In scheinbar längst vergangenen Zeiten wurde noch von einer Brandmauer gegen Rechts getönt. Mittlerweile verhallt diese Forderung zwischen populistischen Aussagen der CDU/CSU und Annäherungen an die AfD. Der Rechtsruck ist im vollen Gange. Spätestens seit der Correctiv-Recherche im Januar 2024 zum "Geheimplan gegen Deutschland" lässt sich das nicht mehr verdrängen.
Anfänglich durch den Aufschwung der Bevölkerung zu Großdemonstrationen beflügelt, sind sich die Parteien mittlerweile aber keiner Strategie gegen Rechts mehr sicher. Dabei haben nicht nur die Landtagswahlen im Osten gezeigt, wie erfolgreich sich die AfD bei Teilen der Bevölkerung verkaufen kann.
Sehr besorgniserregend finden das die Studis gegen Rechts, ein städteübergreifendes Netzwerk aus Hochschulgruppen.
Ihr übergeordnetes Ziel: Den Rechtsruck verhindern. Ihr konkretes Aktionsziel: Den AfD-Parteitag in Riesa am 11. Januar verhindern. Dabei sind ist das Netzwerk nicht alleine, denn die Studis gegen Rechts sind Teil des Bündnis "widersetzen", dem auch Gewerkschaftler:innen, lokale Initiativen aus Riesa und Umgebung, antirassistische und antifaschistische Initiativen und Organisationen wie etwa die "Omas gegen Rechts" angehören.
Sascha (Name geändert) von den Studis gegen Rechts in Berlin erzählt im Gespräch mit watson, dass die Vereinigung mit mindestens 5000 Studierenden aus dem ganzen Bundesgebiet in Riesa anreisen wollen. Die Studentin der Freien Universität Berlin betont:
Schon im Februar 2024 war die 19-Jährige bei dem ersten Treffen der Studis gegen Rechts in Berlin. Von der Hauptstadt und Aachen ging die Bewegung aus, hier haben sich die ersten Ortsgruppen gegründet. Auch in anderen Städten hatten junge Menschen die Nase voll vom Rechtsruck und der als untätig wahrgenommenen Politik.
Sascha sagt: "Sehr viele Studierende sehen eine Not und deswegen haben sich die Gruppen in unterschiedlichen Städten parallel gegründet". Mittlerweile, nur rund zehn Monate später, gibt es um die 40 Ortsgruppen in ganz Deutschland. Aktiv sind die Studis gegen Rechts in Studierenden-Städten wie Freiburg, in Großstädten, wie Hamburg oder auch in kleineren Städten wie Wuppertal.
Trotz der großen Entfernungen sind die Studis gegen Rechts gut vernetzt. Erst Ende November fand in Berlin ein bundesweiter Kongress statt, an dem eine dreistellige Anzahl Studierender aus ganz Deutschland teilnahm. "Es hat sehr vielen Studis Mut gemacht, dass wir dort mit so vielen zusammen gekommen sind", berichtet Sascha.
Aus diesem Vernetzungstreffen sind unter anderem bundesweite Forderungen der Bewegung hervorgegangen. Denn sie wollen nicht nur kurzfristig den AfD-Parteitag verhindern, sondern auch langfristig eine solidarische Alternative aufbauen, Politik nahbarer machen und Hoffnung schaffen, erzählt Sascha.
So fordert die Bewegung einen bundesweiten Mietendeckel, ein solidarisches Bleiberecht für alle, eine Reichensteuer, die Abschaffung der Schuldenbremse und einen bezahlbaren ÖPNV.
Als Studierendenbewegung stellen die Studis gegen Rechts in Berlin auch konkrete Forderungen an die Universitäten: Eine Unvereinbarkeitserklärung der Universitäten mit der AfD zum Beispiel. Außerdem sollen Unis als Ort des demokratischen Widerstands verteidigt werden und die Bewegung setzt sich gegen Repressionen an universitären Orten ein – Militär und Polizei haben in der Forschung und auf dem Campus nichts zu suchen.
Diese als Kollektiv in Vollversammlungen formulierten Ziele sowie der Name der Bewegung sprechen klar für eine politische Richtung der Bewegung. Auch Sascha sagt: "Bei uns geht es darum, sein Recht auf Demokratie und Beteiligung wahrzunehmen und klarzumachen, dass wir eine antifaschistische Uni wollen." Es sei außerdem eine Stärke der Studis gegen Rechts, viele unterschiedliche Menschen in der Bewegung vereinen zu können, die das Ziel verbindet, sich der AfD in den Weg zu stellen.
Auch bei dem für Studierendengruppen typischen Waffelverkauf in den Foyers der Hochschulgebäude kommen die Studis gegen Rechts mit Interessierten ins Gespräch. Dabei hat Sascha erfahren, dass es verschiedenste Gründe gibt, sich der Bewegung anzuschließen:
Sascha erzählt von einem sogenannten "Banner-Drop". Die Studierenden haben an allen Berliner Universitäten zur gleichen Zeit parallel selbst gestaltete Banner an hoch frequentierten Gebäuden ausgerollt. Nicht nur durch solche Aktionen gewinnen sie die Aufmerksamkeit ihrer Mitstudierenden, sondern auch über diverse Social-Media-Kanäle.
Und durch diese Werbung oder wie Sascha es nennt, dieses "attention grabbing", erreicht die Bewegung, dass immer mehr Menschen zu den Treffen der Studis gegen Rechts kommen. Schon bei dem Bundesparteitag der AfD in Essen im Juni 2024 hätten sie 250 Bustickets verkauft. Auch den damaligen Parteitag versuchte das Bündnis "widersetzen" zu verhindern.
Sie konnten zumindest eine Verzögerung erwirken und so den Ablauf stören. Laut dem Bündnis waren etwa 60.000 Menschen an Sitzblockaden und Demonstrationen beteiligt.
Welche Aktionen dieses Jahr in Riesa geplant sind, kann Sascha aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht sagen. Sicher ist aber: "Wir wollen das Parteiverbot der AfD quasi selbst in die Hand nehmen." Ein ambitioniertes Ziel, das sie durch friedliches Widersetzen, also durch Aktionen zivilen Ungehorsams am 11. Januar erreichen wollen.