10.000 Euro zum 25. Geburtstag – für jeden! Warum das keine Utopie ist
In England hat ein Thinktank vorgeschlagen, allen Briten ab dem 25. Lebensjahr 10.000 Pfund auszuzahlen. Warum das keine Utopie ist und auch in Deutschland funktionieren würde, erklärt ein Wirtschaftsexperte im Interview.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin und forscht zu Einkommens- und Vermögensverteilung.
Timm Bönke .Bild: homepage timm bönke
Watson: Herr Bönke, in England wird diskutiert, ob der Staat allen Menschen zum 25. Geburtstag 10.000 Pfund
zahlen soll. Timm Bönke: Die Idee
ist nicht neu. Dahinter steckt der Gedanke, Heranwachsenden in einer
Gesellschaft, in der viele nicht erben, oder zunehmend immer später erben, die
Möglichkeit zu geben, wirtschaftlich souverän zu sein. Das ist erstmal eine
schöne Idee. Es ist der Versuch, jungen Menschen zwischen 18 und 25
unabhängig vom Reichtum der Eltern ein bedingungsloses Vermögen bereitzustellen.
In der Theorie hat das dann positive Impulse für die Gesellschaft. So hätten
junge Menschen zum Beispiel die Möglichkeit, ein Startup zu gründen, die
Wohnung und Ausbildung zu finanzieren, den Studienkredit zurückzubezahlen…
… oder das Geld sinnlos zu verprassen. Das ist
im Grunde die Kritik an dem Modell. Daher gibt es restriktivere Ansätze, bei
denen das Geld an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Dass man Geld beispielsweise
nicht für den Konsum ausgibt, sondern für den Vermögensausbau oder die
Ausbildung, also für das, was wir gesellschaftlich für sinnvoll erachten.
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Hinter solchen
Modellen steht also die Idee, Vermögensungleichheiten innerhalb einer
Gesellschaft auszugleichen? Es ist ein
Instrument der Vermögenspolitik, das eine breite Bevölkerungsschicht fördern
soll. Wir haben beispielsweise in Deutschland eine sehr hohe
Vermögungsungleichheit. Ein Prozent der Menschen besitzt ein Drittel des
Gesamtvermögens. Zehn Prozent besitzen 50 Prozent des gesamten Vermögens. Und
40 Prozent haben kein nennenswertes Vermögen, d.h., die vererben auch nichts.
"Es stellt sich die Frage
der Gerechtigkeit, wenn man allein durch das Glück der Geburt andere zu Erben
macht."
Hätte ein solches
Modell des sozialen Erbes nicht auch negative Auswirkungen auf den Zusammenhalt
einer Gesellschaft? Gibt es der Gesellschaft doch die besten Argumente in die
Hand, den Einzelnen fallen zu lassen, wenn der – selbstverschuldet oder nicht –
das Geld verliert. Oder sich durch falsche Investitionen verschuldet. Die Gesellschaft kann dann sagen: Wir sind alle gleich gestartet, du
hattest deine Chance, jetzt sieh zu, wie du zurechtkommst. Das eine
ist die Theorie und das andere die Frage, wie solche Ideen tatsächlich auf eine
Gesellschaft wirken. Einige werden damit reich und andere werden damit noch
ärmer. Und was machen wir mit denen, die ärmer geworden sind? Auf der anderen
Seite: Ein junger Mensch wird sich vorher überlegen, was er mit dem Geld macht.
Er weiß ja, dass er mit 25 Zugriff auf einen entsprechenden Betrag hat. Und wird
in Schulen darauf vorbereitet. Die Gesellschaft sagt mit diesem
Vertrauensvorschuss: Wir glauben an dich, mach was draus. Auch Menschen, die
sonst keine Verbindung zu Vermögen haben, sind dann gezwungen, sich damit
auseinanderzusetzen.
