Dick Pels lebt in Amsterdam, gleich hinter dem Bahnhof auf einem Hausboot. Von dort beobachtet der Rechtspopulismusexperte die Welt mit einem wachen Blick: Sein Fazit zum Aufstieg der Rechten in Europa lautet:
Am Sonntag stimmen die Schweden ab. Gewinne für die Schwedendemokraten von Jimmie Akesson und ein kräftiger Ruck nach rechts werden erwartet. Pels fasst die Charakteristika zusammen:
Die Rechte in Europa im Überblick.
Die rassistische Lega von Innenminister Matteo Salvini regiert seit Juni mit den Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die stärkste Kraft bei der Parlamentswahl am 4. März wurde. Vor allem der Lega-Chef und Vize-Ministerpräsident Salvini heizt die Stimmung gegen Migranten und andere Minderheiten an. Mit einer Schließung der italienischen Häfen für Flüchtlingsboote sorgte der Vize-Regierungschef auch in der EU für Wirbel. Europas Rechte ist längst an der Macht. Und beginnt die EU zu blockieren.
Die rechtspopulistische FPÖ von Vizekanzler Heinz-Christian Strache regiert seit Dezember in einer Koalition mit der rechtskonservativen Volkspartei (ÖVP) von Bundeskanzler Sebastian Kurz. FPÖ-Minister sorgten mit Äußerungen zur "konzentrierten" Unterbringung von Asylbewerbern für Empörung, aber auch mit ihrer Nähe zu Burschenschaftlern mit Verbindung zu rechtsextremem Gedankengut. Zuletzt erregte die parteilose Außenministerin Karin Kneissl für Aufsehen, als sie auf ihrer Hochzeit mit Promi-Gast Wladimir Putin tanzte.
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist mit 94 Sitzen drittstärkste Kraft im Bundestag, in einzelnen Umfragen hat sie inzwischen die SPD überholt. Nach dem jüngsten ARD-"Deutschlandtrend" liegt sie in den neuen Bundesländern sogar vor der CDU. Ursprünglich als Anti-Euro-Partei von Wirtschaftsexperten gestartet, macht sie zunehmend durch rechte Parolen von sich reden. In Chemnitz vollzog sie nun den offenen Schulterschluss mit Rechtsaußen. Thüringens AfD-Chef Björn Hecke posierte mit Pegida-Frontmann Lutz Bachmann
Nach den Ereignissen in Chemnitz werden Rufe nach einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz lauter.
In Warschau und Budapest haben sich Nationalkonservative oder Rechtspopulisten in den Regierungen etabliert. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gilt mit seinem harten Kurs in der Flüchtlingspolitik als eine Führungsfigur dieses Lagers.
Er propagiert eine "illiberale Demokratie", legal die Macht gewinnen und dann den Staat umbauen. Schleichend versuchte er Medien und Justiz zu entmachten. Kritische Forschungsinstitute werden die Fördermittel gestrichen.
Mit dem Chef der rechtsnationalen Regierungspartei PiS in Polen, Jaroslaw Kaczynski, arbeitet er eng auch gegen Brüssel zusammen. Auch die PiS geht in Polen gegen eine unabhängige Justiz vor.
Die Argumentation: Die Justiz stellt sich zwischen die Volksseele und dem durch sie ausgedrückten Willen der Regierung. "Gesundes Volksempfinden", heißt das dann, wenn der Mob regiert.
Mit dem Brexit-Votum im Juni 2016 hat die europafeindliche Ukip-Partei ihren größten Triumph gefeiert und zugleich ihren Niedergang eingeleitet: Bei der Parlamentswahl im Juni 2017 verlor die Partei ihren einzigen Sitz im Unterhaus. Nach einer Reihe von Wechseln an der Parteispitze ist seit Mitte April Gerard Batten Ukip-Chef. Sein Vorgänger Henry Bolton war Mitte Februar abgesetzt worden, weil sich seine Ex-Freundin rassistisch über Prinz Harrys damalige Verlobte und heutige Ehefrau Meghan geäußert hatte.
Das Brexit-Votum zeigt: Die Rechte hat vor allem destruktive Kraft.
Die Freiheitspartei (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders legte bei der Wahl im März 2017 zwar zu, landete aber deutlich hinter der rechtsliberalen VVD von Ministerpräsident Mark Rutte. An dessen Vier-Parteien-Koalition ist die islamfeindliche Freiheitspartei nicht beteiligt. Mitte Februar scheiterte Wilders mit dem Versuch, Rutte per Misstrauensvotum zu stürzen. Zuletzt sorgte er mit einem Aufruf zu einem Mohammed-Karikaturen-Wettbewerb im Parlament für Aufsehen, den er nach Morddrohungen aber wieder absagte.
Wilders ist der Prototyp der neuen Rechten: Seine Ausländerfeindlichkeit kaschiert er mit antiislamischen Freiheitsparolen.
Die ehemalige Partei Front National (FN), die seit Juni Nationale Sammlungsbewegung (RN) heißt, gilt als geschwächt, seit Parteichefin Marine Le Pen Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl 2017 unterlag – obwohl Le Pen damals im zweiten Wahlgang auf 33,9 Prozent der Wählerstimmen kam. Le Pen versuchte zuletzt mit der Namensänderung der einwanderungsfeindlichen Partei ihren Kurs der "Entdämonisierung" voranzutreiben. Schon zuvor hatte sie die Partei von Antisemitismus ihres Vaters befreit. Sie folgt Wilders' Vorbild: Ausländerfeindlichkeit wird jetzt in Anti-Islam-Tiraden verpackt.
Fazit: Die Europawahl im kommenden Jahr werden zu mehr als einem Stimmungstest. Sie werde zu einer Machtprobe mit der neuen Rechten. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat jetzt alle demokratischen Parteien in Europa zu einem Bündnis gegen Rechts für die Europawahl 2019 aufgerufen.
Der niederländische Populismusexperte Dick Pels sagt:
(afp, dpa, rtr)