Alle auf die Bühne: Markus Söder, Katharina Schulze, Martin Schulz. Sie alle haben schon kernige Aschermittwochs-Reden gehalten.
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100 Jahre Aschermittwoch machen 100 Jahre Politik-Gebrüll – hier eine Auswahl
06.03.2019, 09:37
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Ein Quantensprung sei es gewesen, da war sich Franz Josef Strauß sicher. Zwischen den Generationen sei die SPD plötzlich ins Linksradikale gekippt, sagte Strauß 1986. Und der Saal lachte begeistert.
Ja, das waren noch andere Zeiten. Als Strauß beim politischen Aschermittwoch in Niederbayern am Rednerpult
stand, schwitzend gegen Sozialisten und Kommunisten wetterte, unter
johlendem Applaus eines bierseligen Publikums. Lang ist's her. Als
"politisches Hochamt der CSU" sehen die Christsozialen den
Aschermittwoch zwar immer noch. Doch der Aschermittwoch von heute hat
nicht mehr allzu viel mit dem Aschermittwoch von früher gemein.
Tatsächlich verbinden viele den Aschermittwoch mit CSU-Übervater
Strauß. Kein Wunder, schließlich trat dieser zwischen 1953 bis zu
seinem Tod 1988 insgesamt 35 Mal als Redner auf – als
CSU-Generalsekretär, Bundesminister, Ministerpräsident, CSU-Chef. Und
bei Strauß ging es in der Regel kräftig zur Sache. 1975 zum Beispiel,
da schleuderte er der damaligen SPD/FDP-Bundesregierung entgegen,
diese hätte in Deutschland einen riesigen "Saustall" angerichtet.
Dabei hat der politische Aschermittwoch eine längere Tradition
Er wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Und die Geburtsstunde war nicht in Passau, wo die CSU inzwischen Jahr für Jahr zu Gast ist,
sondern im niederbayerischen Vilshofen. Bereits in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts hatten sich dort an diesem Tag die Bauern zum
Viehmarkt getroffen. Dabei feilschten sie nicht nur um Tierpreise,
sondern nahmen beim Bier auch die königlich-bayerische Regierung ins
Visier. 1919 lud der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts
dann erstmals zu einer Kundgebung – das Politspektakel war geboren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von
der Bayernpartei wiederbelebt, die ihre Veranstaltung zu deftigen
Angriffen auf die CSU nutzte. Die stieg wenig später in die Tradition
ein: Am 18. Februar 1953 lud die CSU zu ihrer ersten
Aschermittwochs-Kundgebung: in den "Wolferstetter Keller" in
Vilshofen. Strauß, damals CSU-Generalsekretär, war einer der Redner.
Das Traditionslokal war am Aschermittwoch viele Jahre lang die Heimat
der CSU – und proppenvoll. So voll, dass die CSU 1975 schließlich in
die Passauer Nibelungenhalle ausweichen musste. "Vilshofen müssen wir
jetzt denen überlassen, die es schwer haben, den kleinen Saal dort zu
füllen", spottete Strauß unter lautem Gelächter. Er meinte die SPD.
Dort hatte etwa Martin Schulz 2014 einen großen Auftritt:
Heute ist der politische Aschermittwoch
längst ein mediales Politspektakel, das keine Partei, die etwas auf
sich hält, auslassen kann. Nicht nur CSU und SPD und nach wie vor die
Bayernpartei laden ihre Anhänger an diesem Tag in der Regel nach
Niederbayern ein, sondern auch Grüne, FDP, Linke, Freie Wähler, AfD
und ÖDP.
Auch in einigen anderen Bundesländern ist der politische
Aschermittwoch ein kleiner Exportschlager geworden. Kanzlerin Angela
Merkel beispielsweise trat in den vergangenen Jahren immer am
Abend im mecklenburgischen Demmin auf. Diesmal tritt dort die neue
CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in Merkels Fußstapfen.
Aber hat sich die Tradition des politischen Aschermittwochs nicht
längst überholt? Seit einigen Jahren schon wird diese Frage immer
wieder aufs Neue gestellt und diskutiert – nicht erst, seit bei der
CSU Horst Seehofer ans Rednerpult musste, der mit dem Aschermittwoch
nie warm wurde.
Das hat die Heute-Show schon 2012 ziemlich genial aufgegriffen:
Tatsächlich hat sich das Wesen der Veranstaltung
insgesamt deutlich gewandelt.
Meist stehen bei den verschiedenen
Parteien nicht mehr einzelne große Reden im Mittelpunkt (wie bei Franz Josef Strauß oder Edmund Stoiber), sondern es gibt teils lange
Rednerlisten. Doch nur die prominentesten Redner oder die knackigsten
Zitate schaffen es von Niederbayern in die bundesweiten Nachrichten – und das ist die einzige Währung, die für viele Parteistrategen zählt.
So verschaffte sich etwa die Grüne Münchnerin Katharina Schulze bundesweit Aufmerksamkeit:
In diesem Jahr dürfte der politische Aschermittwoch unter anderem im
Zeichen der bevorstehenden Europawahl stehen. Deshalb spricht etwa bei der CSU
nicht nur Neu-Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder, sondern
auch der europaweite EVP-Spitzenkandidat und CSU-Vize Manfred Weber.
Der kennt sich als ehemaliger niederbayerischer CSU-Bezirkschef zwar
aus mit dem politischen Aschermittwoch – und ist doch ein Politiker
der leiseren Töne geblieben.
Es könnte also auch bei der CSU wieder ein Aschermittwoch mit
angezogener Handbremse werden in der Passauer Dreiländerhalle, einer
gesichtslosen Messehalle, in der die CSU seit einigen Jahren zu Gast
ist. Doch, und das gilt für Fans und Kritiker des politischen
Aschermittwochs gleichermaßen: Nach ein paar Stunden ist wieder alles vorbei.
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