Es war eine ereignisreiche Nacht: Horst Seehofer bot im Asylstreit seinen Rücktritt als Bundesinnenminister und CSU-Chef an, die CDU-Spitze stellte sich hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik. Am Montag nun gibt es am Spätnachmittag ein Treffen der verkrachten Unionspartner – wenn Merkel einlenkt, will Seehofer sein Rücktrittsangebot noch einmal überdenken.
Der Grünen-Faktionschef Anton Hofreiter forderte CSU-Chef Horst Seehofer zum Rücktritt auf. Dieser habe "sich verzockt und kann nicht mehr ernst genommen werden", sagte Hofreiter der Funke Mediengruppe.
Außerdem warf Hofreiter der CSU vor, mit ihren "testosterongesteuerten Egoismen" die Bundesregierung zu zerlegen. Auf die Frage, ob die Grünen zum Eintritt in die Regierung bereitstünden, sagt Hofreiter, es sei völlig spekulativ, was in den nächsten Tagen passiere. Die Grünen würden sich aber Gesprächen nicht verweigern.
Die Grünen wollen mitregieren, aber keine Minderheitsregierung tolerieren, sagte Grünen-Co-Chef Robert Habeck im ZDF-Morgenmagazin. Bei einem Scheitern des schwarz-roten Regierungsbündnisses wolle er einen Eintritt seiner Partei in eine neue Koalition nicht ausschließen.
Ob es zu einer Vertrauensfrage der Kanzlerin komme, lasse sich derzeit nicht sagen: "Ausschließen kann man gar nichts in diesen verrückten Zeiten." Die Unterstützung einer von Merkel geführten Minderheitsregierung wäre für die Grünen "kein attraktives Angebot". Die Regierungspläne der Grünen waren im vergangenen Herbst gescheitert, als die FDP ein Jamaika-Bündnis aus Grünen, Liberalen und Union ablehnte.
"Mein Optimismus war vorgestern größer", sagt SPD-Chefin Andrea Nahles auf die Frage, ob sie zuversichtlich sei, dass CDU und CSU ihren Streit über die Flüchtlingspolitik beenden könnten. Ihr Geduldsfaden sei dünn geworden. Der SPD-Parteivorstand habe einstimmig ein Fünf-Punkte-Konzept zur Migrationspolitik beschlossen. Darin lehnt die Partei nationale Alleingänge ab. "Wir wollen eine humane Flüchtlingspolitik, aber auch mit Realismus."
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte Horst Seehofer zum Rücktritt auf. Seehofer spiele mit dem "Schicksal Deutschlands", sagte Gabriel dem "Spiegel".
Auch Außenminister Heiko Maas hat CDU und CSU aufgerufen, ihren Asylstreit schnell zu beenden. Eine offene, ehrliche und auch kritische Debatte über ein so wichtiges Thema sei zwar grundsätzlich nötig, sagte er am Montag nach einem Treffen mit seiner bulgarischen Amtskollegin Ekaterina Zaharieva in Berlin.
Maas stützte die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim EU-Gipfel ausgehandelten Asylbeschlüsse. "Es sind alle aufeinander zugegangen. Wir wissen, dass es nur europäische Lösungen geben kann, nationale Lösungen sind keine Lösungen", sagte er.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider hat sich "einigermaßen entsetzt" über das Agieren der CSU im Streit über die Flüchtlingspolitik geäußert. Die CSU sei für ein "autoritäres geschlossenes Staatsmodell", während die CDU noch für ein "offenes, demokratisches und in die Welt eingebundenes ist", sagt er dem ZDF.
Die CSU sei für die SPD nur ein Bündnispartner, wenn sie weltoffen und proeuropäisch bleibe. Das aber sei derzeit offen.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat sich gegen vorgezogene Neuwahlen ausgesprochen. Zugleich stellte Lindner aber im Interview mit Phoenix klar:
Lindner kritisierte den Zustand der großen Koalition aus CDU, CSU und SPD und sprach von einem schlechten Bild der Außendarstellung. Das Verhalten der CDU nannte er gegenüber dem Sender n-tv "verantwortungslos". In dem Streit gehe es um Machtfragen und die Landtagswahl in Bayern, sagte Lindner. Die FDP unterstütze eine europäische Lösung, übergangsweise müssten Zurückweisungen an der Grenze aber sein.
Lindner hatte im vergangenen Jahr ein Bündnis zwischen Grünen, Union und FDP überraschend platzen lassen. Seine Strategie: Er setzt auf den Sturz von Angela Merkel und eine politische Implosion der alten Volksparteien. Die FDP positioniert er nach anfänglichen sozialliberalen Reformzeichen nun deutlich im liberalkonservativen Lager.
Linke-Bundesvorsitzende Katja Kipping sprach auf Twitter vom "Anfang vom Ende der Union als Volkspartie". Die CSU "öffne Rechtspopulismus die Tür".
Gaulands Co-Chef Jörg Meuthen sagte beim AfD-Parteitag a, Wochenende, momentan sei die Union der Hort der Zerstrittenheit – und nicht der "gärige Haufen", wie Alexander Gauland die AfD nennt. Die CSU, die in der Asylpolitik eh nur die AfD kopiere, solle Merkel endlich stürzen, forderte hingegen Alexander Gauland.