Auf Donald Trump ist Verlass. Zumindest, wenn es darum geht, die internationalen Schlagzeilen zu füllen. Denn in der Nacht zum Mittwoch kam der nächste Hammer im Duell Trump versus US-Justiz.
Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten wurde nämlich erneut angeklagt. Diesmal wegen Versuchen der Wahlbeeinflussung und der Attacke seiner Anhänger:innen auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021.
Für Trump sieht es juristisch gesehen nicht gerade rosig aus. Doch innerhalb seiner Partei steht er besser da, als in den vergangenen Monaten. Seinen innerparteilichen Konkurrenten Ron DeSantis hat er meilenweit abgehängt.
Anders sähe es aus, wenn heute tatsächlich Präsidentschaftswahl wäre.
In aktuellen Umfragen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem aktuellen Präsidenten Joe Biden und Trump ab. Je nachdem, welche Umfragen man sich anschaut, liegt Biden um einige wenige Prozentpunkte vorn oder gar gleichauf mit Trump.
Ob die neuen Anschuldigungen etwas daran ändern werden, ist fraglich. Auch wenn es die 45-seitige Anklageschrift gegen Trump in sich hat.
Wäre ein:e deutsche:r Politiker:in wegen solcher Vergehen angeklagt, bedeutete dies vermutlich längst den politischen Untergang dieser Person. Trump werden vier formale Anklagepunkte zur Last gelegt, darunter Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Am Donnerstag soll er in Washington vor Gericht erscheinen.
Sonderermittler Jack Smith gab die für einen ehemaligen Präsidenten beispiellose Anklage am Dienstagabend bekannt. Er sagte, Trump werde beschuldigt, eine Verschwörung gestartet zu haben, um die Vereinigten Staaten zu betrügen, Wählern ihr Wahlrecht zu entziehen und ein offizielles Verfahren zu behindern.
Trump will 2024 erneut gegen den demokratischen Konkurrenten Joe Biden in der Wahl zur Präsidentschaft antreten. Wie weit wird dieser Kampf zwischen Justiz und Trump noch gehen – und welchen Einfluss wird er auf die Wahlen im kommenden Jahr haben?
Ein großer Faktor bei den US-Wahlen sind meist die sogenannten Swing States. Also US-Bundesstaaten, bei denen vor den Wahlen nicht schon klar ist, welcher Kandidat gewinnen wird, da sie keine überwiegend große Unterstützer-Basis für eine der beiden großen Parteien haben.
Doch wie der Privatdozent für Politikwissenschaft an der FU Berlin und USA-Experte Thomas Greven auf watson-Anfrage erklärt, kann man unmöglich vorhersagen, was noch geschehen muss, bis sich diese Staaten eindeutig gegen Trump positionieren. Er meint:
Der Glaube an Fakten – ein großes Problem in den USA, seit Donald Trump und seine Maga-Bewegung groß geworden sind. Maga ist die Abkürzung für Donald Trumps bekanntesten Wahlspruch "Make Amerika Great Again". Durch soziale Medien werden Menschen in jeglicher Hinsicht beeinflusst, manipuliert.
Das zeigt sich auch auf politischer Ebene. Durch Trolle und die Verbreitung von Falschnachrichten und populistischen Inhalten kann auf gefährliche Weise Einfluss auf die politische Stimmung eines ganzen Landes genommen werden. Trumps Erzählung von der gestohlenen Wahl und einer angeblichen politischen Hexenjagd auf ihn ist ein gutes Beispiel dafür.
Anfällig für solche Mythen ist hier bei weitem nicht bloß eine ungebildete Minderheit in der Boomer-Generation. Am meisten könnten Jugendliche betroffen sein. Denn sie nutzen soziale Medien, wie keine andere Generation.
Grundsätzlich, erklärt der Experte Greven, haben jedoch die Demokraten bei jungen Amerikaner:innen bessere Karten als Trump und die Republikaner – inklusive der jungen weißen Amerikaner. Greven sagt: "Sie sind besser ausgebildet, weniger religiös, weltoffener als ältere Amerikaner." Doch ein Problem gibt es: "Sie gehen deutlich weniger oft zur Wahl."
Außerdem unternähmen Republikaner einiges, um College-Studenten die Teilnahme an der Wahl zu erschweren. In geleakten Tonaufnahmen einer Präsentation von Trumps Top-Strategin Cleta Mitchell forderte sie die Republikaner dazu auf, die Stimmabgabe auf dem College-Campus, die Wählerregistrierung am selben Tag und den automatischen Versand von Stimmzetteln an registrierte Wähler zu begrenzen.
Würde dies umgesetzt, stünden also die Demokraten mit ihren Anhänger:innen da, die entweder nicht wählen wollen, oder nicht wählen können. Die Republikaner haben im Gegenzug ihre junge konservative Szene, die den Trump-Personenkult feiert. Wobei – konservativ kann man diese Menschen laut Greven kaum noch nennen.
Es müsse inzwischen der Begriff "Konservative" für die Republikaner infrage gestellt werden. Denn diese "befinden sich auf dem Weg von einer traditionellen konservativen Partei über die derzeitige Phase des Rechtspopulismus hin zu einer möglicherweise autoritär-reaktionären Partei", sagt der Experte. Und: "Junge Republikaner sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen."
Welchen Einfluss dabei etwaige Trump-Trolle in den sozialen Medien auf die junge Generation haben, ist laut Greven nur schwer zu messen. Jedoch ist er der Meinung, dass sich die meisten Amerikaner:innen – also auch die Jugend – ihre Meinung zu Trump bereits abschließend gebildet haben.
Er sagt:
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center hat indes ergeben, dass 64 Prozent der US-Amerikaner:innen der Meinung sind, soziale Medien gefährdeten die Demokratie. Damit, so heißt es in der Studie, sind die Vereinigten Staaten ein Ausreißer. Denn insgesamt sind in den befragten Ländern im Durchschnitt 57 Prozent der Meinung, dass die sozialen Medien für die Demokratie in ihrem Land eher von Vorteil sind.
Was können die Anklagen gegen Donald Trump dann also noch bewirken? Selbst wenn der milliardenschwere Populist in der Zwischenzeit schuldig gesprochen würde, könnte er laut US-Verfassung aus dem Gefängnis heraus regieren, beziehungsweise könnte er sich kurzerhand einfach selbst begnadigen. Eine Rechtsprechung – ohne Wert.
Während doch eine vom Staat unabhängige Rechtsprechung großer Bestandteil der Demokratie ist. Doch wie viel Substanz bleibt übrig, wenn auf Tiktok, Twitter und Co. ein Personenkult bis an die Grenzen des Denkbaren getrieben wird? Wenn Hexenjagd-Fakenews und Verschwörungsideologien die Massen anheizen? "Das ist die entscheidende Frage", meint Greven. "Hat das politische System, inklusive der Rechtsprechung, noch die Kraft, einen Kandidaten, der eindeutig die demokratischen Institutionen des Landes missachtet und schleifen will, auszubremsen?"
Stimmen Wähler:innen in einer noch intakten Demokratie am Ende für Kandidat:innen und Parteien, die das System der Demokratie verachten und abschaffen wollen, dann können laut Greven eben entsprechende Mehrheiten entstehen. Auch, wenn dafür Koalitionen gebildet werden müssen.
Der Anfang vom Ende also. "Das System schafft sich quasi selbst ab", sagt der Experte.
(Mit Material der dpa)