Politik
Deutschland

50.000 demonstrieren am Hambacher Forst

Mit Transparenten, Plakaten und Luftballons haben am Samstag (06.10.2018) mehrere Tausend Menschen am Hambacher Forst bei Koeln fuer mehr Klimaschutz und gegen Braunkohleabbau protestiert. Der Wald so ...
Die Demonstranten wollen den Ausstieg aus der Kohle.Bild: imago stock&people
Deutschland

50.000 demonstrieren am Hambacher Forst – Aktivisten wollen neue Baumhäuser bauen

06.10.2018, 17:3706.10.2018, 17:40
Mehr «Politik»

Die Stunden des Triumphs finden auf einem staubigen Acker anstelle im Rheinischen Tagebaurevier statt. Die Sonne scheint. In der Ferne ist der uralte Hambacher Forst zu sehen.

Daneben blitzt der Krater des Braunkohletagebaus Hambach auf. Bis zu 50.000 Menschen sind am Samstag aus ganz Deutschland zum Protest von Umweltverbänden wie BUND und Greenpeace gekommen. "Das ist der größte Anti-Kohle-Protest, den es bisher gegeben hat", ruft eine junge Frau von einer Bühne begeistert in die Menge. Und aus dieser brandet der Ruf auf: 

"Hambi bliebt, Hambi bleibt, Hambi bleibt!"
Mit Transparenten, Plakaten und Luftballons haben am Samstag (06.10.2018) mehrere Tausend Menschen am Hambacher Forst bei Koeln fuer mehr Klimaschutz und gegen Braunkohleabbau protestiert. Der Wald so ...
Bild: imago stock&people

Es ist der bunte und fröhliche Abschluss dramatischer Wochen im Hambacher Forst:

  • Am Freitag zuletzt die überraschende Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass der Energiekonzern RWE in dem uralten Wald vorerst keine weiteren Bäume abholzen darf – bis zur Gerichtsentscheidung über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND).
  • Davor die wochenlange Räumung von Baumhäusern junger Waldbesetzer, mit einem Großaufgebot der Polizei: Beamte mit Helmen und Schutzschilden. Und einem Toten.

Der junge Journalist, der von einer Hängebrücke aus großer Höhe abstürzte, ist nicht vergessen: In einer Schweigeminute am Samstag weicht die Festivalstimmung der Betroffenheit. Und sie weicht noch einmal der Empörung, dass Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) die Aktivisten gleich nach dem tödlichen Unglück aufforderte, von den Bäumen zu herunter zu kommen.

Nach diesem Video wird gegen RWE-Sicherheitsleute im Wald ermittelt:

Wut und Empörung treiben die Menschen zur Demo

Auch sonst sind viele Demonstranten an diesem Samstag empört und wütend – vor allem auf die nordrhein-westfälische Landesregierung: Die 50-jährige Düsseldorferin Sandra Shebeika sagt:

"Dass Baurecht für die Räumung missbraucht wurde, das war für mich eine Machtdemonstration. Das hat mich wütend gemacht"

Die Wut hat sie hergetrieben auf diesen Acker. Die Landesregierung hatte die Baumhäuser nicht für die Braunkohle räumen lassen, sondern erklärtermaßen aus Sicherheitsgründen.

Mit Transparenten, Plakaten und Luftballons haben am Samstag (06.10.2018) mehrere Tausend Menschen am Hambacher Forst bei Koeln fuer mehr Klimaschutz und gegen Braunkohleabbau protestiert. Der Wald so ...
Bild: imago stock&people

"Ich hatte nicht gedacht, dass Politik von Geld so eingenommen werden kann", kritisiert eine 63-Jährige Düsseldorferin die schwarz-gelbe Landesregierung. Für ihre Enkelkinder sei sie jetzt hier, für sie will sie den Kohleausstieg. Zu dem Zeitpunkt sind noch Tausende Menschen zu Fuß auf dem Weg zu dem Acker – ein Gericht hatte ein Demonstrationsverbot der Polizei erst am Vortag gekippt.

Uwe Brustmeier läuft mit einem Pappschild um den Hals über das Gelände, mit einer handgeschriebenen Feststellung des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas:

"Der Rechtsstaat braucht des Bürgers Misstrauen."

Brustmeier kennt Menschen, die durch den fortschreibenden Tagebau Hambach vertrieben wurden, ihre Häuser verkaufen und ihre Dörfer verlassen mussten.

"Wenn man sieht, wie die Menschen ihre Heimat verlieren, fragt man sich, ob das mit dem Rechtsstaat vereinbar ist und das den Kapitalinteressen geschuldet ist", sagt er. Schon in den 70er Jahren hätte es mit der Kernkraft aus seiner Sicht eine Alternative zur Braunkohle gegeben, mit der Energiewende jetzt erst recht.

A girl stands next to the self-made excavator during the protest for the preservation of the ancient forest "Hambacher Forst" where German utility and power supplier RWE says it would lose a ...
Bild: reuters

Aktivisten wollen neue Baumhäuser bauen

Die Polizei hält sich bei der Großdemo am Samstag zurück. Selten hat man die Polizisten in den Mannschaftswagen in den letzten Wochen so entspannt gesehen.

Gleichzeitig kündigt sich jedoch noch längst kein Ende von Protest und Waldbesetzungen an: Die Aktivistengruppe "Ende Gelände" ruft am Samstag bereits zum Bau neuer Baumhäuser im Hambacher Forst auf. Die Aktivisten teilen mit:

"Ende Gelände freut sich über neue Baumhäuser und andere Besetzungs-Strukturen, die heute entstehen."

Tausende strömen nach der Demo vom Demonstrationsgelände in den Wald. Die Polizei bestätigt zunächst nicht, dass neue Baumhäuser gebaut wurden. "Aber es sind Tausende von Menschen im Wald", sagt eine Sprecherin. Den Wald zu betreten, sei seit Ende der Räumungsarbeiten nicht mehr verboten – wohl aber der Bau neuer Baumhäuser. 

Etwa 100 Aktivisten dringen nach Angaben der Polizei auch in den Tagebau vor. Der Energiekonzern RWE hält daraufhin zu ihrem Schutz einen der riesigen Bagger an, die dort eingesetzt werden.

An aerial view of excavators in Hambach open-cast mine with RWE's brown coal power plant of Niederaussem in the backgroud, near the western German town of Kerpen-Buir west of Cologne, Germany, Oc ...
Die Riesen-Bagger im Braunkohle-Tagebau.Bild: reuters

Auch wenn die Räumung beendet ist und auch wenn die Rodung des Waldes mindestens bis zum nächsten Jahr gestoppt ist – die kommenden Wochen im Hambacher Forst könnten wieder spannend werden.

(fh/dpa)

Die Räumung des Hambacher Forsts in Bildern:

1 / 48
Die Räumung des Hambacher Forsts
quelle: michael trammer/imago stock&people / michael trammer/imago stock&people
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Anne Applebaum: "Olaf Scholz hat die russische Gefahr nicht vollständig erkannt"
Die Historikerin Anne Applebaum ist eine ausgewiesene Russland- und Ukraine-Expertin. Im Interview erklärt sie, weshalb Wladimir Putin den Krieg eskaliert, sie den Deutschen dankbar ist und Donald Trump in Moskau mit Michail Gorbatschow verglichen wird.

Die Ukraine darf weitreichende Raketen einsetzen, um Ziele in Russland anzugreifen. Wie bewerten Sie das?

Zur Story