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AfD ist rechtsextremistisch: Folgen der Verfassungsschutz-Entscheidung

ARCHIV - 12.03.2025, Berlin: Alice Weidel, Bundes- und Fraktionsvorsitzende der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, geben eine Pressekonferenz. (zu dpa:  ...
Tino Chrupalla und Alice Weidel stellten in einer Mitteilung klar, was sie von der Entscheidung halten.Bild: dpa / Kay Nietfeld
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AfD offiziell als rechtsextrem eingestuft – was die Entscheidung bedeutet

Der Verfassungsschutz geht einen entscheidenden Schritt: Die AfD gilt nun offiziell als gesichert rechtsextremistisch. Was bedeutet das für die Partei, ihre Wähler – und den Staat? Ein Überblick über die rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Folgen.
02.05.2025, 15:1302.05.2025, 15:13
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Der Verfassungsschutz stuft die AfD jetzt als gesichert rechtsextremistisch ein – ein Schritt, der für die deutsche Parteienlandschaft von historischer Bedeutung ist. Die Entscheidung trifft die Partei in einer Phase politischer Stärke: Bei der Bundestagswahl wurde sie zweitstärkste Kraft, in Umfragen lag sie zeitweise fast gleichauf mit der Union.

Doch was bedeutet die neue Bewertung konkret – für die AfD, ihre Mitglieder und den demokratischen Rechtsstaat? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Auf welcher Grundlage fällt so eine Entscheidung?

Der Verfassungsschutz ist als ein Element der wehrhaften Demokratie nicht nur für Spionageabwehr und die Aufklärung terroristischer Bestrebungen verantwortlich. Er soll auch eine Art Frühwarnsystem sein – das heißt, Gruppierungen rechtzeitig zu erkennen und benennen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Dabei geht es um die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip.

Außerdem wird betrachtet, welche Kontakte zu anderen extremistischen Gruppierungen bestehen. Wie aus einer Mitteilung des Bundesamtes hervorgeht, stützt sich der Verfassungsschutz in seiner Neubewertung der AfD vor allem auf Äußerungen und Positionen, bei denen es um die Verletzung der Menschenwürde geht – etwa durch die Abwertung von Muslimen oder pauschal verwendete Begriffe wie "Messermigranten".

Muss die Partei mit einem Verbot rechnen?

Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.

Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci rät, schon jetzt weitere Vorbereitungen für ein Verbotsverfahren zu treffen, "für den Zeitpunkt, wenn alle Klagen abgewiesen sind".

Der frühere CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz hatte in der zurückliegenden Wahlperiode einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag initiiert, dem sich mehr als 120 Parlamentarier:innen anschlossen. Sie wollten erreichen, dass der Bundestag beim Bundesverfassungsgericht ein Parteienverbot beantragt. Doch dazu kam es nicht.

Was steht in dem Gutachten?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat vor der Entscheidung ein rund 1110 Seiten starkes Gutachten zu der Partei erstellt. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt. Es listet unter anderem Äußerungen auf, die der Verfassungschutz als "fortlaufende Agitation" gegen Geflüchtete und Migranten wertet. Entsprechende Äußerungen von AfD-Politikern finden sich nicht nur in interner Kommunikation, sondern auch in Reden und sozialen Medien. Sie reichen von Slogans wie "Abschieben schafft Wohnraum!" bis zu Sätzen wie "Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel."

Wer bekommt das Gutachten zu sehen?

Das Bundesinnenministerium hat es erhalten, außerdem die Verfassungsschützer in den Ländern. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen. Ein früheres Gutachten, das der Verfassungsschutz vor der Einstufung als "Verdachtsfall" erstellt hatte, war allerdings von dem Online-Medium netzpolitik.org veröffentlicht worden.

Bald kein Geld mehr für die AfD vom Staat?

Zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische Partei NPD, die sich 2023 in "Die Heimat" umbenannt hat, scheiterten: das erste Mal, im Jahr 2003, weil sich herausstellte, dass der NPD-Führungsriege mehrere Informanten des Verfassungsschutzes – sogenannte V-Leute - angehörten.

Das zweite Mal, im Jahr 2017, urteilte das Bundesverfassungsgericht, die NPD sei zwar eindeutig verfassungsfeindlich, politisch aber mittlerweile bedeutungslos. Im Januar 2024 gab das Bundesverfassungsgericht allerdings einem Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung statt, der Partei "Die Heimat" den Zugang zu weiteren staatlichen finanziellen Mitteln zu verwehren, durch den Ausschluss von der Parteienfinanzierung.

Seit einer Grundgesetzänderung von 2017 kann "Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden", die staatliche Finanzierung aus Steuergeldern gestrichen werden.

AfD: Neue juristische Auseinandersetzungen?

Wahrscheinlich ist, dass die AfD – wie bei früheren Einstufungen durch den Verfassungsschutz – auch diesmal wieder dagegen klagen wird. Die Gerichte müssen dann prüfen, ob und in welchem Maße die Partei gegen die Grundprinzipien der Verfassung verstößt. Zuständig wäre zunächst das Verwaltungsgericht Köln. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla haben angekündigt, die Partei wolle sich "weiter juristisch zur Wehr setzen".

Wird das der AfD politisch schaden?

Das wird sich zeigen. In drei ostdeutschen Ländern, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, galt der jeweilige Landesverband bereits als gesichert rechtsextremistisch. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl hat das der Partei dort nicht geschadet. In westlichen Bundesländern mag das anders aussehen.

Die AfD hatte in Wahlumfragen in den vergangenen Wochen zugelegt und war an die Werte der CDU/CSU herangerückt, teils auch darüber hinaus. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die Union (27 Prozent) hingegen wieder mit deutlichem Abstand vor der AfD (23 Prozent). Bei der Bundestagswahl am 23. Februar war die AfD mit 20,8 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet.

Wie groß die Zustimmung für die Partei künftig sein wird, dürfte wahrscheinlich wesentlich auch davon abhängen, ob die neue schwarz-rote Koalition wie angekündigt positive Impulse für die deutsche Wirtschaft setzen, die Zahl der unerlaubten Einreisen reduzieren und dafür sorgen kann, dass Wohnen, Energie und Lebensmittel für alle bezahlbar sind.

Sollte das Gutachten nicht schon 2024 kommen?

Ja. Der frühere BfV-Präsident, Thomas Haldenwang, wollte das aktuelle Gutachten zur AfD eigentlich schon im vergangenen Jahr fertigstellen. Durch die vorgezogene Bundestagswahl und Haldenwangs Ausscheiden im Dezember änderte sich der Zeitplan jedoch. Derzeit führen die Vizepräsidenten Sinan Selen und Silke Willems den Inlandsdienst.

Viel war zuletzt darüber spekuliert worden, ob das Gutachten womöglich zurückgehalten wurde, um einen politisch günstigen Zeitpunkt für die Neubewertung zu wählen. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte auf Nachfrage, es habe das Ministerium am 28. April erreicht.

Was bedeutet die Entscheidung für einzelne AfD-Mitglieder?

Eine Mitgliedschaft in einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei kann Zweifel an der Verfassungstreue begründen. Allerdings ist die Mitgliedschaft allein noch nicht ausreichend für dienstrechtliche Konsequenzen bei Beamten, sondern der Einzelfall wird betrachtet.

Das Gleiche gilt für den Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis bei Jägern und Schützen. "Auf die Einstufung der AfD sollte etwa folgen, dass der Staat disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Beamte ergreift, die für die Partei eintreten", sagt Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte.

(dpa)

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