Kurz vor Weihnachten setzte Theo Francken nochmal einen seiner gefürchteten Posts ab. Auf Facebook rief der rechtskonservative belgische Politiker zu einer Demo gegen den UN-Migrationspakt. Die einzige kleine Einschränkung: Einzelne Ausländer sollten nicht angegriffen werden.
Kurz darauf zogen Hooligans und Rechtsextreme durchs Brüssel Europaviertel und randalierten. Und bald war auch die belgische Regierung des liberalen Premiers Charles Michel Geschichte. Franckens rechtskonservative N-VA hatte die Koalition aus taktischen Gründen im Streit über den UN-Migrationspakt aufgekündigt. Auch der populäre politische Brandstifter Francken trat vom Amt des Innenstaatssekretärs zurück.
Nun wird am 26. Mai 2019 in Belgien ein neues Parlament bestimmt. Zeitgleich mit den Wahlen für das Europaparlament. Im kleinen Belgien lässt sich dabei gut ablesen, wie Rechte die Debatte über den Migrationspakt instrumentalisieren. Das lässt auch für die Europawahl nix gutes erahnen.
Ein Drama in 3 Akten.
Theo Francken, 39, studierter Pädagoge, ist ein umgänglicher Typ. Wer morgens in der Früh in Brüssels Stadtpark zwischen Königsparlament und Innenministerium Joggen geht, kann mit ihm mitunter seine Runden drehen oder an der Ampel parlieren. In der Politik aber gibt Francken den Horst Seehofer Belgiens. Ihn treibt eine stete Lust an der Grenzüberschreitung. Ein rechter Zauberlehrling wie Sebastian Kurz in Österreich.
Seine Partei N-VA tritt für eine weitreichende Autonomie der niederländischsprachigen Region Flandern um Antwerpen und Gent ein. Seit 2014 sitzt die N-VA in Brüssel mit am Regierungstisch. Francken stieg auf zum Innenstaatssekretär, verantwortlich für das Thema Migration und Asyl.
Im September hatte Franckens Partei dem UN-Migrationspakt noch zugestimmt. Erst im Dezember machte Francken dagegen mobil. Dazwischen lag die Kommunalwahl, bei der die Partei in der Hochburg Antwerpen kräftig verlor. Und so wurde mit dem UN-Migrationspakt Stimmung gemacht.
Schwaches Zentrum, starke Teilstaaten das unscheinbare Belgien ist eine Europäische Union im Kleinen. Im niederländischsprachigen Norden die wirtschaftsstarke Region Flandern rund um Antwerpen und Gent, im frankophonen Süden die schwächelnden Stahlstandorte Lüttich und Charleroi und mittendrin Brüssel, die Krone, um die sich beide Streiten. Franckens N-VA lehnt es ab, dass Steuergelder aus dem Norden in den kriselnden Süden fließen. Streit um Transferleistungen und mangelnde Solidarität – auch das kennt man aus der Europäischen Union. Es geht also um mehr als um Flandern und Belgien bei der Regierungskrise in Belgien. Längst sitzt Trumps einstiger Chefeinflüsterer Steve Bannon mit einer Stiftung in Brüssel.
In Belgien versuchte Europas Rechte, mit dem Thema Migration zu punkten. Wie schon in anderen europäischen Ländern.
Der UN-Migrationspakt wird von den Rechten zum Wahlkampfthema instrumentalisiert – in Belgien und in Europa.
Am 26. Mai 2019 wird in Belgien gewählt. Und in der EU. Längst sitzt die Rechte mit am Tisch.
Längst gibt es also in Europa eine Regierungsrechte. In anderen Ländern wie in Schweden torpediert sie den politischen Betrieb. Auch im Europaparlament könnten die rechten Polterer einen kräftigen Blockade-Block bilden. Deshalb geht es bei der Debatte um den Migrationspakt um mehr als um Belgien. Es geht um die Zukunft eines offenen Europas.
(per)