Studie zu Antisemitismus – Jeder 2. Jude in Deutschland dachte schon ans Auswandern
10.12.2018, 15:1210.12.2018, 15:29
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Ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in der
Europäischen Union hat laut einer Studie das Gefühl, dass der
Antisemitismus in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen
hat.
63 Prozent der Befragten aus zwölf Ländern gaben in der Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) an, dass sich der Antisemitismus zuletzt deutlich verstärkt habe.
23 Prozent sprachen von einer leichten Verstärkung. 45 Prozent bezeichneten Antisemitismus als ein "sehr großes Problem".
Wie im europäischen Schnitt sagten in Deutschland 85 Prozent der Befragten demnach, dass Antisemitismus für sie "das größte soziale oder politische Problem" sei.
Fast die Hälfte der deutschen Juden überlegte bereits auszuwandern.
Welche Gruppen fallen besonders durch Antisemitismus auf?
Auffällig ist – wie schon andere Studien gezeigt haben – dass
Antisemitismus keine Einstellung allein des rechten Rands ist. Zu den
häufigen Täter-Gruppen zählten Menschen mit extrem muslimischen
Einstellungen (30 Prozent), gefolgt von Menschen aus der eher linken
Szene (21 Prozent), Arbeits- oder Schulkollegen (16 Prozent),
Menschen aus dem Bekanntenkreis (15 Prozent) und Personen mit eher
rechtsextremen Ansichten (13 Prozent).
Wie konkret sind Angst und Gefahr?
40 Prozent der mehr als 16.000 Befragten machen sich laut Studie
Sorgen, dass sie in den nächsten Monaten Opfer eines gewalttätigen
Angriffs aufgrund ihrer Religion werden könnten. Tatsächlich passiert
ist das in den vergangenen zwölf Monaten laut der Studie zwei
Prozent der Befragten.
Fast jeder Dritte wurde aber Opfer einer
Belästigung oder Beleidigung. Aus der Erhebung geht hervor, dass die
Schauplätze für Antisemitismus vor allem das Internet und die sozialen Medien sind.
Zu den gerade im Internet verbreiteten antisemitischen
Vorurteilen zählen laut der FRA-Studie Aussagen wie "Israelis
benehmen sich wie Nazis gegenüber den Palästinensern", "Juden haben
zu viel Macht" und "Juden nutzen die Opferrolle im Holocaust für ihre
eigenen Zwecke aus".
In der Studie heißt es:
"Die Ergebnisse zeigen, dass Antisemitismus in der Öffentlichkeit präsent ist, dabei werden negative Klischees wiederholt und eingeprägt."
Warum werden so wenige antisemitsche Straftaten aufgeklärt?
Der Grund ist: Sie kommen oft gar nicht erst zur Anzeige. Viele Juden melden Schikanierungen laut Studie gar nicht der Polizei.
80 Prozent derer, die solche Erlebnisse hatten, seien weder zur
Polizei noch zu sonstigen Organisationen gegangen, schrieb die
Agentur für Grundrechte. Grund dafür sei oft der fehlende Glaube, dass sich durch
eine Anzeige etwas ändern würde. Viele fanden die Bedrohung oder
Belästigung laut Organisation auch nicht ernsthaft genug, um sie zu
melden.
Diese Erkenntnisse ähneln stark denen aus einer kürzlich
veröffentlichten Studie der Agentur über Schwarze in Europa. Auch in
dieser Gruppe melden demnach die wenigsten Opfer von
Diskriminierungen die Vorfälle – unter anderem, weil sie der Polizei
nicht vertrauen oder Angst vor ihr haben.
Insgesamt legt die Studie über die jüdische Bevölkerung nahe,
dass für viele der Antisemitismus schon so verbreitet sei, dass
einzelne Vorkommnisse unbedeutend seien. "Aber jeder antisemitische
Vorfall ist in seinem Kern eine Attacke auf die Würde eines Menschen
und kann nicht als lästig abgetan werden", mahnen die
Autoren.
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