Im Theater gibt es einen alten Trick, um eine scheinbar hoffnlungslos verfahrene Situation zu retten. Plötzlich dampft es aus allen Ecken und Enden, und ein Gott tritt auf die Bühne. Ein Dämon oder ein sonstiges übernatürliches Vieh, das zur Rettung des Helden eilt.
Man nennt das einen "Deus Ex Machina" – einen Gott aus der Maschine. Die CSU unter Horst Seehofer und Markus Söder geriert sich seit Beginn der Flüchtenden-Debatte als solcher Deus Ex Machina. Die Regierungskrise, die Deutschland gerade erlebt, ist vor allem eine Folge dessen.
Seit 2015 präsentieren die Christsozialen die Situation gegenüber den Bürgern als im Grunde unlösbar. Die anderen Parteien seien überfordert, die Ängste des Kleinen Mannes würden nicht ernstgenommen. Alles schlimm, es sei denn der Auftritt "CSU" mit viel Qualm
und Getöse bringt die Rettung. Die AfD? Nur ein Laienschauspiel. Die CSU aber, so die Botschaft, vertritt es noch, das konservative Bürgertum, den
starken Staat und die Kontrolle in der Flüchtenden-Frage.
Aber Seehofer und Söder haben ein Problem: In der heutigen Zeit ist der göttliche Bühnentrick verkommen. Soap Operas, also das Fernseh-Theater, setzen den Deus Ex Machina-Effekt andauernd ein. Dort ist es keine göttliche Instanz, sondern ein neuer Charakter oder eine plötzliche Fügung. Die Drehbuchautoren bauen sie immer dann ein, wenn sie nicht mehr wissen, wie sie ihre Geschichte sonst weiter erzählen sollen.
Genauso ist es bei der CSU: Sie muss ihre ausgelobte "Rettung" immer wieder neu inszenieren, damit die Wähler dranbleiben. Das wird auch nach einer Bayernwahl im Herbst so bleiben, ganz egal ob die Wähler den Rechtsruck als Strategie nun goutieren oder nicht.
Die Gesten der Christsozialen müssen immer härter werden. Sie selbst müssen sich immer wieder übertrumpfen, damit die Partei nach Außen ihre Identität behält. Das liegt natürlich auch daran, dass die AfD ein ganz ähnliches Bühnenstück aufführt.
Plötzlich hat Merkel dann einen Rechtsbruch begangen, plötzlich hat sie die Flüchtenden "eingeladen", plötzlich braucht es neue "Ankerzentren", eine breitere Islamdebatte und Kreuze in den Behörden.
Da ist es nur folgerichtig, dass die CSU jetzt verlangt: Für Asylsuchende müssen die Grenzen grundsätzlich erst einmal geschlossen bleiben.
Wer immer wieder den Gott auf der Bühne spielt, der verprellt seine Mitschauspieler und langweilt die Zuschauer.
Eine Mitte-Partei, wie die CDU es seit Jahren nun einmal ist, kann irgendwann keine Zugeständnisse mehr machen, wenn sie nicht die bürgerlichen Mitte aufgeben will. Es muss dann geradezu zum unweigerlichen Konflikt kommen, weil zwei alte Bühnen-Partner nicht mehr recht zusammenspielen können.
Und die Zuschauer: Der eine Teil wartet auf den immer nächsten und härteren Gott-Auftritt. Der andere und wesentlich größere Teil wird irgendwann abgeschreckt, weil die Qualität des Bühnenspiels mittlerweile so erwartbar ist.
Weil sie sich aber nicht anders zu helfen wissen bei ihrem Auftritt, müssen Seehofer und Söder geradezu auf einen Bruch der Union zulaufen. Einen solchen vorläufigen "Mega-Deus-Ex-Machina" können aber weder Söder noch Seehofer wirklich wollen. Er wäre das vorläufige Ende der Bühnen-Show, und dann gibt es schlicht auch kein Schauspiel mehr.