Politik
Israel

Israel: Was über die Geiseln im Gazastreifen bekannt ist

People protest on the one-year anniversary of the Hamas attack on Israel and call for the release of hostages held by Hamas in the Gaza Strip, outside Prime Minister Benjamin Netanyahu's house, i ...
Menschen protestieren am einjährigen Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel und fordern die Freilassung von Geiseln.Bild: AP / Mahmoud Illean
Israel

Ein Jahr nach dem Hamas-Angriff: Israel kämpft an allen Fronten

07.10.2024, 10:15
Mehr «Politik»

Am 7. Oktober 2023 begingen Terroristen aus dem Gazastreifen ein Massaker in Israel. Seither herrscht Krieg.

Ein Ende ist nicht in Sicht.

Auch am ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der islamistischen Hamas auf Israel heulen im Grenzgebiet zum Gazastreifen erneut die Sirenen. Es seien vier Geschosse aus dem südlichen Gaza abgefeuert worden, drei davon habe das Militär abgefangen, teilte Israels Armee am frühen Morgen mit.

Flames and smoke rise from an Israeli airstrike in Dahiyeh, Beirut, Lebanon, Sunday, Oct. 6, 2024. (AP Photo/Bilal Hussein)
Der Nahost steht in Flammen.Bild: AP / Bilal Hussein

Ein Projektil sei auf offenem Gelände niedergegangen. Es würden Abschussrampen der Hamas und unterirdische "terroristische Infrastruktur" im gesamten Gazastreifen angegriffen, hieß es. Während der Vergeltungsschlag Israels nach dem Raketenangriff des Irans vergangene Woche zunächst weiter auf sich warten ließ, bombardierte Israels Armee in der Nacht erneut auch Stellungen der Hisbollah im Libanon.

Zugleich schoss die pro-iranische Schiiten-Miliz Raketensalven unter anderem auf die Hafenstadt Haifa im Norden Israels ab, wie die Armee mitteilte. Dort schlugen trotz Abwehrfeuers Projektile ein. Laut der "Times of Israel" wurden fünf Menschen in dem Gebiet durch Granatsplitter verletzt.

Derweil setzen Israels Truppen die erneut gestartete Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens fort. "Heute vor einem Jahr wurde die Geschichte unseres Landes für immer verändert", schrieb die israelische Armee am frühen Morgen auf X, während im Grenzgebiet zum Gazastreifen erneut die Warnsirenen heulten.

Der 7. Oktober: Der brutale Angriff der Hamas auf Israel

Es war ein brutaler Überfall: Die Terroristen der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas griffen Israel am 7. Oktober am frühen Morgen gleichzeitig zu Wasser, zu Land und aus der Luft an. Panik und Verwirrung waren groß und es dauerte, bis der genaue Ablauf des grausamen Überfalls rekonstruiert war. Bei dem Angriff wurden 1205 Menschen getötet.

07.10.2024, Israel, Kibbuz Reim: Eine Frau fotografiert eine Wand mit Porträts der Opfer am Ort des Nova-Musikfestivals, bei dem Hunderte von Feiernden getötet und von der islamistischen Hamas entführ ...
Eine Frau fotografiert eine Wand mit Porträts der Opfer am Ort des Nova-Musikfestivals.Bild: AP / Ariel Schalit

Inzwischen hat die israelische Gegenoffensive den Gazastreifen verwüstet. Nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums wurden mehr als 41.800 Menschen getötet, ein Großteil von ihnen Zivilisten. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden, die Vereinten Nationen stufen diese Zahl jedoch als glaubwürdig ein.

Auch werden noch immer Geiseln vermisst.

Quälende Ungewissheit: Was über die Geiseln im Gazastreifen bekannt ist

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas nahm am 7. Oktober auch 251 Geiseln. Einige dieser Menschen waren bereits tot, als sie in den Gazastreifen verschleppt wurden. Weniger als die Hälfte der Geiseln kam später im Austausch mit palästinensischen Häftlingen frei, nur wenige der Entführten konnte die israelische Armee lebend befreien.

Bisher wurden 117 Geiseln freigelassen, zumeist Kinder und Frauen sowie ausländische Gastarbeiter. Die meisten Freilassungen erfolgten während einer einwöchigen Waffenruhe Ende November. Auch 14 Menschen, die auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben, kamen damals frei. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge frei.

Fast ein Jahr nach dem Angriff gehen die israelischen Behörden davon aus, dass es im Gazastreifen noch 64 lebende Geiseln gibt: 52 Männer, zehn Frauen, darunter fünf Soldatinnen, sowie zwei Kinder. Die jüngste Geisel in der Gewalt der Hamas ist das Baby Kfir Bibas.

Der Junge war erst achteinhalb Monate alt, als er zusammen mit seinem damals vierjährigen Bruder Ariel aus dem Kibbuz Nir Oz entführt wurde. Auch Ariel ist bis heute nicht aus dem Gazastreifen zurückgekehrt. Nach Angaben der Hamas sind die beiden Kinder und ihre Mutter tot, Israel hat dies jedoch nicht bestätigt.

dpatopbilder - 07.10.2024, Israel, Kibbuz Reim: Eine Frau lehnt an einem Bild von Mapal Adam am Ort des Nova-Musikfestivals, bei dem Hunderte von Feiernden getötet und von der Hamas entführt und in de ...
Eine Frau trauert um ein Opfer des Hamas-Angriffs. Bild: AP / Ariel Schalit

Für die Hamas sind die Geiseln ein Faustpfand, mit dem sie Israel zu einer Waffenruhe und zur Freilassung weiterer palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen zwingen will.

