Am Mittwoch kam die Bundesrepublik einer neuen Regierung im Amt einen großen Schritt näher: CDU und SPD stellten ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag vor – 146 Seiten, auf denen die neue Regierung ihren politischen Fahrplan festlegt. CSU-Chef Markus Söder sprach von einer "Mischung aus Reha-Kur und einem Fitness- und Modernisierungsprogramm". Das Ziel: Vertrauen zurückgewinnen, den wirtschaftlichen Wandel gestalten, Migration ordnen. Der Ton? Hart in der Sache, mit dem Versprechen auf Stabilität.
Doch wer auf große Ideen gehofft hatte, wurde enttäuscht. In der Klimapolitik etwa bleibt die neue Koalition vage – konkrete Maßnahmen fehlen. Digitalisierung bekommt ein eigenes Ministerium, Bildung dagegen bleibt Nebensache. Die Schuldenbremse soll zwar gelockert werden, doch fast alle Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Sprich: Wer weiß, was davon wirklich kommt. Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang findet im Koalitionsvertrag vor allem eins: viel Leere.
Zwar lobt sie, dass Abschreibungen für Investitionen ermöglicht werden – eine wirtschaftspolitische Maßnahme, für die auch die Grünen sich starkgemacht hatten. Aber das reicht ihr nicht. Im Interview mit dem "Tagesspiegel" sagt Lang: "Insgesamt sehe ich auf den 146 Seiten aber keine große Idee, keine Vision, keinen roten und auch keinen schwarzen Faden."
Besonders kritisch sieht sie, dass zentrale Zukunftsfragen in Arbeitsgruppen und Kommissionen verschoben wurden. In einer Zeit, in der viele Menschen Politik skeptisch sehen, sei das gefährlich: "Ich befürchte, die neue Koalition wird den Menschen keine Orientierung bieten."
Die Ampel wurde oft für ihre Streitigkeiten und Kompromisse kritisiert. Dass nun ausgerechnet Union und SPD dieselben Muster wiederholen, enttäuscht Lang – gerade weil beide Parteien auf jahrzehntelange Regierungserfahrung zurückblicken.
Statt aus Fehlern zu lernen, würden alte Methoden recycelt: "Ich hatte gehofft, dass zwei regierungserfahrene Parteien wie Union und SPD aus unseren Fehlern lernen. Nun lese ich Formelkompromisse, wie sie die Ampel nicht schlimmer hätte formulieren können."
Auch den Machtkampf zwischen den Koalitionspartnern hält sie für destruktiv – und für ein schlechtes Signal an die Bevölkerung. Wer internen Siegeslisten über den Koalitionspartner führt, betreibe keine Politik für Vertrauen.
Dass CDU-Chef Friedrich Merz bei der Vorstellung des Vertrags mehrfach die junge Generation erwähnte, fand Lang grundsätzlich richtig. Umso erschütternder sei jedoch, dass er dabei kein einziges Mal das Wort "Klimaschutz" in den Mund genommen habe: "Stattdessen hat er angekündigt, die Verbindung von Klimaschutz und Wirtschaft faktisch zurückzunehmen. Das ist für mich der organisierte Rückschritt."
Sie nennt es eine "Hiobsbotschaft" – für den Standort Deutschland und für die junge Generation, die ohnehin bereits stark belastet ist.
Dass die Koalition ein eigenes Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt schafft, bewertet Lang grundsätzlich positiv. "Wir sind kein Land mit vielen Rohstoffen. Deswegen ist es richtig, in Köpfe und Ideen zu investieren", sagt sie.
Doch sie warnt davor, sich auf Symbolpolitik auszuruhen: Am Ende werde es darauf ankommen, dass die Regierung liefert. Was ihr besonders fehlt: ein ressortübergreifender Bildungsansatz. Bildung dürfe nicht weiter im "Gartenzaun-Denken der Ministerien" ersticken. Sie fordert eine umfassendere Perspektive – auch über Ressortgrenzen hinweg.