Wer auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin ankommt, muss sich zwangsläufig verlaufen. Das Gelände ist rieisg: Dutzende Hangars liegen hinter weiten Parkplätzen, Zäunen, massiven Steinwänden. Irgendwo im Bauch dieses knapp 90 Jahre alten Ungetüms von einem Flughafen liegt Berlins Ankunftszentrum für Flüchtende. Drei Hallen, in denen sich hunderte Menschen nebeneinander quetschen, bewacht von Sicherheitsleuten und geschlossen für die Öffentlichkeit.
Das Grenztor zu dieser Welt ist das "Café Tentaja". Ein dunkles Durchgangszimmer, von dem aus man in den zur Allzweckhalle umgebauten Hangar 3 schauen kann.
Das Café ist allerdings zu und nur noch ein Aufenthaltsraum. Darin reihen sich Stühle aneinander, auch eine Computerecke gibt es, die Küche ist zum Abstellraum verkommen. Wer etwas trinken will oder auf die Toilette muss, darf für einen Moment vorbei an der Security in den Hangar, die am Durchgang zu jeder Zeit auf und abgeht.
Georg Classen kommt hier oft vorbei. Das Café sei für ihn eine der wenigen Möglichkeiten, mit den Menschen aus dem Tempelhofer Flughafen zu reden. Classen spricht für den Flüchtlingsrat Berlin, der zahlreiche Helferorganisationen vertritt.
Der Rat erhebt wegen des Zustands der Unterkünfte im Tempelhofer Flughafen Vorwürfe gegen Berlin.
Auf Grund von Personalproblemen und Softwarefehlern beim zuständigen Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) gebe es einen Stau, behauptet der Rat. Neu in Berlin ankommende Geflüchtete müssten statt drei Tagen nun drei Wochen unter diesen Bedingungen im Hangar bleiben.
Eine Notlage, die eine Nutzung der alten Flugzeuggaragen als Notunterkunft rechtfertigen könnte, liege sicher nicht mehr vor. Das Ankunftszentrum Tempelhof, so fordern Flüchtenden-Organisationen, müsse deshalb sofort geschlossen werden. "Berlin könnte den Leuten ohne Probleme in einem der aktuell 1.400 freien Plätze in den anderen Unterkünften Berlins einen Platz bieten, wo sie wenigstens ein Zimmer hätten", sagt Classen.
Stattdessen aber entstehe der Eindruck, dass der Tempelhof immer weiter ausgebaut werde und sich schleichend zu einem AnKERzentrum weiterentwickele.
Und das funktioniere hinten und vorne nicht: Den Menschen würden die ihnen eigentlich zustehenden Monatstickets für den Nahverkehr nicht ausgegeben, auch die ihnen zustehenden Sozialleistungen nicht. Ein Arzt sei zwar vor Ort, aber die Betreung von Fachärzten etwa für schwangere Frauen sei nicht gegeben. "Vor allem besonders schutzbedürftige Geflüchtete gehören einfach nicht in solche Notunterkünfte rein", sagt Classen.
Die Vorwürfe des Rats fallen mitten in der hitzigen Debatte um Horst Seehofers Pläne zu so genannten "Transitzentren", die noch einmal eine wesentlich verschärfte Version der AnKERzentren darstellen würden.
Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales ist neben dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) für den Betrieb des Hangar 2 zuständig.
Seit Ende Mai 2018 sei es zu einem Rückstand bei der Registrierung gekommen, der zwischenzeitig auf 600 Personen angewachsen war, sagt die Senatsverwaltung.
"Mit Stand vom 17.7.2018 sind es 386 Menschen, deren Ankünfte noch zu bearbeiten sind."
Die Senatsverwaltung schreibt, der Grund für den Rückstand seien"höhere Zahlen an Erstmeldungen
im Ankunftszentrum in den Monaten Mai und Juni 2018, so dass der tägliche
Zulauf mit dem zur Verfügung stehenden Personal nicht abgearbeitet werden
konnte." Hinzukämen "hohe krankheits- und urlaubsbedingte Abwesenheiten" beim eigenen Personal.
Mehrtägige Ausfälle im
Registrierungssystem seien inzwischen aber behoben.
Was das angeht, gibt die Senatsverwaltung an, dass Geflüchtete das Bargeld und Bahnticket erst bekommen, wenn sie registriert sind. Die Auszahlung des Barbedarf erfolge nach Abschluss des Registrierungsprozesses. In der Stellungnahme schreiben sie:
Nur kann diese Registrierung momentan eben dauern. Auch die Senatsverwaltung spricht von bisherigen Wartezeiten von "bis zu 21 Tagen", allerdings laut Stellungnahme bei 44% der Angekommenen.
Hier sagt die Senatsverwaltung, dass ein Ärzteteam der Charité vor Ort sei. Bei Bedarf würden die Geflüchteten in entsprechende Kliniken überwiesen werden. Härtefälle wie Kranke und Schwangere würden bevorzugt und kurzfristiger abgearbeitet.
Allerdings: Anderweitige Betreuungsangebote oder Überweisungen an Fachärzte bei Bedarf für Schwangere oder Kranke erwähnt sie nicht.
Die Berliner Senatsverwaltung sagt: Nein. Und schreibt in der Stellungnahme:
"Das Land Berlin lehnt die von der Bundesregierung vorgesehenen Ankerzentren ab. Diese Zentren bedeuten, dass die Ankommenden 18 Monate dort bleiben sollen, Familien mit minderjährigen Kindern etwas kürzer. Die Vorstellung, dass Menschen in solchen Zentren festsitzen, weil sie keine Bleibeperspektive haben, aber auch nicht abgeschoben werden können, ist nicht hinnehmbar.
Außerdem solle die Nutzung des ehemaligen Flughafen Tempelhof für die Unterbringung von Geflüchteten bis Ende 2019 limitiert sein.
Den vielen Geflüchteten, die seit Wochen auf ihre Registrierung im Hangar 2 warten, hilft das leider nicht. Sie müssen weiter auf ein Ende des Bearbeitungsstaus warten.
Zumindest scheint der Druck auf die Politik zu wachsen, die Lage zu klären.
Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) reagierte auf die Forderungen des Flüchtlingsrats und sagte, man wolle schnellst mögich ein neues Ankunftszentrum einrichten. Mit dem Tempelhofer Flughafen sei auch sie "sehr unglücklich". "Die Unterbringung dort ist unerträglich, deshalb haben wir gesagt,
wir brauchen ein neues Ankunftszentrum", zitiert der rbb die Senatorin.
In Bayern haben derweil die Kontrollen an den Grenzen begonnen. Zurückweisen dürfen die Beamten noch niemanden, aber die Vorbereitungen laufen. Die "Transitverfahren" in den Hallen der Bundespolizei.