Einer der größten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik ist zu Ende: Beate Zschäpe, mutmaßliches Mitglied der rechtsextremen und terroristischen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) ist vom Oberlandesgericht München wegen Mordes in zehn Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Einen Tag vor der Urteilsverkündung hatten Aktivisten der "Interventionistischen Linke" bei einer groß angelegten Aktion in ganz Deutschland Straßennamen nach den NSU-Opfern umbenannt.
In über 20 Städten wie Hamburg, Bremen, Berlin und München haben die Aktivisten Straßennamen umbenannt. Die Aktion, so die Botschaft, soll den Opfern gedenken.
watson hat mit Frank Gerber*, 33, Sprecher der Interventionistischen Linken über die Aktion gesprochen.
*Frank Gerber heißt nicht wirklich so, der Name sei für Pressegespräche, sagt er.
Ich würde sagen, man darf das. Man macht ja nichts damit kaputt. Das sind im Prinzip großformatige Aufkleber, die wir über die Schilder geklebt haben, die lassen sich auch wieder entfernen. Das sollte strafrechtlich kein Problem sein. Wir wollten vor Abschluss des NSU-Prozesses den Opfern noch einmal gedenken und den Fokus auf ihr Schicksal legen.
Zum Großteil sind das Straßen, bei denen die Umbenennung schon längst überfällig war, weil sie nach NS-Tätern benannt waren oder nach Leuten, die in der Kolonialzeit Dreck am Stecken hatten. Unsere Aktion war auch über das Gedenken hinaus die Aufforderung an die Städte, sich der Orte anzunehmen und nicht irgendwo Straßen nach Nazis zu benennen.
So etwas wie Adolf-Hitler-Straße gibt es ja in Deutschland glücklicherweise nicht mehr. Aber es gibt sehr viele Straßennamen, wo die Leute gar nicht wissen, dass das problematische Namen sind. In Hamburg zum Beispiel gibt es noch eine Hindenburgstraße. Das war jetzt kein Nazi-Verbrecher, aber seine Rolle in der Geschichte ist ja sehr umstritten. Und es gibt auch noch den Oehleckerring. Oehlecker war ein Mediziner aus der Nazi-Zeit, der da an einer Klinik mit Zwangsarbeitern geforscht hat, ganz üble Geschichten. Oder den Woermannsweg: Adolph Woermann hat in den Kolonial-Kriegen ganz viel Leid gestiftet.
Aber das ist alles erstmal zweitrangig. Uns geht es jetzt vor allem um das Gedenken an die Opfer und den Aufruf, dass man mit dem zu erwartenden Urteil keinen Schlussstrich ziehen darf.
Ich denke, es wird eine hohe Haftstrafe für die Angeklagten geben, darauf hoffe ich auch. Das Problem ist aber: Es wird so getan, als ob mit Ende des Prozesses alles geklärt sei. Aber es hat ja ein riesen Unterstützernetzwerk vom NSU gegeben. Und da liegt noch sehr viel im Unklaren. Vor allem muss auch die Rolle des Verfassungsschutzes aufgearbeitet werden. Weil da viele Verstrickungen stattgefunden haben. Da kann man jetzt nicht eben sagen: 'Ja, Zschäpe geht jetzt ins Gefängnis und damit ist das Problem gelöst.' Denn, Rechtsterrorismus hat es ja auch nach dem NSU noch weitergegeben.
Es gibt einige Presseberichte und auf Social Media sprechen Menschen darüber. Anfeindungen hat es bisher nicht gegeben. Aber Menschen reden darüber und es ist wichtig, dass im Gedächtnis bleibt, was wir gemacht haben. Vielleicht merken die Anwohner ja morgens, wenn sie aus den Häusern treten, dass ihre Straße umbenannt wurde. Und setzen sich dann damit auseinander. Wir haben auch nicht nur die Straßen umbenannt, sondern auch Infotafeln und Plakate dazu gehängt. So erkennt man auch, worum es bei alledem überhaupt geht. Auch für Leute, die vielleicht nicht so tief in dem Thema drin stecken.
Morgen und am Samstag gibt es Demonstrationen in vielen Städten. Wir hoffen, dass sich daran viele beteiligen, um den Druck aufrecht zu erhalten.
Ach, ich finde die Straßen könnten ruhig dauerhaft umbenannt bleiben. Das fände ich eigentlich ganz schön. Gerade auch an Tatorten, die wir uns bewusst zur Umbenennung ausgesucht haben. Da gab es zum Beispiel die Keupstraße in Köln, wo der Anschlag war und die Schützenstraße in Hamburg. Unsere Forderung wäre natürlich schon, dass die Straßen dauerhaft umbenannt werden. Also sagen wir mal so: Ich werde die jetzt sicher nicht wieder abknibbeln.