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Instagram: Für den perfekten Moment zerstören diese Touristen die Natur

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Bild: instagram/lauransheetsphotography
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Für den perfekten Instagram-Moment zerstören diese Touristen die Natur

30.05.2018, 12:29
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Yoga-Posen an spektakulären Felsschluchten und nackte Füße an spiegelglatten Seen – Instagramer finden die Inspiration zum nächsten Trip oft nicht mehr in Magazinen, sondern in ihrem Feed. Dann schmeißen sie sich ins Auto, um zu den fotogensten Orten der Welt zu pilgern.

Dieser durch Instagram getriggerte Tourismus ist inzwischen zu einem Business angewachsen – es gibt ganze Touren rund um das perfekte Smartphone-Foto.

Doch der Hype zieht auch Probleme nach sich. Oder, wie National Geographic es nennt, er "öffnet die Tür zu Überfüllung, Umweltzerstörung und gefährlichen Stunts".

Besonders deutlich wird das derzeit in den USA, wo die Nationalparks nicht mehr sicher sind, ob sie in den neuen Besuchern Fluch oder Segen sehen sollen.

Die Eintrittsgelder der Insta-Touristen nehmen sie gerne, schließlich finanzieren diese das notwendige Personal und ihre Umweltschutzmaßnahmen. Doch: Es gibt auch Schattenseiten.

Wir erklären die drei größten Probleme des Insta-Tourismus:

Problem 1: Der Insta-Hype ist schneller als die Naturschützer

Um die Natur zu erhalten, gibt es in Nationalparks gesicherte Pfade, Warnschilder und Absperrungen. 

Das Problem: Wenn ein Instagram-Foto erstmal viral geht, explodieren die Besucherzahlen an diesem Ort so schnell, dass die Gegend häufig schon zerstört ist, bevor die Verantwortlichen eingreifen können. 

Ein prominentes Beispiel ist das Devils Bathtub in Virginia, das früher nur etwa 30 Menschen im Monat anzog. Seit einem Instagrampost vor vier Jahren besuchen etwa 2000 Menschen monatlich den idyllischen Naturpool, so der US Forest Service.

In Windeseile mussten öffentliche Toiletten, Parkplätze, Müllentsorgung und gesicherte Pfade entstehen, um die Insta-Motivsucht der Touristen zu befriedigen. Das dauerte ungefähr ein Jahr. In der Zwischenzeit beschwerten sich Anwohner regelmäßig über gut 13 Säcke Müll pro Tag und Kolonnen an Autos, die durch die Stille brausten.

Selbst Verbote werden ignoriert

Schmerzhafte Erfahrungen musste auch der Glacier National Park in Montana machen. Der Park selbst postete ein Foto von einer Stelle, die gar nicht mehr betretbar war, weil sie schon so durch Besucher beschädigt wurde. 

Den Viewern war das egal. "Das Foto bekam tausende Likes und Kommentare wie ,Wow, wo ist das?', ,Ich will dahin!' und ,Wie komme ich dahin?', gefolgt von Tipps Anderer, wie man in diese geschlossenen Areale käme", schreibt Tony Bynum, der seit 15 Jahren am Nationalpark lebt und die Entwicklung auf seinem Blog kritisch betrachtet. 

"Paare Abenteuerlust mit einer Handykamera und Zugang zu sozialen Medien und du hast einen immer schnelleren Verfall unserer Nationalparks."
Blogger Tony Bynum

Absperrungen? Werden übertreten. Offizielle Wege verlassen. Alles nur für das eine, besondere Bild.

Problem 2: Für das perfekte Bild wird jedes Risiko eingegangen

Eigentlich selbsterklärend: Wer versucht, möglichst nah an ein Wildtier zu kommen, um ein spektakuläres Selfie zu ergattern, begibt sich in große Gefahr. 

Selfies mit Bisons, Selfies mit Bären – Touristen können von Glück reden, wenn sie dabei nicht angegriffen werden. Schlimmer noch: Einige füttern die Tiere sogar extra an, um sie besser fotografieren zu können.

Das macht die Tiere zutraulich und damit nicht nur gefährlich, sondern auch gefährdet. Immer wieder müssen US-Ranger Bären erschießen, weil sie den Touristen zu nahe kommen.

"Die Gäste ignorieren unsere Sicherheitshinweise."
US Forest Service

Am Lake Tahoe wurde 2014 schon überlegt, den gesamten Nationalpark zu sperren, weil Touristen mit ihren Kameras auf Bären zu rannten, sobald sie einen entdeckten. "Die Gäste ignorieren unsere Sicherheitshinweise und kommen den Bären zu nahe, nur um ein Foto oder Video zu machen", beschwerte sich der US Forest Service damals. 

