Am Mittwoch wird der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer stolze 69 Jahre alt. Und er ist immer noch Innenminister!
Horst Seehofer ist gefühlt schon immer da. 1980 zieht der Diplom-Verwaltungswirt aus Bayern zum ersten Mal in den Bundestag ein. Da ist die Hauptstadt noch Bonn, es regiert Helmut Schmidt aus Hamburg und in Berlin steht noch die Mauer.
Seehofers Karriere in Kurzform:
Seehofer engagiert sich in der Sozialpolitik. Herzenssache für den Sohn eines Bauarbeiters.
Der Mann kehrt einfach immer wieder.
Die CSU ist Bayern. Und Bayern ist die CSU. Das muss man wissen zum Verständnis der Partei. Und ihres Personals. Hund seit’s scho, das ist im Bayerischen eine Anerkennung für menschliches Schlawinertum und politische Gerissenheit.
Manchmal aber geht das zu weit. Entschieden zu weit. Edmund
Stoiber verwies im Kampf um das Ministerpräsidentenamt 1993 auf die kriselnde
Ehe seines Kontrahenten Theo Waigel. Selbst der Münchner Kardinal Friedrich
Wetter schaltete sich ein. Waigel bekam seine Ehe mit der früheren Skirennläuferin Irene Epple und verzichtete auf das Ministerpräsidentenamt, Bayern: bekam Edmund Stoiber.
Die CSU ist eine Staatspartei. Die wichtigste Opposition findet sich nicht beim politischen Gegner, sondern in der eigenen Partei. Seehofers Kontrahent war Markus Söder. Dem verlief der Abgang zu langsam, er intrigierte. Seehofer hielt ihm "Schmutzeleien" vor. Manches ist eben doch zu viel, selbst in der CSU.
Schmutzig kann Seehofer auch:
Der Abgang ist das Schwierigste in der Politik. Für jeden. Es gibt wenige, die wie Seehofer zurückkommen. Aber viele, die am Amt hängen.
Als der CDU-Politiker Norbert Röttgen 2012 nach verlorener Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Amt des Ministers klebte, gab Seehofer dem "heute journal" ein Interview. Danach plauderte er munter mit Moderator Klaus Kleber weiter, lästerte über Röttgen und die Berliner Politik und schob hinterher. "Das können sie alles senden!"
So kam es auch. Bald darauf war Röttgens Karriere zu Ende. Auch ein Horst Seehofer kann schubsen.
Wer runterfährt in den Süden und in den Alpen Ski läuft oder am Ammersee segelt, der beginnt zu begreifen. Es ist schon schön da in Bayern. Und es funktioniert. (Gut, auch in München klemmt die S-Bahn unterm Hauptbahnhof.)
Das Problem mit dem Paradies ist nur: Alles von draußen wird als Störung des Paradiesischen empfunden.
2007 strebt Seehofer nach dem CSU-Vorsitz. Und nicht ganz zufällig wird eine außereheliche Affäre bekannt.
Seehofer wurde 2007 Vater einer außerehelichen Tochter, Mutter und Kind leben in Berlin, seine Frau Karin und die drei erwachsenen Kinder in Bayern.
Seehofer erklärte das Ganze zur Privatsache. Seine Frau Karin Seehofer erklärte im März 2018 in einem bemerkenswerten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Fürchterlich. Aber wir haben das sehr gut in den Griff bekommen. Dabei möchte ich es auch belassen."
Auch Bayern kennt seine Doppelmoral.
"Aids" – das war damals ein neues Wort. Die Welt tat noch unwissend, besonders die Bayerische. Und so regte der CSU-Bundestagsabgordnete Seehofer Lager für HIV-Infizierte an.
Es brauchte Rita Süssmuth in der CDU, um ein wenig für Aufklärung zu sorgen. Sie wurde damals von den Alt-Konservativen in der Partei ungefähr so angefeindet wie heute Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Männer tun sich manchmal schwerer mit der Modernisierung.
Welch ein Auftritt, welch eine Demütigung. Im November 2015 ließ Seehofer auf dem CSU-Parteitag die Gastrednerin Angela Merkel wie ein Schulmädchen neben sich stehen. Merkel wollte eigentlich ans Rednerpult, aber das mochte Seehofer nicht räumen und erteilte Belehrungen.
Vor laufender Kamera. Da war klar, dass es der CSU ernst ist. Mit Obergrenze und ihrer Ablehnung der Merkel'schen Flüchtlingspolitik.
Das muss man Seehofer lassen. Wenn Konfrontation, dann offen.
