Die Stunden des Triumphs finden auf einem staubigen Acker anstelle im Rheinischen Tagebaurevier statt. Die Sonne scheint. In der Ferne ist der uralte Hambacher Forst zu sehen.
Daneben blitzt der Krater des Braunkohletagebaus Hambach auf. Bis zu 50.000 Menschen sind am Samstag aus ganz Deutschland zum Protest von Umweltverbänden wie BUND und Greenpeace gekommen. "Das ist der größte Anti-Kohle-Protest, den es bisher gegeben hat", ruft eine junge Frau von einer Bühne begeistert in die Menge. Und aus dieser brandet der Ruf auf:
Es ist der bunte und fröhliche Abschluss dramatischer Wochen im Hambacher Forst:
Der junge Journalist, der von einer Hängebrücke aus großer Höhe abstürzte, ist nicht vergessen: In einer Schweigeminute am Samstag weicht die Festivalstimmung der Betroffenheit. Und sie weicht noch einmal der Empörung, dass Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) die Aktivisten gleich nach dem tödlichen Unglück aufforderte, von den Bäumen zu herunter zu kommen.
Auch sonst sind viele Demonstranten an diesem Samstag empört und wütend – vor allem auf die nordrhein-westfälische Landesregierung: Die 50-jährige Düsseldorferin Sandra Shebeika sagt:
Die Wut hat sie hergetrieben auf diesen Acker. Die Landesregierung hatte die Baumhäuser nicht für die Braunkohle räumen lassen, sondern erklärtermaßen aus Sicherheitsgründen.
"Ich hatte nicht gedacht, dass Politik von Geld so eingenommen werden kann", kritisiert eine 63-Jährige Düsseldorferin die schwarz-gelbe Landesregierung. Für ihre Enkelkinder sei sie jetzt hier, für sie will sie den Kohleausstieg. Zu dem Zeitpunkt sind noch Tausende Menschen zu Fuß auf dem Weg zu dem Acker – ein Gericht hatte ein Demonstrationsverbot der Polizei erst am Vortag gekippt.
Uwe Brustmeier läuft mit einem Pappschild um den Hals über das Gelände, mit einer handgeschriebenen Feststellung des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas:
Brustmeier kennt Menschen, die durch den fortschreibenden Tagebau Hambach vertrieben wurden, ihre Häuser verkaufen und ihre Dörfer verlassen mussten.
"Wenn man sieht, wie die Menschen ihre Heimat verlieren, fragt man sich, ob das mit dem Rechtsstaat vereinbar ist und das den Kapitalinteressen geschuldet ist", sagt er. Schon in den 70er Jahren hätte es mit der Kernkraft aus seiner Sicht eine Alternative zur Braunkohle gegeben, mit der Energiewende jetzt erst recht.
Die Polizei hält sich bei der Großdemo am Samstag zurück. Selten hat man die Polizisten in den Mannschaftswagen in den letzten Wochen so entspannt gesehen.
Gleichzeitig kündigt sich jedoch noch längst kein Ende von Protest und Waldbesetzungen an: Die Aktivistengruppe "Ende Gelände" ruft am Samstag bereits zum Bau neuer Baumhäuser im Hambacher Forst auf. Die Aktivisten teilen mit:
Tausende strömen nach der Demo vom Demonstrationsgelände in den Wald. Die Polizei bestätigt zunächst nicht, dass neue Baumhäuser gebaut wurden. "Aber es sind Tausende von Menschen im Wald", sagt eine Sprecherin. Den Wald zu betreten, sei seit Ende der Räumungsarbeiten nicht mehr verboten – wohl aber der Bau neuer Baumhäuser.
Etwa 100 Aktivisten dringen nach Angaben der Polizei auch in den Tagebau vor. Der Energiekonzern RWE hält daraufhin zu ihrem Schutz einen der riesigen Bagger an, die dort eingesetzt werden.
Auch wenn die Räumung beendet ist und auch wenn die Rodung des Waldes mindestens bis zum nächsten Jahr gestoppt ist – die kommenden Wochen im Hambacher Forst könnten wieder spannend werden.
(fh/dpa)