"Merkel happy" und 3 weitere Gewinner des Gipfels (und ein Verlierer)
29.06.2018, 17:18
peter riesbeck, brüssel
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Der Gipfel in Brüssel geriet zu einer europäischen Solidaritätsaktion für Angela Merkel. Und lieferte einen echten europäischen Kompromiss: eine Verschärfung des Asylrechts mit leicht schwammigen Formulierungen, so konnte jeder in das Ergebnis seine Version hineininterpretieren.
Das sind die Gewinner
1. Angela Merkel, die gelöste Kanzlerin
Angela Merkel stand heftig unter Druck. Bundesinnenminister Horst Seehofer und seine CSU drohten mit Alleingängen an der deutschen Grenze. Merkel mit der Entlassung des Ministers, mit schwer abschätzbaren Folgen.
Angespannt reiste die Kanzlerin an.
Nur Emmanuel Macron ermunterte auf dem roten Teppich zur Entspannung.
Angela Merkel und Emmanuel Macron auf dem Weg zum Gipfel
Die Kanzlerin machte, was sie immer macht. Sie blieb cool. Und wartete. Und wartete. Und wartete. Macron verhandelte mit den störrischen Italienern. Und Merkel kassierte nacheinander die bilateralen Verträge zur Rückführung ein. Selbst Griechenland und Ungarn unterschrieben zum Schluss.
"Am Ende hilft so ein Gipfel Staats- und Regierungschefs, die in Bedrängnis sind", gestand ein EU-Diplomat am Freitag.
"Natürlich hilft man sich gegenseitig"
EU-Diplomat über die Soli-Aktion für Merkel
Und auch Merkel wirkte am Freitag gelöst. Sie hat ein doppelt brauchbares Ergebnis. Sie kann sich sehen lassen mit den Resultaten aus Brüssel. Und die CSU kann sich fein zurückziehen: Ohne ihren Druck wäre es zur Verschärfung des Asylrechts nicht gekommen.
Dass im Asylpapier viel von "freiwillig", "prüfen", "erwägen" die Rolle ist. Schwamm drüber. Erstmal gilt: Auch Merkel hat einen Masterplan.
2. Emmanuel Macron, der agile Pusher
Emmanuel Macron mit Angela Merkel, Emmanuel Macron mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, Emmanuel Macron mit Italiens Premier Giuseppe Conte. Frankreichs Staatschef, 40, war fast überall auf dem Gipfel zu finden.
"Die europäische Zusammenarbeit hat obsiegt."
Emmanuel Macron, französischer Präsident
Seine wichtigste Aufgabe: Er vermittelte zwischen Italiens Premier Conte und den restlichen Staats- und Regierungschefs. Mit freundlicher Unterstützung des spanischen Regierungschefs Pedro Sanchez werden aus Seenot Gerettete künftig nicht mehr ausschließlich nach Italien gebracht. Punktsieg. Für Macron. Für Conte. Für Merkel. Und für Europa.
Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass der Gipfel am Freitagmittag über Macrons Kernanliegen beriet: eine Reform der Eurozone. Die Vorschläge Macrons wurden kräftig entschlackt. Aber generell gilt für den Unterhändler Macron: Nie war er so wertvoll wie heute!
3. Sebastian Kurz, neuer Juniorchef
Österreichs Kanzler ist 31 Jahre alt. Aber angekommen auf der europäischen Bühne. Das zeigte er am ersten Gipfelabend. Als Einziger lud Kurz zur Pressekonferenz.
Und teilte ganz charmant ganz heftig aus.
Erst verkündete er (und nicht Merkel), dass Deutschland erfolgreich mit anderen EU-Staaten über die Rückführung von Flüchtlingen verhandele. Ein kleiner diplomatischer Übergriff.
Dann stellte er die Formel seiner Linie in der Asylpolitik klar. "Die Fahrt über das Mittelmeer darf nicht zum Ticket nach Europa werden", sagte Kurz. Asyl und Flucht als Freizeitspaß, so klingt das jetzt in Europa.
Schließlich wies er darauf hin, dass er schon früh eine harte Linie in der Flüchtlingspolitik verfolgt habe. Aber dafür heftig kritisiert worden sei. Nun spricht er von einer "Trendwende". Seine Meinung sei "mehr als mehrheitsfähig", selbst bei Merkel, etwa bei Asylzentren in Afrika, so der junge Konservative. Kurz ist also der neue Vordenker in Europa.
Zum 1. Juli übernimmt Österreich den rotierenden Vorsitz unter den EU-Staaten. Für sechs Monate ist Kurz dann so eine Art Hauptgeschäftsführer der EU. Der Mann ist erst 31, aber seinen Namen darf man sich merken.
Charles Michel (M.) mit Luxemburgs Premier Xavier Bettel und Hollands Regierungschef Mark Rutte (r.)
Noch einer dieser jungen Wilden in Europa. 42 Jahre ist Belgiens liberaler Regierungschef. Sein Vater war EU-Kommissar. Der Sohn galt lange als "kalter Fisch", so nennen sie in Belgien einen leicht aalglatten Kerl.
Michel muss im fragilen Belgien zwischen Flamen und Wallonen den steten Mittler geben. Er ist der Mediator. Gut, dass es den Fußball gibt, der die Volksgruppen verbindet.
Am Gipfelabend spielt Belgien bei der WM gegen England. Michel ist im WM-Fieber und überreicht der britischen Regierungschefin Theresa May ein belgisches Trikot. Ebenso den Kollegen aus Luxemburg und Holland, Xavier Bettel und Marc Rutte.
Belgien siegt. Das Land fühlt sich weltmeisterlich. Schön, dass es auch noch andere Dinge gibt als nur Politik.
Das sind die Verlierer
Die Flüchtlinge
Wo es so viele Gewinner gibt, sind die Verlierer nicht weit. Es sind die Flüchtlinge. Von einem "Gipfel der Inhumanität" spricht Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.
Der Gipfel bedeutet eine Kursänderung. Europa schottet sich künftig in der Flüchtlingspolitik ab.
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