Horst Seehofer im März 2018 über seine Leidenschaft für die Modelleisenbahn im Bayerischen Rundfunk. Im Keller bei Seehofers steht eine Modelleisenbahn. Gesehen hat sie der Reporter des "Spiegel" nicht, aber er hat sie in sienem Porträt beschrieben. Demnach ist dort auch Angela Merkel dargestellt. Aber Seehofer stellt die Signale.
Ins Bild des großen Dispatchers passt, dass auch Markus Söder dort ein Plätzchen finden könnte. Mit einer echt Seehofer'schen Einschränkung: Wenn er Erfolg hat. Was immer das dann im Umkehrschluss über die politische Bilanz der Kanzlerin sagt.
Das politische System in Bayern tickt anders. Es gibt die CSU. Und das Wahlvolk. Und dazwischen gibt es die CSU-Abgeordneten mit einer Art imperativem Mandat.
Ein Beispiel ist die Debatte um das achtjährige Gymnasium (G8). Stoiber paukte die Verkürzung in Rekordzeit durch. Aber die Eltern rebellierten. Mit ein Grund für das schlechte Wahlergebnis 2008 analysierte Seehofer. Umgehend erneuerte er das Koalitionsversprechen mit dem Wahlvolk und kippte das G8. So läuft das in Bayern mit der Basis und der Demokratie.
"Sie können keine Politik gegen die Bevölkerung machen", so Seehofer. Das ist richtig. Es ließe sich freilich auf fragen, ob manche Dinge, die für notwendig erachtet werden, nicht auch erklären ließen.
Nicht in der CSU. Sie pflegt einen spezifischen bayerischen Populismus. Das Ohr immer nah dran am Volk und dann entsprechend handeln. Schlingerkurs wie beim G8?
Ach, was. Man muss auch den Mut haben, sich zu korrigieren. So ist er, der Seehofer.
Lederhose und Dirndl ist ja noch nicht von gestern. Das zeigt die Wies’n jedes Jahr. CSU-Übervater Franz Josef Strauß hat mal erklärt. "Es gibt keine rechte Mitte und keine linke Mitte, es gibt nur eine Partei der Mitte." Das war nach ihrem Selbstverständnis die CSU.
Zum Selbstverständnis der Partei gehört seit Strauß aber auch, rechts von ihr ist kein Platz im Parteienspektrum. Das klappte bei den Republikanern, aber nicht bei der AfD.
Und so erlebt die Partei einen Prozess der Selbtsradikalisierung. Schluss mit der bayerischen Liberalität. Die CSU afd-isiert sich und übernimmt deren ehrgeizigstes Ziel: Merkel muss weg.
Die heile Welt. Ein echtes CSU-Ideal. Sie bauen zwar Autos und Flugtaxen in Bayern, sie sind ein Spitzenforscherland. Aber die Neuerung soll sich bitte woanders vollziehen. Jenseits von vielen guten Argumenten gegen die Gentechnik, sagt das viel. Auch über Bayerns Position in der Flüchtlingspolitik.
Zweifel an seiner Haltung hat Seehofer nie gelassen. Und kaum im Amt als Innenminister gleich einen Satz von Alt-Bundespräsident Christian Wulff kassiert ("Der Islam gehört zu Deutschland.")
Kanzlerin Merkel hat umgehend öffentlich widersprochen. Seither ist klar. Es geht um die Flüchtlingspolitik. Und es geht um Merkel. Und die Frage, wie offen, soll es sein, dass moderne Deutschland.
Die paradiesischen Bayern würden sich gern einigeln im Garten Eden. Die Realpolitikerin Merkel weiß, dass das nicht nützt. Man kann sich nicht von der Welt abriegeln.
Und so setzt Seehofer auf eine Illusion: Die Welt dreht sich, nur in Deutschland bleibt alles gleich. Nichts sagt das besser aus, als die Umbenennung seines Hauses in Heimatministerium.
Heimat ist ein Sehnsuchtsort. Aber er liegt im gestern. Oder, um es mit einem bayerischen Komiker zu sagen: "Die Zukunft ist ein starker Gegner." Nicht nur für Seehofer.
Schön, wer so von sich reden kann. Aber das zeugt auch von wenig Demut. Niederlagen gab es etliche im Leben des Horst Seehofer.
Vielleicht prägt das das Selbstbild, das Seehofer von sich hat. Umso mehr musste es ihn schmerzen, dass er im März 2018 nicht ganz freiwillig von Bayern schied. Die Umfragen für die Landtagswahl waren zu deprimierend, so wurde Seehofer wegbefördert als Innenminister nach Berlin.
Der Abgeschobene sagte dem Bayerischen Rundfunk zu den erlittenen Demütigungen.
Auch eine Art Niederlagen und Verletzungen zu verkraften.
(Mitarbeit: Gavin Karlmeier, Helena Düll)