Die Armee bestätigte, dass die 70 übrigen tot sind. Die sterblichen Überreste von 33 von ihnen befinden sich demnach noch im Gazastreifen. Israelische Soldaten konnten die Leichen von 37 Geiseln bergen, die entweder bereits am 7. Oktober oder später im Gazastreifen getötet worden waren.

Von den 64 verbliebenen Geiseln gibt es kein Lebenszeichen, ihre Angehörigen leben in völliger Ungewissenheit.

Der bewaffnete Arm der Hamas erklärte am 12. August, seine Kämpfer hätten eine Geisel erschossen und zwei weitere verletzt. Noch zu weiteren Gelegenheiten verkündete die Hamas den Tod einzelner Geiseln, von offizieller israelischer Seite gab es aber keine Bestätigung, sodass die Angehörigen weiter bangen.

Israel: Gedenkveranstaltungen am Jahrestag des Hamas-Massakers

Am Vorabend begannen in Israel die ersten Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Terrorüberfalls der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres. In Tel Aviv kamen Angehörige der fast 400 auf dem Nova-Musikfestival getöteten Menschen zusammen.

"Ich stecke immer noch am 7. Oktober fest", wurde die Mutter einer ermordeten jungen Frau in israelischen Medien zitiert. "Die Welt bewegt sich weiter, aber für mich ist die Zeit stehengeblieben." Ein Israeli, dessen Neffe vom Nova-Festival entführt wurde und vermutlich immer noch im Gazastreifen festgehalten wird, rief der "Times of Israel" zufolge die Regierung auf, so schnell wie möglich eine Einigung mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln zu erzielen.

Israels Armee geht weiter im Gazastreifen vor

Ungeachtet aller Aufrufe zu einer Waffenruhe startete Israel eine neue Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens. Zugleich griff Israels Luftwaffe nach eigenen Angaben in der Nacht erneut eine Kommandozentrale der Hamas an. Sie habe sich im Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens auf dem Gelände des Shuhada Al-Aksa-Krankenhauses befunden, hieß es in der Nacht.

In demselben Gebiet hatte die Armee nach eigenen Angaben vom Vortag Kommandozentralen angegriffen, die sich einer früheren Schule und einer früheren Moschee befunden hätten. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen. Der militärische Flügel der Hamas sei besiegt, der Kampf gegen ihre Terrorstrukturen werde fortgesetzt, sagte Israels Generalstabschef Herzi Halevi.

Er bezeichnete in einem Schreiben an seine Soldaten den 7. Oktober 2023 als den Tag, "an dem wir bei unserer Mission gescheitert sind, die Bürger des Staates Israel zu schützen." Es sei "nicht nur ein Tag des Gedenkens, sondern auch ein Aufruf zu tiefer Selbstbesinnung", schrieb Halevi über das "Eingeständnis unserer Fehler und die Verpflichtung, daraus zu lernen."

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

Angehörige der Geiseln riefen für heute zu einer Demonstration vor dem Amtssitz von Regierungschef Benjamin Netanjahu auf. Der wollte im Fernsehen eine Ansprache an die Nation halten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Samstag ein Waffenembargo gegen Israel für die Kämpfe in Gaza gefordert, worauf Netanjahu erbost reagierte. Wie der französische Präsidentenpalast mitteilte, bekräftigte Macron in einem Telefonat mit Netanjahu Frankreichs unerschütterliches Engagement für die Sicherheit Israels.

Zugleich habe er seine Überzeugung geäußert, dass die Zeit für eine Waffenruhe gekommen sei. Die Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten darum drehen sich jedoch seit Monaten im Kreis.

UN bezeichnet Lage in Nahost als "unerbittliche Tragödie"

Das UN-Nothilfebüro (OCHA) bezeichnete die vergangenen zwölf Monate im Nahen Osten als "unerbittliche Tragödie". Joyce Msuya, die amtierende UN-Nothilfekoordinatorin, sagte: "Keine Statistiken oder Worte können das Ausmaß der physischen, psychischen und gesellschaftlichen Zerstörung, die stattgefunden hat, vollständig wiedergeben".

Ihr Büro verurteilte den Überfall der Hamas. Israels anschließende Militärschläge im Gazastreifen hätten eine Katastrophe ausgelöst. Schulen, in denen vertriebene Familien untergebracht sind, sowie Krankenhäuser seien wiederholt beschossen worden.

Die Menschen lebten mit extremen Entbehrungen, ohne ausreichend Essen oder medizinische Versorgung, hieß es. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.

(akh/dpa/afp)

Neue Initiative "Männer gegen Rechts" will neue Männlichkeitsbilder schaffen

Das Wahljahr 2024 in Deutschland ist durch. Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg liegen nun alle hinter uns. Und die Ernüchterung ist bei vielen Menschen groß. Immerhin ist mit der AfD eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei so stark wie nie zuvor.

Zur Story