegt, dann ist man nicht aufmerksam." Maga steht für Trumps Wahlspruch "Make America Great Again".
Tatsächlich zeigt die Wahl mit Johnson, wie weit die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump dort hat. Der Ex-Präsident konnte sich zwar mit seinem Wunsch-Hardliner Jim Jordan, für den er sich starkgemacht hatte, nicht durchsetzen.
Doch zeigte Trump eindrucksvoll seine Fähigkeit, Chaos zu stiften und den Wahlprozess zu lenken durch Wortmeldungen in die eine oder andere Richtung. Ob es dem wenig erfahrenen Johnson nun gelingen wird, das Chaos dauerhaft zu beenden und die weiter zersplitterte Fraktion bei kommenden Abstimmungen zusammenzuhalten, ist fraglich.
(Mit Material der dpa)