Migrationspakt – Die Krise in Belgien gibt eine dunkle Vorahnung auf die EU-Wahl 2019
26.12.2018, 14:4826.12.2018, 19:05
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Kurz vor Weihnachten setzte Theo Francken nochmal einen seiner gefürchteten Posts ab. Auf Facebook rief der rechtskonservative belgische Politiker zu einer Demo gegen den UN-Migrationspakt. Die einzige kleine Einschränkung: Einzelne Ausländer sollten nicht angegriffen werden.
Wolf im Weihnachtsmann-Pelz
Kurz darauf zogen Hooligans und Rechtsextreme durchs Brüssel Europaviertel und randalierten. Und bald war auch die belgische Regierung des liberalen Premiers Charles Michel Geschichte. Franckens rechtskonservative N-VA hatte die Koalition aus taktischen Gründen im Streit über den UN-Migrationspakt aufgekündigt. Auch der populäre politische Brandstifter Francken trat vom Amt des Innenstaatssekretärs zurück.
Nun wird am 26. Mai 2019 in Belgien ein neues Parlament bestimmt. Zeitgleich mit den Wahlen für das Europaparlament. Im kleinen Belgien lässt sich dabei gut ablesen, wie Rechte die Debatte über den Migrationspakt instrumentalisieren. Das lässt auch für die Europawahl nix gutes erahnen.
Ein Drama in 3 Akten.
Wer ist Theo Francken?
Theo Francken, 39, studierter Pädagoge, ist ein umgänglicher Typ. Wer morgens in der Früh in Brüssels Stadtpark zwischen Königsparlament und Innenministerium Joggen geht, kann mit ihm mitunter seine Runden drehen oder an der Ampel parlieren. In der Politik aber gibt Francken den Horst Seehofer Belgiens. Ihn treibt eine stete Lust an der Grenzüberschreitung. Ein rechter Zauberlehrling wie Sebastian Kurz in Österreich.
"Kraft der Prinzipien", so instrumentalisiert Francken seine Politik
Seine Partei N-VA tritt für eine weitreichende Autonomie der niederländischsprachigen Region Flandern um Antwerpen und Gent ein. Seit 2014 sitzt die N-VA in Brüssel mit am Regierungstisch. Francken stieg auf zum Innenstaatssekretär, verantwortlich für das Thema Migration und Asyl.
Im September hatte Franckens Partei dem UN-Migrationspakt noch zugestimmt. Erst im Dezember machte Francken dagegen mobil. Dazwischen lag die Kommunalwahl, bei der die Partei in der Hochburg Antwerpen kräftig verlor. Und so wurde mit dem UN-Migrationspakt Stimmung gemacht.
"Immer mehr Asylsuchende", so warnt Theo Francken
Und warum Belgien?
Schwaches Zentrum, starke Teilstaaten das unscheinbare Belgien ist eine Europäische Union im Kleinen. Im niederländischsprachigen Norden die wirtschaftsstarke Region Flandern rund um Antwerpen und Gent, im frankophonen Süden die schwächelnden Stahlstandorte Lüttich und Charleroi und mittendrin Brüssel, die Krone, um die sich beide Streiten. Franckens N-VA lehnt es ab, dass Steuergelder aus dem Norden in den kriselnden Süden fließen. Streit um Transferleistungen und mangelnde Solidarität – auch das kennt man aus der Europäischen Union. Es geht also um mehr als um Flandern und Belgien bei der Regierungskrise in Belgien. Längst sitzt Trumps einstiger Chefeinflüsterer Steve Bannon mit einer Stiftung in Brüssel.
"Schütze unser Europa. Stopp den Migrationspakt", so poltert Steve Bannon
Bild: X02996
In Belgien versuchte Europas Rechte, mit dem Thema Migration zu punkten. Wie schon in anderen europäischen Ländern.
US-Präsident Donald Trump macht im Dezember 2017 gegen den UN-Migrationspakt mobil. "Sie haben nur einen Plan: offene Grenzen."
Im März 2018 macht Ungarns rechtspopulistischer Premierminister Viktor Orban im Wahlkampf zunächst Stimmung gegen US-Milliardär George Soros und dessen Stiftung "Open Society" – offene Gesellschaft. Bald tauchen auch Wahlplakate gegen den UN-Migrationspakt auf. "Die UN wollen, dass wir permanent Flüchtlinge aufnehmen", verdrehen die Plakate die Tatsachen.
Im März 2018 entdeckt auch die AfD den Migrationspakt als Mobilisierungsthema.
Im Juli 2018, kurz nachdem ein erster Entwurf für das UN-Papier fertiggestellt ist, zieht sich Orban offiziell von den Verhandlungen zurück.
Im September 2018 ruft in Österreich Martin Sellner, Vordenker der identitären Bewegung, zum Kampf gegen den UN-Migrationspakt auf. Bald darauf zieht sich Österreichs Bündnis aus der christdemokratischen ÖVP und der rechten FPÖ vom Pakt zurück. Bald darauf folgen mit Polen, Lettland, die Slowakei, Tschechien weitere EU-Staaten.
Im Dezember 2018 unterzeichnet Belgiens Premier Michel den UN-Pakt. Die rechtskonservative N-VA zieht sich aus der Regierung zurück.
Längst gibt es also in Europa eine Regierungsrechte. In anderen Ländern wie in Schweden torpediert sie den politischen Betrieb. Auch im Europaparlament könnten die rechten Polterer einen kräftigen Blockade-Block bilden. Deshalb geht es bei der Debatte um den Migrationspakt um mehr als um Belgien. Es geht um die Zukunft eines offenen Europas.
(per)
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