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Anerkennung Palästinas: Auswirkungen, Kritik und Handelsbeziehungen

29.06.2025, Palästinensische Gebiete, Gaza: Vertriebene Palästinenser fliehen aus dem Flüchtlingslager Dschabalia, nachdem die israelische Armee die Evakuierung von Gaza-Stadt angeordnet hat. Foto: Je ...
Die humanitäre Lage im Gazastreifen verschlechtert sich derweil weiter.Bild: AP / Jehad Alshrafi
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Anerkennung von Palästina: Was der Schritt von Frankreich, Großbritannien und Kanada bedeutet

Frankreichs Präsident Macron plant die Anerkennung Palästinas als Staat, nun wollen es ihm auch Großbritannien und Kanada gleich tun. Israel und die USA verurteilen den Schritt. Die wichtigsten Informationen.
31.07.2025, 11:3731.07.2025, 11:37
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat es in den vergangenen Monaten immer wieder in Aussicht gestellt, nun will er den Schritt endgültig gehen: Macron hat angekündigt, dass Frankreich im September einen palästinensischen Staat offiziell anerkennen wird.

Am vergangenen Donnerstagabend teilte er diese Entscheidung auf der Plattform X gleich in drei Sprachen – Französisch, Englisch und Arabisch.

Israel und Frankreichs Verbündete, die USA, kritisieren die Entscheidung heftig. Derweil ist ungewiss, wie es mit den Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen weitergeht. Die USA und Israel riefen ihre jeweiligen Verhandlungsdelegationen aus Katar zurück.

Anerkennung von Palästinenserstaat: Was hat Macron gesagt?

Frankreichs Präsident hat angekündigt, einen palästinensischen Staat bei einer UN-Sitzung im September offiziell anzuerkennen:

"Getreu seinem historischen Engagement für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten habe ich beschlossen, dass Frankreich den Staat Palästina anerkennen wird."

Bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen werde er die Anerkennung feierlich verkünden, erklärte er.

Es sei dringend notwendig, den Krieg in Gaza zu beenden, der Zivilbevölkerung Hilfe zu leisten und die Entmilitarisierung der Hamas sicherzustellen, schreibt er, und: "Frieden ist möglich."

Anerkennung Palästinas: Großbritannien und Kanada ziehen nach

Nach der Ankündigung Frankreichs hat auch Großbritannien in Aussicht gestellt, einen Staat Palästina anzuerkennen. Man werde dies Ende September vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen tun – allerdings nur in dem Fall, dass die israelische Regierung keine wesentlichen Schritte unternehme, um die Situation im Gazastreifen zu beenden, heißt es dazu bei der "Tagesschau".

Nun stellt Kanada ebenfalls eine Anerkennung eines Palästinenserstaates im September in Aussicht, erklärte der kanadische Premierminister Mark Carney am Mittwoch vor Journalist:innen in Ottawa. Die Entscheidung sei von Kanadas "langjähriger" Überzeugung von einer Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt, erklärte Carney mit Blick auf die Idee einer friedlichen Koexistenz eines Palästinenserstaats an der Seite Israels. Die Möglichkeit einer solchen Lösung "schwindet vor unseren Augen", betonte der Regierungschef.

Wie viele Staaten haben einen Staat Palästina anerkannt?

Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP haben mindestens 142 Staaten weltweit einen Palästinenserstaat anerkannt oder planen, dies zu tun – darunter Norwegen, Spanien, Irland und Slowenien. Regierungsmitglieder dieser Länder loben Macron für den Schritt.

"Gemeinsam müssen wir das schützen, was Netanjahu zu zerstören versucht. Die Zwei-Staaten-Lösung ist die einzige Lösung", schrieb Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, der ein scharfer Kritiker von Israels Vorgehen im Gazastreifen ist, auf X.

Der irische Außenminister Simon Harris bezeichnete Frankreichs Schritt als "die einzige dauerhafte Grundlage für Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser gleichermaßen". Das Außenministerium von Saudi-Arabien bezeichnete Macrons Ankündigung als "historisch", forderte außerdem andere Länder auf, diesem Beispiel zu folgen.

