Verbreiten. Löschen. Relativieren. Dieser Logik von Grenz- und Diskursverschiebung folgt die AfD. Auch die AfD-Fraktion Potsdam. Die hatte über ihren Twitteraccount eine Bildmontage gepostet, auf der die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, mit großer spitzer Nase, verzerrt grimmigen Gesichtszügen und in Sowjetuniform abgebildet ist. Darüber die Zeile: "Merkels Kandidatin für neuen Verfassungsschutzpräsidenten." Kahane ist seit Langem eine Hassfigur der extremen Rechten.
Anetta KahaneBild: imago stock&people
Der Bild-Reporter Michael Sauerbier wurde darauf aufmerksam und verwies auf den antisemitischen Gehalt dieser "Karikatur".
Die AfD-Fraktion in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung antwortete dem Journalisten via Twitter, man sehe "hier keine jüdische Mitbürgerin, sondern eine Karikatur von Frau Kahane."
Schließlich wurde der Tweet dennoch gelöscht. Die Potsdamer Neueste Nachrichten hakten beim AfD-Fraktionschef Dennis Hohloch nach. Dieser erklärte der Zeitung, die für Twitter zuständige Person sei angewiesen worden, die Grafik "wegen ihrer nicht vorhandenen kommunalpolitischen Relevanz" zu löschen.
Tatsächlich spielt der Post mit klassischen antisemitischen Stereotypen: die verzerrten zugespitzten Gesichtszüge, die riesige Nase, die sowjetische Uniform ruft die Mär des jüdischen Bolschewismus' in Erinnerung. Die Botschaft: Anetta Kahane als jüdisch-kommunistische Volksverräterin, die im Auftrag der Regierung das Volk unterwandert.
Verbreiten. Löschen. Relativieren.
Auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron hat über Twitter und Facebook die Bilder verbreitet. Doch im Gegensatz zu seinen Potsdamer Kollegen hat er die Bilder nicht gelöscht.
Offenbar hat die Skandalisierungsstrategie der AfD ein neues Level erreicht. Die Abfolge von verbreiten, löschen, relativieren hat sich im Fall des Bundestagsabgeordneten aufs Verbreiten reduziert. Gelöscht wird nicht mehr. Die Provokation steht – und bleibt.
Byrston war bis 2017 Vorsitzender der Bayern-AfD. In dieser Zeit hatte er Sympathien für die rechtsextreme Identitäre Bewegung bekundet und sie als "Vorfeldorganisation" der AfD bezeichnet. Das Bayerische Landesamts für Verfassungsschutz hatte Byrston daraufhin beobachtet. Der AfD-Bundesvorstand reagierte auf Byrstons Äußerungen zur Identitären Bewegung mit einer Abmahnung. Die Konsequenz: Heute sitzt Byrston für die AfD im Bundestag. Damit endete auch die Beobachtung durch den Bayerischen Verfassungsschutz.
Anetta Kahane: "Gehört scheinbar zur Jobbeschreibung dazu"
Die Verunglimpfte ist aufgrund ihrer Arbeit immer wieder Angriffen der extremen Rechten ausgesetzt. Das sei nicht angenehm, sagte Anetta Kahane watson. "In diesen Zeiten gehört das scheinbar zur Jobbeschreibung dazu." Kahane steht einer Stiftung vor, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt.
Ihre Gegner begründen ihre Kritik außerdem damit, dass Kahane in der DDR als inoffizielle Mitarbeiterin dem Ministerium für Statsicherheit zugearbeitet hat. Kahane geht mit diesem Teil ihrer Biografie offen um: Sie wurde mit 19 Jahren in der DDR als IM angeworben. Acht Jahre später beendete sie die Kooperation mit dem Staatssicherheitsdienst und stellte einen Ausreiseantrag.
Der aktuelle Fall ist für Anetta Kahane nichts Neues. Das Bild habe sie im Internet schon in allen Varianten gesehen, sagte sie watson. Mal mit eindeutigen jüdischen Insignien, mal ohne. Auch die Uniformen wechseln. "Es ist albern zu sagen, das sei nicht antisemitisch", sagt sie. Es zeige sich immer deutlicher, welch Geistes Kind die Leute sind. Das demaskiert sie.
"Grundsätzlich hat die AfD ein großes Problem mit Antisemitismus"
Anetta Kahane
Auf Funktionärsebene sind mehrere Fälle versteckten oder offenen Antisemitismus’ in der AfD bereits vielfach dokumentiert. Medial die größte Aufmerksamkeit erhielt der Fall Wolfgang Gedeon. Der Abgeordnete der baden-württembergischen AfD, Ex-Maoist und Antizionist, hat in seiner Schrift "Grundlagen einer neuen Politik über Nationalismus, Geopolitik, Identität und die Gefahr einer Notstandsdiktatur" Nazideutschland zum Opfer eines US-amerikanischen Expansionsstrebens erklärt und die antisemitische Schrift "Protokolle der Weisen von Zion" für echt erklärt.
Wir haben bei Petr Bystron nachgefragt und ihn um eine Stellungnahme gebeten, warum er ein Bild von Anetta
Kahane postet, das an klassische antisemitische Stereotype erinnert. Bystron schreibt uns, es sei für jeden unschwer zu
erkennen, dass Frau Kahane bei dem Post wegen ihrer nachweislichen
Stasi-Vergangenheit auf die Schippe genommen werde.
"Warum sie dabei auch noch
hässlich aussieht, fragen Sie am besten den Kollegen Kahrs von der SPD. Der
scheint da ein Experte zu sein", schreibt Bystron weiter und spielt auf eine Aussage des SPD-Abgeordneten Kahrs an. Kahrs hatte "Hass macht hässlich" in einer Bundestagsrede in Richtung der AfD gesagt. Die hatte daraufhin den Saal verlassen.
Nachtrag 26.09.2018: Petr Bystron hat den Post mittlerweile gelöscht.
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