"Revolution Chemnitz" – rechte Terrorzelle soll Anschläge am 3. Oktober geplant haben
Nach dem NSU und der "Gruppe Freital" soll sich in Sachsen die nächste rechte Terrorzelle gebildet haben. Acht Männer sollen unter dem Namen "Revolution Chemnitz" Umsturzpläne geschmiedet haben. Ihre Angriffsziele: Ausländer, Politiker und Journalisten.
01.10.2018, 20:32
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Die Polizei hat eine Gruppe von
mutmaßlichen Rechtsterroristen aus Chemnitz ausgehoben, die am der
Tag der Deutschen Einheit einen Anschlag geplant haben soll. Am
Montag ließ der Generalbundesanwalt sieben Männer festnehmen, die
eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet haben sollen. Ein
achter Mann, der mutmaßliche Anführer Christian K., saß bereits in
Untersuchungshaft.
Die Gruppe namens "Revolution Chemnitz" habe am 3.
Oktober zur Tat schreiten wollen, wie die Bundesanwaltschaft in
Karlsruhe mitteilte. Die Mitglieder sollen bewaffnete Angriffe auf
Ausländer, Politiker und Journalisten ins Auge gefasst haben. Die
Männer wollten demnach mit Gewalt gegen den Rechtsstaat kämpfen und
hatten sich auch um halbautomatische Schusswaffen bemüht.
Von einem Parkhaus gefilmt: Die komplette rechtsextreme Demo in Chemnitz:
Video: watson/Felix Huesmann, Marius Notter
Spätestens am 11. September soll sich die Gruppe formiert haben. Drei
Tage später gab es in Chemnitz einen Angriff auf Ausländer – den der
Generalbundesanwalt jetzt als "Probelauf" für die Pläne der Gruppe am
Tag der Deutschen Einheit einstuft. 15 Verdächtige, die sich
Zeugenaussagen zufolge als "Bürgerwehr" bezeichneten, hatten nach
einer Kundgebung der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz
Iraner und Pakistaner angegriffen. Bewaffnet mit Glasflaschen,
Quarzhandschuhen und einem Elektroschocker mischten in dieser Gruppe
den Ermittlungen zufolge Christian K. und weitere der jetzt
Beschuldigten mit.
Nach bisherigen Erkenntnissen gehören die Beschuldigten der
Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an und sollen
sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene
Sachsens verstanden haben. Die Polizei durchsuchte am Montag mehrere
Wohnungen und weitere Räumlichkeiten in Sachsen. Dabei wurden unter
anderem Schlagstöcke, ein Luftdruckgewehr und Speichermedien
gefunden. Bayern ist nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen
lediglich involviert, weil einer der sieben dort auf der Durchreise
festgenommen wurde.
#wirsindmehr – die Bilder des Konzerts:
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#wirsindmehr – die Bilder des Konzerts
65.000 Menschen kamen nach Chemnitz
Die Terrorgruppe bildete sich offensichtlich kurz nach den
fremdenfeindlichen Übergriffen und Protesten in Chemnitz. Auslöser
für Übergriffe und Demos war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen
Deutschen am Rande eines Stadtfestes Ende August. Tatverdächtig sind
drei Asylbewerber. Es folgten von Hooligans geprägte Demonstrationen
und sogenannte Trauermärsche, bei denen es zu ausländerfeindlichen
Übergriffen kam. Ein Video, das eine kurze Jagdszene zeigt, löste
eine Debatte über den Begriff "Hetzjagd" aus. Verfassungsschutzchef
Hans-Georg Maaßen hatte zunächst die Echtheit des Videos
angezweifelt. Wenig später musste er seinen Posten räumen.
Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Mitglieder sollen Angriffe auf
Ausländer und politisch Andersdenkende geplant haben.
"Zu den politisch Andersdenkenden zählen die Beschuldigten den Erkenntnissen zufolge auch Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments."
Christian K. und drei der am Montag Festgenommenen waren am Montag
dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt worden. Für
sie wurde Untersuchungshaft angeordnet. Einer von ihnen soll laut "Süddeutscher Zeitung" einer der Köpfe der 2008 verbotenen
Kameradschaft "Sturm 34" gewesen sein. Die vier anderen Männer sollen
am Dienstag vorgeführt werden.
Zusammen mit den Behörden in Sachsen werde man nun klären, inwieweit
die Vernetzung gehe und ob die Beschuldigten an den Ausschreitungen
in Chemnitz beteiligt waren, hieß es aus Karlsruhe.
So reagiert die Politik:
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnte vor einer generell unverändert hohen Terrorgefahr. Zugleich begrüßte er die Festnahmen. "Das ist die Realisierung unseres Grundsatzes 'Null Toleranz gegenüber Rechtsradikalen und Rechtsextremisten'."
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Von rechtem Terror geht reale und große Gefahr aus." Hooligans, Skinheads und Neonazis schlössen sich zu gefährlichen Gruppen zusammen, um mit schweren Gewalttaten Angst und Hass zu verbreiten.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kündigte einmal mehr entschlossenes Handeln an. "Wir müssen mit aller Härte gegen die Menschen vorgehen, die sich nicht an unsere Rechtsordnung halten – die gegen Menschen aus dem Ausland, gegen Andersgläubige vorgehen", erklärte Kretschmer.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) erklärte, dass bei der sächsischen Polizei nun eine Task Force gegen Terror und Gewalt gegründet werde.
Die Linken im sächsischen Landtag mahnten ein härtere Gangart gegen Rechtsextremisten an. "Dass die neue Zelle in Chemnitz entstanden ist, zeigt auch, welche Ausmaße die rassistische Radikalisierung vor Ort angenommen hat – und dass die Gefahr neonazistischer Gewalt hochpräsent ist", betonte die Abgeordnete Kerstin Köditz.
Der sächsische Grünen-Politiker Valentin Lippmann sagte: "Dass der Generalbundesanwalt nach der Terrorgruppe Freital innerhalb von nicht einmal drei Jahren die nächsten Ermittlungen gegen eine mutmaßliche Terrorgruppe in Sachsen einleiten muss, macht deutlich, wie groß und existenziell das Problem mit Rechtsextremismus in Sachsen ist."
Von der Vereinigung "Gruppe Freital" wurden acht Mitglieder im März
2018 vom Oberlandesgericht Dresden unter anderem wegen Bildung und
Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe und wegen versuchten Mordes zu
Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt. Die Gruppe
hatte 2015 fünf Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und
politische Gegner in Freital und Dresden verübt. Dabei wurden zwei
Menschen leicht verletzt.
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