Kanzlerin Angela Merkel versucht es mit Härte. Trotz des eskalierenden Asylstreits mit der CSU, so sagte Merkel am Donnerstagmittag, rechne sie nicht mit dem Scheitern der Bundesregierung.
Stattdessen bekräftigte sie, dass sie die von der CSU geforderten Zurückweisungen von Flüchtenden an der deutschen Grenze ablehnt.
Also eine Maßnahme, die Deutschland ganz allein einleiten würde – ohne die EU-Partner.
Sie wolle schneller und konzentrierter bei den anstehenden Projekten arbeiten.
Das sagte Merkel kurz nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten im Kanzleramt, bei dem es ausgerechnet auch um das Thema Flüchtende ging.
Die Message dahinter scheint klar: Ich werde im Amt bleiben, und die Union wird nicht zerbrechen.
Am Mittag hatte die Kanzlerin bei einer Sondersitzung der CDU-Fraktion immerhin ihre eigenen Abgeordneten auf diese rote Linie eingeschworen. Hieß es in den vergangenen Tagen noch öfter, sie stehe isoliert da, gab es aus den Reihen der Christdemokraten heute mehrheitlich Unterstützung.
Gleichzeitig hat Merkel sich gegenüber der CSU 14 Tage Bedenkzeit erbeten, um eine "europäische Lösung" für die Frage nach der Abweisung von Asylsuchenden zu finden.
Das klingt entgegen ihrer Worte bei der Pressekonferenz gar nicht mehr so hart. Aber Merkel braucht Zeit, um eine Antwort auf ihren aktuellen Widersacher zu finden.
Seehofer hatte Merkel zuvor mit einem Alleingang gedroht: Sollte es keine Einigung geben, wolle er notfalls per Ministerentscheid handeln und dazu am Montag den Auftrag des CSU-Vorstandes einholen.
Das machte Seehofer in der, ebenfalls am Donnerstag ablaufenden, Sondersitzung der CSU-Landesgruppe deutlich.
Seehofer selbst hatte in der Sitzung klargestellt, er könne die Zurückweisung von Flüchetenden per Ministerentscheid durchsetzen. Der Innenminister sprach nach Teilnehmerangaben von einem möglichen "Alleingang".
Ein derart eigenmächtiges Vorgehen eines Ministers käme einer Kampfansage an die Kanzlerin gleich. Zunächst soll aber am Montag der CSU-Vorstand in München zusammenkommen, um sich mit dem Thema zu befassen.
Horst Seehofer könnte sich mit dieser Drohung eines "Alleingangs" in ein Dilemma manövriert haben. Gibt er gegenüber der Kanzlerin nach, hat er die Spitzen seiner eigenen Partei im Nacken – allen voran CSU-Spitzenkandidat Markus Söder. Der wird jede verlorene Stimme bei der Bayernwahl im Herbst am Verhalten des Innenministers festmachen.
Riskiert Seehofer auf der anderen Seite aber tatsächlich den Bruch der Regierung, wäre das vielleicht auch das Ende der Union – und Seehofer hätte einen Eintrag im Geschichtsbuch sicher. Vermutlich keinen, den er möchte.
Die ersten Vorboten eines solchen großen Knalls tauchten bereits am Mittag auf. Zumindest verbal. Da erwägten schon Abgeordnete der CSU laut eines Medienberichts eine Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU.
So zitierte die "Augsburger Allgemeine" einen namentlich nicht genannten "führenden" CSU-Abgeordneten. "Zum Bruch fehlt nicht mehr viel", sagte der CSU-Politiker demnach.
Auch Seehofer habe auf der Sitzung der CSU-Landesgruppe am Donnerstag in Berlin eine Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit CDU als Konsequenz eines möglichen Alleingangs nicht ausgeschlossen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Kreise der CSU-Landesgruppe weiter.
Aber vielleicht möchte man es doch nicht so weit kommen lassen.
Vorerst wolle die CSU jedoch auf eine Abstimmung der Unionsfraktion zum Asylstreit verzichten, sagte der Bundestagsvizepräsident und CSU-Abgeordnete Hans-Peter Friedrich nach der Sitzung der CSU-Landesgruppe. Die CSU-Abgeordneten hätten Seehofer im Konflikt aber ihre eindeutige Unterstützung ausgesprochen, das gelte besonders für Zurückweisungen von Flüchtenden an der Grenze.
Der Koalitionspartner der Union zeigt sich derweil irritiert von den Streitigkeiten bei der CDU/CSU.
Menschen, deren Asylantrag in Deutschland bereits abgelehnt worden sei, sollten bei einem erneuten Versuch der Einreise sofort zurückgewiesen werden. Das teilte die CDU nach Beratungen des Parteipräsidiums am Donnerstag mit.
Zuvor hatte die CSU-Spitze Merkel im Asylstreit einen Kompromissvorschlag gemacht. Die Christsozialen bestehen zwar weiter darauf, jetzt festzulegen, dass Asylbewerber, die schon in einem anderen europäischen Land registriert sind, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Zugleich unterstützt die CSU aber alle Bemühungen, auf europäischer Ebene gleichwertige Maßnahmen zu vereinbaren.
Merkel soll Horst Seehofer einen Kompromissvorschlag vorgelegt haben. Demnach wolle Merkel in Europa bilaterale Vereinbarungen mit den am stärksten vom Migrationsdruck betroffenen Ländern schließen. Das solle gewährleisten, dass Migranten juristisch wasserdicht an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden könnten.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte im ZDF-"heute-Journal", die Kanzlerin habe in der Fraktion gesagt, sie suche eine Lösung, die nationalen und europäischen Interessen gerecht werde. Das schließe ein, Migrationsbewegung besser zu kontrollieren, als dies bisher der Fall gewesen sei.
Möglicherweise nicht mit allen 28 EU-Staaten, aber mit den am stärksten betroffenen Staaten wie Italien oder Griechenland könne man zu bilateralen Vereinbarungen kommen. Die Vereinbarungen erreichten im Grunde das gleiche Ziel, wie es die CSU habe, aber in einem europäischen System, sagte Kramp-Karrenbauer. Daran müsse gearbeitet werden.
Nach dpa-Informationen war die von Kramp-Karrenbauer skizzierte Kompromisslinie jene, mit der Merkel in die Verhandlungen mit CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer sowie dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gegangen ist.
(mbi mit fh/hd/sg/dpa/rtr)