In Deutschland wächst eine neue rechtsextreme Bewegung heran. Besonders junge Neonazis formieren sich in Gruppierungen, die sich sowohl online als auch auf der Straße organisieren. Ihr Fokus: Proteste gegen die queere Community, gezielte Einschüchterungen und Gewalt. Laut einer Sicherheitsanalyse aller Bundesländer breiten sich diese Strukturen rasant aus.
Gruppen wie "Jung und Stark", "Deutsche Jugend Voran" oder "Der Störtrupp" haben sich in den vergangenen Monaten bundesweit etabliert. Ihr Ziel: mehr Einfluss in der rechtsextremen Szene gewinnen. Die Gruppen bestehen oft aus sehr jungen Mitgliedern, die sich radikalisieren und zu Gewalt bereit sind.
Auch regionale, lose organisierte Gruppen nehmen zu. Sie orientieren sich an den größeren Organisationen und agieren mit kameradschaftsähnlichen Strukturen. Diese Entwicklung beunruhigt die Sicherheitsbehörden, denn die Gruppen agieren zunehmend aggressiv.
Eine Recherche von "Tagesspiegel" und ZDF ergab, dass mehrere Innenministerien auf die neuen Gruppierungen aufmerksam geworden sind. "Seit Mitte 2024 sind bundesweit neue rechtsextremistische Gruppierungen in Erscheinung getreten, die sich zunächst im virtuellen Raum gegründet hatten", heißt es demnach aus dem niedersächsischen Innenministerium.
In Bayern steht der Recherche zufolge insbesondere "Jung und Stark" unter Beobachtung. Die dortigen Sicherheitsbehörden sehen in der Gruppe "verfassungsfeindliche Bestrebungen" mit einem hohen Gewaltpotenzial. Die Aktivisten treten vor allem im Netz auf, organisieren sich aber auch für Gegenproteste auf der Straße – etwa gegen Pride-Veranstaltungen wie den Christopher Street Day in Landshut.
Auch Sachsen-Anhalt warnt demnach vor der wachsenden Gefahr. "Bei den Mitgliedern von JS ist grundsätzlich eine Gewaltbefürwortung bis hin zur Gewaltbereitschaft festzustellen", berichtet das Innenministerium Sachsen-Anhalts.
Die zunehmende Radikalisierung zeigt sich in einer Serie von Gewalttaten, die auf das Konto rechtsextremer Jugendgruppen gehen. In den vergangenen sechs Monaten kam es zu mehreren brutalen Attacken:
Der Bremer Verfassungsschutz wiederum berichtet von "jungen aktions- und gewaltorientierten Rechtsextremen", deren Hauptangriffsziel derzeit die linksextremistische Szene der Hansestadt sei. Wie in den anderen Ländern beobachten auch die Bremer Verfassungsschützer:innen, dass sich die Neonazis vor allem über Social Media organisieren.
Die neuen rechtsextremen Gruppen setzen stark auf digitale Plattformen zur Anwerbung neuer Mitglieder. Laut dem sächsischen Innenministerium sorgen Messenger-Dienste wie Whatsapp, Instagram und Telegram für "besonders niedrigschwellige Eintrittsmöglichkeiten". Der dortige Verfassungsschutz beobachtet ein "erhöhtes Maß an Aktivismus und Gewaltaffinität" bei den Aktivisten der jungen Neonazi-Gruppen.
Ein weiteres Problem: Die zunehmende Verknüpfung mit etablierten rechtsextremen Parteien wie "Der Dritte Weg" und "Heimat" (ehemals NPD). Sicherheitsbehörden registrieren "erste Ansätze zur Kooperation mit den Jugendorganisationen rechtsextremistischer Parteien", so das niedersächsische Innenministerium.
Ein beunruhigender Trend ist das Revival klassischer Neonazi-Subkultur. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern beobachten Verfassungsschützer etwa eine neue Skinhead-Szene mit Anleihen aus den 1980er- und 1990er-Jahren.
Es sei "offensichtlich", dass sich "eine 'neue' neonazistische Skinhead-Szene im Aufbau" befinde, erklären die Verfassungsschützenden aus Mecklenburg-Vorpommern. Dies sei insbesondere an der szenetypischen Bekleidung und dem Aussehen festzumachen. Das Erscheinungsbild der "Neuen Generation von Neonazis" erinnere an die Subkultur in den 80er- und 90er-Jahren und "findet somit ein Revival in der rechtsextremistischen Szene", heißt es aus Schwerin.
Neben den großen rechtsextremen Gruppen geraten auch regionale Strukturen ins Visier der Sicherheitsbehörden. In Niedersachsen wird die "Deutsche Rechte Jugend" (DRJ) beobachtet, in Baden-Württemberg ist es die "Unitas Germanica". Bremen nennt die "weserems.aktion", in Sachsen sind es Gruppen wie "Chemnitzrevolte", "Elblandrevolte" (Dresden) und "Urbs Turrium" (Bautzen).
Nicht alle Bundesländer wollen jedoch konkrete Informationen preisgeben. Hamburg verweist auf "aktuell laufende Aufklärungsmaßnahmen", während das Saarland und Thüringen sich auf ihre Verfassungsschutzberichte beschränken.