Auf Instagram, seinem Wohlfühlort, bekannte sich Markus Söder im vergangenen Jahr dazu, Science-Fiction-Fan zu sein. Ihn interessiere das Weltall, die Planeten. Eigentlich, meinte Söder, "ist Saturn und Jupiter gar nicht so sexy". Spannend seien "die Monde drumherum".
So ließ sich die Abmachung der Union deuten. Friedrich Merz ist Kanzlerkandidat, das politisch deutlich massereichere Objekt. Und Söder sein Trabant. Wäre da nicht diese verdammte Eitelkeit.
Seitdem die Union im vergangenen September den CDU-Parteivorsitzenden Merz zur Identifikationsfigur im Bundestagswahlkampf erkoren hat, gibt sich Markus Söder alle Mühe, in dessen Einflusssphäre zu diffundieren, sie zu überstrahlen. Er kann sich nicht mit dem Platz in der zweiten Reihe abfinden. Wieder einmal.
Bereits im Bundestagswahl 2021 war es Söders gekränktes Ego, das Daniel Günther, Parteikollege und Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, zuletzt als "Störfeuer" bezeichnete. Nachdem Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Partei hervorgegangen war, biss sich Söder an ihm fest. Er ließ keine Gelegenheit aus, klarzustellen, dass er – der Sonnenkönig aus Bayern – nicht nur die rechtmäßige, nein, eigentlich auch die bessere Wahl gewesen wäre.
Dabei hatte er Besserung geschworen. "Ich habe ein Versprechen gegeben, das sich 2021 nicht wiederholen wird", sagte Söder noch im September. Es ist beim Versuch geblieben. Zwar subtiler, aber gewiss nicht weniger akribisch drängelt sich der bayerische Landespatron ins erste Glied der Union. Nicht ohne Friedrich Merz dabei den Ellenbogen in die Brust zu rammen.
Anders als Merz wiederholt Söder gebetsmühlenartig das Mantra, nicht mit den Grünen koalieren zu wollen. Was die CDU und Friedrich Merz in die missliche Lage führt, dass voraussichtlich nur die SPD als Juniorpartner in der Koalition zur Verfügung steht, und der CDU, um ihre Alleinstellung wissend, ohne eigenes Zutun Konzessionen abringen kann.
Nun ließe sich sagen: Was kümmern einen die parteiinternen Sperenzien der Union, sollen sie sich doch selbst zerfleischen. Leider geht es uns alle an. Dabei lohnt sich ein Blick nach Österreich.
Am Montag hat die Klausurtagung der CSU begonnen, kurz nachdem in Österreich die politische Landschaft durchgerüttelt worden ist. Im Schnelldurchlauf: Die rechtspopulistische FPÖ ist aus der Wahl als stärkste Kraft hervorgegangen, die demokratischen Parteien versuchten zunächst, eine Regierungsbeteiligung zu verhindern.
Nun aber sind erst Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und liberalen Neos gescheitert, wenig später auch die zwischen ÖVP und SPÖ. Der Rechtspopulist Herbert Kickl ist mittlerweile mit der Regierungsbildung beauftragt worden und wird aller Voraussicht nach eine Koalition mit der ÖVP bilden.
Für das Beispiel Deutschland lässt sich lernen: Für Politik braucht es Kompromisse. Vor allem, wenn es darum geht, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen und rechtsextreme Parteien in der Regierung zu verhindern. Dafür müssen die Parteien der Mitte zusammenarbeiten. Und sich dem Ernst der Lage bewusst sein.
In etlichen europäischen Ländern, in Frankreich, Italien, in den Niederlanden, ist zu sehen, wie bürgerlichen Parteien zugunsten rechtspopulistischer Kräfte schrumpfen bis erodieren. Häufig endet es damit, dass sie sich dem Gezerre von rechts hingeben und ihm erliegen. Gegen die radikaleren Kräfte können sie sich oft nicht profilieren.
Für Söder ist die Sache klar. Er habe mit dem zurückgetretenen Kanzler Karl Nehammer telefoniert sowie mit etlichen Kollegen aus Österreich. "Viele sehen, dass Schwarz-Grün diese Entwicklung verstärkt hat", sagte Söder. "Österreich hat gezeigt, wohin Schwarz-Grün führt: nur zum extremen Erstarken von anderen Kräften, dort der FPÖ."
Und spätestens hier wird's dann brenzlig. Wenn sich der klebrige Film aus Eitelkeit, Selbstdarstellung und gekränktem Stolz über die Notwendigkeit staatspolitischer Verantwortung legt und den Blick vernebelt für die Umstände, die sich wenige Kilometer südlich der eigenen Landesgrenzen abspielen.
Im ZDF-Morgenmagazin kommentierte Söders Antichrist von den Grünen, Robert Habeck: Das "Maulheldentum" der CSU sei gerade vor dem Hintergrund dessen, dass die Grünen bei den Verhandlungen gar nicht dabei waren, "fast geschichtsvergessen".
Man würde Söder gerne nicht mehr ernst nehmen. Er selbst hat am umtriebigsten daran gearbeitet, sich in ein trotziges CSU-Maskottchen zu verzwergen. Auf Instagram schmiert er sich McRibs in den Goatee, tanzt mit ABBA-Hologrammen und verlost Devotionalien des eigenen Egos. Das Ganze gipfelte in der grotesken Imitation von Willy Brandts Kniefall in Warschau.
Aber er ist eben nun mal, allem Anschein zum Trotz, Politiker. Mit Macht und Einfluss. Der nicht aufhören wird, sich Hoffnungen zu machen, eines Tages doch noch die Union als Kanzler in den Bundestag zu führen – angesichts der wankelmütigen Weltlage keine Unwahrscheinlichkeit.
Was bleibt, ist die Gewissheit, dass Söders Aussagen die Halbwertszeit eines durchschnittlichen Joghurts haben, wie Ricarda Lang einmal treffend feststellte. Und das ist vielleicht das traurigste: Dass die größte Hoffnung ist, dass die Meinung eines der einflussreichsten Politiker des Landes schneller umschwenkt als die Laune gestandener Reality-TV-Veteranen.