Weiter geht's im Hambacher Forst: Am Sonntagmorgen hat die Polizei den vierten Tag in Folge die Räumung der Baumhäuser von Braunkohlegegnern fortgesetzt. Mittlerweile gelang es den Polizisten, zwei Aktivisten aus einem elf Meter tiefen Schacht zu bergen.
Seit Beginn des Einsatzes am Donnerstag seien etwa 18 Behausungen geräumt und teilweise beseitigt worden, sagte eine Sprecherin der Polizei Aachen auf Anfrage. In der Aktivisten-Siedlung "Oaktown" sollten im Laufe des Tages weitere Baumhäuser geräumt werden, sagte ein Sprecher der Stadt Kerpen.
Seit Samstag wurden nach Polizei-Angaben Dutzende Umweltaktivisten vorübergehend festgenommen oder in Gewahrsam genommen. Einige von ihnen seien inzwischen wieder auf freiem Fuß. Am Sonntagmorgen befanden sich noch 24 Aktivisten im Gewahrsam der Polizei.
Rund 30 Braunkohlegegner hielten über Nacht eine Mahnwache an einer Zufahrtsstraße zum besetzten Gebiet ab. Während der Nacht ist die Polizei mit wenigen Beamten vor Ort.
Die Bergung der zwei unter der Erde verschanzten Braunkohlegegner hatte die Räumung der Protestcamps am Samstag erschwert. Eines der Probleme: Die Polizisten mussten die Aktivisten erstmal finden. Nach einer Suche mit Hilfe einer Teleskopkamera spürte die Feuerwehr am Samstag zwei von ihnen in einem elf Meter tiefen Schacht auf.
Zunächst sei Frischluft hineingepumpt worden, weil die Luftwerte sich verschlechterten, sagte eine Sprecher der Feuerwehr Kerpen der Deutschen Presse-Agentur. Wie lange die Bergung dauern würde, war zunächst unklar.
Mehrere Hebebühnen waren im Einsatz. An einem Baumhaus betonierten Aktivisten laut Polizei ihre Hände in einem Betonquader ein. Die Behörden begründen die Beseitigung der Behausungen offiziell damit, dass es weder ausreichenden Brandschutz und noch Baugenehmigungen gebe.
Die Polizei beendete zudem nach mehreren Stunden die Blockade von Baggern und zwei Förderbändern im Braunkohlekraftwerk Niederaußem in der Nähe des Hambacher Forstes. Der Betrieb des Kraftwerks wurde zeitweise behindert.
Rund 500 Menschen folgten am Samstag einem Demonstrationsaufruf der Aktion Unterholz und protestierten mit Sitzblockaden gegen die geplante Rodung des Forstes. Am Sonntag wollten die Umweltschützer hunderte junge Bäume anpflanzen.
Zu den unter der Erde verschanzten Aktivisten in der Siedlung "Oaktown" sei eine Mikrofonleitung gelegt worden, sagte der Feuerwehrsprecher. Experten der Grubenwehr ehemaliger Zechen hätten die "Stollen" geprüft und für einsturzgefährdet erklärt. Während der Bergungsvorbereitungen wurde eine über dem Tunnel liegende ebenerdige Behausung der Aktivisten geräumt.
Die Einsatzkräfte wollten bis zum Einbruch der Dunkelheit weiter räumen, sagte ein Polizeisprecher. Der Wald werde auch in der Nacht so weit wie möglich gesichert und beleuchtet.
Die Räumung soll am Sonntag "ohne Pause" weitergehen.
Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Waldes abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können. Deshalb haben dort Gegner der Rodung 50 bis 60 Baumhäuser errichtet. Am Donnerstagmorgen hatte die Polizei im Auftrag der zuständigen Baubehörden begonnen, diese zu entfernen.
Die Behörden begründen die Aktionen unter anderem mit dem fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern. Die Aktivisten halten das für vorgeschoben. Diese gelten als Symbol des Widerstands gegen die Kohle und die damit verbundene Klimabelastung. In dem Wald stehen Jahrhunderte alte Buchen und Eichen.
Die Baumhäuser befinden sich in 20 bis 25 Metern Höhe, was eine Entfernung erschwert. Die Polizei rechnete bereits am Donnerstag mit einem tagelangen Einsatz. Nach Angaben einer Sprecherin wurden bislang zehn Baumhäuser entfernt. Drei befanden sich im Abbau. Für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist unterdessen klar: Die Waldbesetzer sind "kriminelles Personal".
Die Behörden hätten "gemerkt, dass immer mehr kriminelles Personal auch vom Ausland übrigens in diesen Wald einsickert", sagte Reul.
Am Freitag bekräftigte RWE sein Vorhaben. "Der Tagebau steht quasi direkt vor dem Wald und dementsprechend müssen wir auch roden", sagte RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik dem Hörfunksender WDR 2. Es gebe keinen Zeitpuffer mehr, da bereits im vergangenen Jahr nicht gerodet worden sei. Die Abholzung sei unvermeidbar, um die Stromproduktion zu sichern.
Beim Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen lag am Freitag eine Beschwerde gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Köln zur Räumung der Baumhäuser vor. Das Gericht in Köln hatte die Räumung der Baumhäuser durch die Stadt Kerpen als rechtmäßig bezeichnet. Der zuständige Senat prüfe jetzt, sagte die Sprecherin.
(sg/fh/dpa)