Das Thema Abtreibung hat noch nie eine so große Rolle im US-Wahlkampf gespielt, wie dieses Mal. Denn vor zwei Jahren kippte der oberste Gerichtshof in Washington das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche.
Das wurde nur möglich, da Ex-Präsident Donald Trump in seiner vergangenen Amtszeit drei konservative Richter:innen für den Supreme Court nominierte, sodass die Konservativen beim Obersten Gerichtshof die Mehrheit haben.
Seitdem liegt die Zuständigkeit für das Abtreibungsrecht bei den einzelnen Bundesstaaten. In 13 Staaten sind Schwangerschaftsabbrüche nun verboten, in elf weiteren stark eingeschränkt.
In manchen Staaten sind die Regelungen extrem streng. Abtreibungen sind dort etwa selbst dann strikt verboten, wenn die Schwangerschaft aufgrund von Vergewaltigung oder Inzest entstand. Das führt dazu, dass einige Frauen in andere Staaten reisen müssen, um eine Abtreibung durchführen zu lassen.
Weiterhin gab es in den vergangenen zwei Jahren aufgrund des Verbotes einige Todesfälle von Frauen. Diese sind auf die fehlende Versorgung während der Schwangerschaft oder der Geburt, sowie auf den Versuch eigenständig abzutreiben, zurückzuführen.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Todesrate bei Neugeborenen seit dem Abtreibungsverbot drastisch gestiegen ist. Dabei sind hauptsächlich Babys betroffen, die sich während der Schwangerschaft nicht richtig entwickelten – und die man in solchen Fällen eigentlich abgetrieben hätte.
Seitdem Vizepräsidentin Harris in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2024 eingestiegen ist, ist Abtreibung zum wichtigsten Thema für Frauen unter 30 Jahren geworden. Laut einer Umfrage der gesundheitspolitischen Organisation KFF (Kaiser Family Foundation) liegt Abtreibung damit noch vor der Inflation, dem Top-Thema dieser Gruppe aus dem Frühsommer dieses Jahres.
Vier von zehn der Wählerinnen (39 Prozent) unter 30 Jahren geben an, dass Abtreibung das wichtigste Thema für ihre Wahlentscheidung ist. Im Vergleich zur letzten Umfrage von KFF im Juni hat sich der Anteil somit verdoppelt.
Harris' verstärkte Wahlkampf-Rhetorik zu reproduktiven Rechten scheint auch bei der demokratischen Basis Anklang zu finden, vor allem bei jüngeren demokratischen Wählerinnen. Demokratische Frauen bis zum Alter von 50 Jahren sagen jetzt fast doppelt so häufig, dass sie ihr "sehr" vertrauen, wenn es um Fragen der Abtreibung geht (66 Prozent, gegenüber 35 Prozent im Juni).
Bei den Wählerinnen insgesamt hat Harris einen Vorsprung von zwei zu eins gegenüber dem ehemaligen Präsidenten Trump, wenn es darum geht, welchem Kandidaten in Bezug auf den Zugang zu Abtreibung, Geburtenkontrolle und IVF (In-Vitro-Fertilisation: künstliche Befruchtung) mehr vertraut wird.
"Die amerikanischen Wähler:innen wollen, dass Abtreibung legal ist. Das gilt für die roten Bundesstaaten, das gilt für das ganze Land", sagte die Abtreibungsrechtlerin und Autorin Jessica Valenti im Gespräch bei "The Daily Show".
Und auch die Auswertung verschiedener Statistiken zur Einstellung von Republikanerinnen zum Thema Abtreibung zeigen, dass einige nicht überzeugt vom Verbot sind. Eine KFF-Umfrage, die im Mai und Juni unter republikanischen Frauen durchgeführt wurde, ergab, dass sich 40 Prozent als Befürworterinnen der Abtreibung bezeichnen.
79 Prozent befürworten Gesetze, die Abtreibungen in medizinischen Notfällen schützen. 69 Prozent unterstützen Bundesgesetze, die Abtreibungen im Falle von Vergewaltigung oder Inzest schützen. Und nur 13 Prozent wollen, dass der Eingriff in allen Fällen illegal ist.
Im aktuellen Wahlkampf nutzt Trump die Nominierung der drei konservativen Richter:innen während seiner letzten Amtszeit für sich. Denn gegenüber seiner erzkonservativen Wählerschaft ist das ein Argument dafür, dass er maßgeblich zum Abtreibungsverbot beigetragen hat.
Ganz auf die Forderungen der Erzkonservativen geht er jedoch nicht ein: Er bestreitet bislang, sich für ein landesweites Abtreibungsverbot einzusetzen. Das könnte im Sinne von weniger streng konservativen Wähler:innen sein, die Trump dadurch als wählbar erachten.
Die amerikanische Organisation "Reproductive Freedom for All" fasst die wichtigsten Punkte von Donald Trumps konservativem Plan "Project 2025" in Bezug auf Abtreibung zusammen. Das Dokument ist mehr als 900 Seiten lang und soll laut der Organisation von mindestens 140 Mitarbeitenden aus Trumps Administration zusammengestellt worden sein.
In diesem Plan geht es unter anderem um folgende Punkte:
Harris wurde das Gesicht der Abtreibungsrechte für die Biden-Administration. Und sie war wohl die erste amtierende Vizepräsidentin, die während dieser Administration eine Abtreibungsklinik besucht hat. Ihre Position zum Thema Abtreibung beinhaltet Folgendes:
Darüber hinaus macht sie deutlich, dass sie nachvollziehen könne, dass Menschen gegen Abtreibung sind. Ihr sei jedoch wichtig, dass jede Person das für sich selbst entscheiden kann und nicht Politiker:innen diese Entscheidung für alle treffen.