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Wie kann der Staat das finanzieren? Relativ einfach sogar. Es würde beispielsweise in Deutschland reichen, wenn
man für jedes Kind von der Geburt an 275 Euro in einem Vermögenskonto anlegen
würde. Jedes Jahr würden 275 Euro dazukommen und nach 25 Jahren Sparphase hätte
der Staat pro Kopf 10.000 Euro angespart. Dann könnte man überlegen, was zahlt
man aus, lässt man es liegen und verzinst es weiter. Wir hätten eine
Anfangsinvestition von unter 400.000 Euro für den ersten Geburtsjahrgang und
wären dann irgendwann bei einem jährlichen Finanzierungsvolumen von 4 bis 5
Milliarden Euro, sofern man Gutscheine für alle unter 25-Jährigen finanzieren
müsste.
Gibt es bereits Modellversuche, wie wir es gerade beim Grundeinkommen in Finnland erleben?
Nicht wirklich. Die Briten haben es vor der heißen Phase
abgebrochen. Unter Tony Blair wurde 2005 der sogenannte UK Child Trust Fund errichtet.
Innerhalb des Child Trust Fund erhielten die Kinder individuelle Konten und einen
jährlichen Gutschein
in Höhe von 250 Pfund zum Anlegen. Die Auszahlung erfolgt zum 18. Geburtstag. Trotz
vielversprechender Prognosen und verhältnismäßig geringer Kosten wurde das
Projekt im Zuge der Finanzkrise wieder eingestampft. Die Konten aber gibt es
noch und erste Auszahlungen beginnen 2020.
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In Deutschland
wird gerade über mögliche Alternativen zu Hartz IV diskutiert. Halten Sie die
Idee einer Einmalzahlung für geeigneter als das bedingungslose Grundeinkommen?
"Ich glaube, dass wir uns
mit dem Sozialstaat ein relativ gut funktionierendes System geschaffen haben,
was man nicht ohne Weiteres durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzen
sollte."
Der Sozialstaat kann mit seinen Bedürftigkeitsprüfungen,
mit der Arbeitslosenversicherung etc. viel genauer und bedarfsgerechter unterstützen, als es ein Grundeinkommen überhaupt kann. Dass das in Zukunft
anders aussehen kann, wenn wir einen immer höheren Anteil von Robotern haben,
die unseren Wohlstand erarbeiten, kann sein. Wir sind aber nicht so weit. Im
Moment haben wir Rekordbeschäftigung. Es ist eine Debatte, die langfristig
interessant ist. Beim sozialen Erbe aber geht es um etwas Anderes.
Und darum geht es beim bedingungslosen Grundeinkommen:
Inwiefern?
Es ist keine Umverteilung im
klassischen Sinne. Es zielt darauf ab, dass die Leute die Möglichkeiten haben,
selbst Verantwortung zu übernehmen, sich selbst in die Lage zu versetzen, Entscheidungen
zu treffen und in der Konsequenz auch mit den Entscheidungen zu leben. Das ist
ein aktivierender Ansatz als beim Wohlfahrtsstaat, der sagt, der hat zu viel,
der hat zu wenig und jetzt verteile ich um.
Was macht Vermögensungleichheit so gefährlich
für eine Gesellschaft?
Wenn ich als Teil einer Gesellschaft
beobachte, dass sich am oberen Ende eine Vermögenskonzentration anhäuft, die
ich durch eigene Arbeitskraft und Leistung nicht mehr erreichen kann,
ist das nicht gut für die Motivation. Und steht im Widerspruch zu der Aussage, wir
würden in einer Leistungsgesellschaft leben. Denn nicht die Leistung
entscheidet, sondern die Umstände, in die eine Person hineingeboren ist.
"Wenn dann ein Gefühl entsteht, dass Einflussnahme mit
der Vermögensposition in der Gesellschaft zu tun hat, dann bekommt nicht nur
der Einzelne ein Problem, sondern die gesamte Gesellschaft."
Wir befinden uns gerade in einer Phase der
Digitalisierung, des strukturellen Wandels. Ein immer größerer Teil unseres
Wirtschaftswachstums kommt einer gut vernetzten akademischen Elite zugute und
nicht allen gleichermaßen. Und wir merken ja auch, dass das zum Unwohlsein
führt und viele ökonomisch Verletzbarer macht. Eine Gesellschaft sollte das
ausgleichen, bis dieser Wandel abgeschlossen ist. Instrumente wie das soziale
Erbe wollen dieser Entwicklung entgegenwirken, in dem sie wirtschaftliche und
gesellschaftliche Teilhabe zumindest theoretisch erhöhen.
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