Gefährliches Posieren

Ein zweites Problem ist das Posieren an steilen Felsklippen oder anderen spektakulären Orten. Bestes (aber nicht einziges) Beispiel dafür: der Grand Canyon in Nevada.

2016 kam eine 35-Jährige US-Amerikanerin um, als sie versuchte, ein Foto möglichst nahe am Abgrund des Grand Canyons zu machen. Auch ihr letztes Foto auf Instagram zeigt sie am Rand der Schlucht, den Blick in die Ferne gerichtet. 

Yoga am Grand Canyon

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Yoga am Grand Canyo
quelle: instagram
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Der Grand Canyon ist bis zu 1800 Meter tief. Einer von 400 000 Besuchern starb 2015 an diesem Ort. Die meisten, weil sie die Hitze im Canyon unterschätzen, viele aber auch, weil sie bei Fotoshootings und Sprüngen von Stein zu Stein in die Schlucht stürzen.

Problem 3: Geo-Tags schaden den schönsten Sehenswürdigkeiten

Würden alle Instagram-Touristen sich ihren eigenen Fotospot aussuchen, wären viele Probleme schon behoben. Doch leider wollen die meisten Menschen genau dasselbe Motiv wie ihr Vorbild noch einmal selbst posten. 

Das Übel, das es möglich macht: Der Geotag. 

Wenn Influencer ihr Bild mit einem Geotag versehen, geben Hunderte junge Menschen genau diese GPS-Koordinaten in ihr Auto ein, um exakt an diesem Ort zu fahren. Der Zusammenhang zwischen Influencer-Fotos und Besucherzahlen ist den Nationalparks bekannt. 

"Instagram treibt die Menschen zu den immer gleichen Orten."
Fotograf Matera zu Outside Online

Doch gerade die schönsten Orte sind häufig ökologisch fragil, abgeschieden und eben nicht für die Masse gemacht.

In vielen US-Parks werden die schönsten Spots so überstrapaziert. Das heißt: Wurzeln uralter Mammutbäume werden platt getreten (weswegen zum Beispiel im Sequoia-Park nicht mehr bekannt gegeben wird, welcher der Bäume tatsächlich der älteste ist) oder die grüne Umgebung hat nicht genug Zeit sich von Trampelpfaden zu erholen und stirbt ab. 

Der Denali National Park bat seine Besucher daher schon 2015 offiziell, ihre GPS-Daten nicht mehr zu veröffentlichen. 

20 Posts vom Schwabacher Landing

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20 Posts vom Schwabacher Landing
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Wie man sich richtig verhält

Auch den Nationalparks ist klar: Die meisten Besucher handeln nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissen. Viele der jungen Insta-Touristen sind nicht gut über die Verhaltensregeln in geschützter Natur informiert oder vergessen diese vor Begeisterung über das perfekte Foto.

Der Yellowstone Nationalpark hat sich an wichtige Natur-Influencer gewandt, die online einen Schwur abgaben, der sich auf die Regeln im Naturpark bezieht. Darunter auch: "Nimm sichere Selfies auf, indem du Tieren nicht zu nahe kommst."

Um keinen Schaden anzurichten, sollten ein paar Regeln immer befolgt werden, wenn man für Instagram auf der Jagd nach dem schönsten Motiv in freier Natur ist:

  • Halte dich an die offiziellen Regeln und Pfade. Sie dienen dem Schutz der Pflanzen und Tiere.
  • Komm Wildtieren nie zu nahe oder locke sie sogar noch an. Es ist für beide Seiten schädlich, wenn wilde Tiere die Scheu vor Menschen ablegen.
  • Wenn du einen außergewöhnlichen Fotospot gefunden hast, verkneife es dir, den Geo-Tag dazu anzugeben.
  • Und verkneife es dir, die Geo-Tags anderer zu nutzen, um genau dasselbe Foto noch einmal zu schießen. Außer es ist ein offizieller, zugänglicher Ort.
Und? Selbst schon mal für das perfekte Foto zum Natur-Zerstörer geworden?
Warum die Azoren längst mehr sind als ein Rentner-Paradies

Wandern, Thermalbäder, Whale Watching – wofür die Azoren bekannt sind, klingt für viele Menschen schwer nach Senior:innen-Programm. Seit Jahren taucht die portugiesische Inselkette im Atlantik in diversen Internet-Rankings auf, die sich an gefrustete Urlauber:innen richten. Wer sich fernab des Massentourismus erholen will, soll hier bestens aufgehoben sein.

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