Welche Bedeutung hat die Anerkennung vom Palästinenserstaat?

Im vergangenen Jahr hatten Spanien, Irland und Norwegen gemeinsam beschlossen, Palästina als Staat anzuerkennen. Nach dem Völkerrecht kommt es für eine Bewertung, ob ein Staat vorliegt, nicht auf eine Anerkennung durch andere Länder an, erklärte der Völkerrechtler Pierre Thielbörger im Interview mit der "Tagesschau" in diesem Zusammenhang.

Die Entscheidung, einen Staat Palästina anzuerkennen, ist also in erster Linie diplomatischer Natur.

Je mehr Länder einen palästinensischen Staat anerkennen, desto mehr diplomatische Beziehungen kann dieser unterhalten. Außerdem wird es für andere EU-Staaten dadurch immer schwieriger werden, Argumente gegen eine Anerkennung zu finden, weiß Thielbörger.

Auf den Straßen im Westjordanland äußerten Palästinenser:innen gegenüber der AFP genau diese Hoffnung: dass weitere Länder dem Beispiel Frankreichs folgen.

Auswirkungen auf Handelsbeziehungen

Die Anerkennung eines palästinensischen Staates hätte weitreichende Folgen – vor allem für die Beziehungen zu Israel. Das erklärt Ardi Imseis, Jura-Professor an der Queen’s University in Kanada und ehemaliger UN-Mitarbeiter gegenüber der "New York Times". Wer Palästina offiziell anerkennt, müsse seine Abkommen mit Israel darauf prüfen, ob sie gegen die Rechte des palästinensischen Staates verstoßen. Das betreffe politische und territoriale Fragen ebenso wie wirtschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Beziehungen.

Heißt konkret: Wenn ein Handelsgeschäft Israels Politik unterstützt und dabei die Rechte Palästinas verletzt, müsste das anerkennende Land diese Zusammenarbeit stoppen. Imseis sagt dazu: "Eine Anerkennung würde den Druck auf Politik und Zivilgesellschaft im eigenen Land erhöhen, die Beziehungen entsprechend anzupassen."

Komplett abbrechen müsste der Handel mit Israel aber nicht, betont Völkerrechtsanwalt Paul Reichler, der Palästina vor dem Internationalen Gerichtshof vertreten hat, laut der "New York Times". Kritisch werde es zum Beispiel bei Importen von Siedlerprodukten aus besetzten Gebieten – diese könnten als Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Handelns gewertet werden.

Warum gibt es Kritik?

Israelische Politiker verurteilten die Ankündigung Macrons scharf. Netanjahu kritisierte, der Plan biete eine "Startrampe für die Vernichtung" Israels. "Die Palästinenser wollen keinen Staat neben Israel, sie wollen einen Staat anstelle von Israel", betonte Netanjahu.

Außenminister Gideon Saar erklärte, dass ein palästinensischer Staat "ein Hamas-Staat" sein werde. Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, Israel werde "die Gründung einer palästinensischen Entität, die unsere Sicherheit gefährdet, nicht zulassen". Justizminister Jariv Levin sprach von einem "schwarzen Fleck in der Geschichte Frankreichs".

US-Außenminister Marco Rubio erklärte bei X, die USA lehnten den Plan Macrons "entschieden" ab. "Diese rücksichtslose Entscheidung dient nur der Propaganda der Hamas und verzögert den Friedensprozess." Der Schritt sei zudem "ein Schlag ins Gesicht der Opfer vom 7. Oktober", fügte Rubio mit Blick auf den brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 an.

US-Präsident Donald Trump hat Kanada mit Folgen auf Verhandlungen über ein Handelsabkommen gedroht. "Wow! Kanada hat gerade angekündigt, dass es die Eigenstaatlichkeit Palästinas unterstützt. Das wird es für uns sehr schwierig machen, ein Handelsabkommen mit ihnen zu schließen", erklärte er in seinem Onlinedienst Truth Social.

(Mit Material dpa und afp)

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