Deutschland hat den bisher größten Einsatz der Bundespolizei gegen Menschenhandel im Rotlichtmilieu erlebt. Die Branche steht vor einem gewaltigen Umbruch.
Der bisher größte Einsatz der Bundespolizei im Rotlichtmilieu wirft ein Schlaglicht auf Bedingungen im ältesten Gewerbe der Welt: Wie sieht Prostitution in Deutschland heute aus? Und welcher Umbruch steht im ältesten Gewerbe der Welt?
Mehrere Hundert Transsexuelle und Frauen aus Thailand sollen von einem Rotlicht-Ring ausgebeutet worden sein, an 62 Orten wurde am Mittwoch durchsucht.
Die Thailänder wussten den Ermittlungen zufolge, wofür sie nach Deutschland kamen – aber nicht, dass sie dann fast wie Sklaven arbeiten sollten. Alle 82 angetroffenen Opfer haben den Angaben zufolge Zugang zu psychosozialer Betreuung.
Eine Frau und ihr Mann, die in Siegen drei Betriebe führen, gelten als Hauptbeschuldigte, während der Kern der Bande 17 Leute umfassen soll.
Asiatische Männer als Opfer von Menschenhandel im Rotlichtbereich spielen zumindest im Lagebild 2016 des BKA eine verschwindend kleine Rolle.
"Es ist auch immer eine Frage, welcher Ring gerade aufgedeckt wird", sagt Simone Wiegratz, Leiterin der Beratungsstelle Hydra in Berlin. "Es gab auch schon Razzien, um Chinesinnen aus der Prostitution zu holen."
Den BKA-Zahlen zufolge machen Deutsche mit 26 Prozent die größte Gruppe unter erfassten Opfern aus. Das liegt aber auch daran, dass Deutsche geringere Hürden haben, auszupacken.
Die Zahl von Prostituierten in Deutschland wird seit Jahren auf 400.000 geschätzt, deutlich mehr als in jedem anderen europäischen Land.
Kaum eine der Sex-Arbeiterinnen arbeitet wirklich völlig selbstbestimmt, sagt Wiegratz.
Es lasse sich aber nicht sagen, wie viele in dem Gewerbe hohe Abgaben zahlen müssen an den eigenen Partner, Familienmitglieder oder Geschäftemacher im Rotlichtmillieu.
"Es gibt den Graubereich, von 5 bis 50 Prozent ist alles möglich. Und wenn Menschen auf freiwilliger Basis andere Menschen so ernähren, können Sie nichts machen." Durch das Prostituiertenschutzgesetz werde sich künftig ein ganz anderes Lagebild ergeben. Das Gesetz gilt seit Juli 2017, die Umsetzung lässt aber zum Teil noch auf sich warten.
Kaum, sagt Wiegratz, "er sollte aber die Frage an sich selbst stellen, wie sein Menschenbild und wie respektvoll seine Haltung und sein Umgang mit dem Gegenüber ist".
Betreiber müssen das in Betriebskonzepten darlegen. Prostituierte brauchen mit dem Gesetz auch einen Ausweis – den dürfen Kunden aber nicht verlangen. "Erpressungspotenzial dadurch gibt es trotzdem", fürchtet Wiegratz.
Die zuständigen lokalen Behörden sollen bei der Anmeldung auch über die gesetzlichen Rechte der Betroffenen aufklären.
Das nötige Dokument sollen sie erst gar nicht ausstellen, wenn sie Anzeichen von Zwang und Gewalt entdecken. Dann sollen auch andere Stellen hinzugezogen werden. Trotzdem kein probates Mittel gegen Ausbeutung, glaubt Wiegratz: "Da, wo Organisationen am Werk sind, werden die die Frauen schon zur Anmeldung bringen und den Frauen schon vermitteln, was sie zu sagen haben."
Und wie später die Kontrollen in den Betrieben aussehen werden, sei auch noch völlig offen und werde regional sehr unterschiedlich sein.
Davon geht die Leiterin der Beratungsstelle aus: In Berlin allein wurde bisher von 6000 bis 8000 Sex-Arbeitern ausgegangen – Anmeldungen soll es aber nur 1000 geben, sagt sie.
Viele Frauen und Männer im Sexgewerbe rechneten damit, dass sich die Konkurrenzsituation entschärfen wird. "Die, die sich ordnungsgemäß verhalten, gehen davon aus, wieder ordentliche Preise nehmen zu können."
Typisch an dem Fall aus Siegen ist, dass sich viele der Dienstleistungen in Wohnungen abspielten: Prostitution dort hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, der schwer zu kontrollierende Bereich machte laut BKA 2016 bei den Ermittlungsverfahren 55 Prozent aus.
Doch durch das Prostitutionsschutzgesetz ist die Konzession nötig, die wegen der Anforderungen im Gesetz für Wohnungen nur schwer zu haben sein wird
Es sei davon auszugehen, dass es künftig nur noch ein Fünftel oder Viertel der Adressen geben werde. Dafür würden Prostituierte aber vermehrt zu den Kunden gehen. "Es werden mehr Frauen einzeln arbeiten, das birgt auch gewisse Gefahren."
Dieser Artikel erschien zuerst auf t-online.de