Als wäre das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl nicht schon genug, bebt es nun auch in Deutschland. Wobei man eher sagen könnte: Die Ampel fällt mit einem lauten Knall auseinander.
Bei einem Krisengipfel am Mittwoch kam es nach langem Hin und Her zu einem dramatischen Showdown: Nachdem Finanzminister Christian Lindner (FDP) Neuwahlen vorgeschlagen hatte, reagierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drastisch. Er hat Lindner kurzerhand entlassen. Jörg Kukies wird sein Nachfolger.
Und: Scholz will die Vertrauensfrage stellen. Die FDP zieht alle Minister:innen künftig das Dreierbündnis der Koalition, nur Wissing will bleiben. Die zerstrittene Ampel ist am Ende.
Doch wie geht es jetzt weiter? Watson liefert die wichtigsten Fragen und Antworten zum Ampel-Beben.
Es brodelt schon lange, am Mittwoch lief das Fass offenbar über. Scholz hatte am Morgen und am Nachmittag bereits Dreier-Gespräche mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck geführt. Seit Montag gab es bereits vier solcher Krisentreffen.
Doch die Kluft zwischen den Parteien war offenbar zu groß. Sie konnten sich nicht zu einer gemeinsamen Linie in Sachen Finanz- und Wirtschaftspolitik einigen. Scholz kündigte im Anschluss an die Gespräche in einer Pressekonferenz in Berlin an, die Vertrauensfrage zu stellen.
"Ich sehe mich zu dem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden", sagte er und schob Finanzminister Lindner die Schuld dafür zu. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar 2025 abstimmen, sagte der SPD-Politiker.
Offiziell sollte es beim Treffen der Partei- und Fraktionsspitzen im Kanzleramt am Mittwoch darum gehen, endlich in der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Doch war bereits vorher klar, dass es auch um die Zukunft der Ampel-Regierung gehen würde.
Bei den Gesprächen kam es schließlich zum Showdown. Bundeskanzlerkanzler Olaf Scholz entlässt Finanzminister Christian Lindner, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit der Deutschen Presse-Agentur am Abend mitteilte.
Zuvor hatte Lindner eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen. Die Gespräche hätten gezeigt, wie groß die Kluft zwischen den Parteien sei. Es gebe keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mehr. So zitieren Teilnehmer:innen den Finanzminister.
Scholz soll von Lindner gefordert haben, die Schuldenbremse aufzuweichen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Da Lindner dies ablehnte, folgte die Entlassung und schließlich die Ankündigung der Vertrauensfrage.
Als Reaktion auf die Geschehnisse am Mittwoch zieht die FDP all ihre Minister:innen aus der Bundesregierung zurück. Das kündigte Fraktionschef Christian Dürr am späten Mittwochabend in Berlin an. Damit beendet die FDP das Dreierbündnis der Ampel-Koalition.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing aber bricht nach dem Ende der Ampel-Koalition mit seiner FDP: Er tritt aus der Partei aus und wird sein Ministeramt weiterführen. Er sagte am Donnerstagmorgen in Berlin. "Ich möchte mir selbst treu bleiben." Später wurde bekannt, dass er auch das Amt des Jusizministers übernimmt.
Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Christian Lindner einen Schuldigen für die aktuelle Lage gefunden. Er sagte zu Lindners Blockade: "Ein solches Verhalten will ich unserem Land nicht mehr zumuten." Wer sich in einer solchen Lage einem Kompromissangebot verweigere, handele verantwortungslos. Lindner habe zu oft sein Vertrauen gebrochen.
"Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die die Kraft hat, die nötigen Entscheidungen für unser Land zu treffen." Dies ist nun aus seiner Sicht nicht mehr gegeben. Deshalb die Vertrauensfrage.
Christian Lindner seinerseits feuerte zurück und gab Scholz die Schuld an der Misere: Er "hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen", sagte der von Scholz entlassene Bundesfinanzminister am Mittwochabend in Berlin. Linder warf dem Kanzler vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen "kalkulierten Bruch dieser Koalition" herbeigeführt zu haben.
Habeck sagte zum Regierungsbeben: "Es fühlt sich falsch und nicht richtig an, gerade zu tragisch. Weil wir nicht zusammenkamen, hat der Kanzler Lindner entlassen: Das ist so folgerichtig wie unnötig." Aber: Man wolle weiter daran arbeiten, dass die Zukunft gestaltet werden kann und nichts ist, wovor man Angst haben müsse.
Schon seit Wochen wird ein mögliches Ampel-Aus diskutiert. Das Grundgesetz sieht vor, dass der Kanzler durch die Vertrauensfrage überprüfen kann, ob er noch die nötige Unterstützung der Abgeordneten hat.
Das will Scholz nun tun. Am 15. Januar soll darüber abgestimmt werden.
Falls die Mehrheit im Parlament ihm das Vertrauen entzieht, und das ist wahrscheinlich, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Vorschlag des Kanzlers den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen. Danach gibt es eine Frist von 60 Tagen für eine Neuwahl.
Neuwahlen könnten demnach bis spätestens Ende März stattfinden.
Scholz will noch bis Jahresende dringende Gesetze zur Abstimmung im Bundestag stellen. Er nannte etwa den Abbau der sogenannten kalten Progression. Damit hätten die Bürger:innen mehr Netto vom Brutto. Auch die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie sind geplant.
Allerdings werden Stimmen laut, die von Scholz eine frühere Vertrauensfrage stellen. Die Unionsfraktion fordert, dass dies spätestens in der kommenden Woche geschehen sollte. Die Ampel-Koalition sei "gescheitert", und damit sei die Legislaturperiode zu Ende, sagte Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag nach einer Fraktionssitzung in Berlin. Merz schlug Neuwahlen für den Bundestag in der zweiten Januarhälfte vor.
Scholz trifft sich heute Mittag mit dem Oppositionsführer Merz im Kanzleramt, um über das weitere Vorgehen bis zu einer Neuwahl zu beraten. Noch am Vormittag machte Scholz klar, dass er bei dem bisherigen Termin für die Vertrauensfrage bleiben will.