Mit ordentlich Verspätung haben sich Wladimir Putin und Donald Trump in Helsinki getroffen. Kurz vor 16 Uhr war das Vier-Augen-Gespräch beendet. "Ein guter Anfang", befand US-Präsident Trump.
Es hatte keine 20 Minuten gedauert, bis sie zu einem ersten Pressestatement des Tages baten.
Und auch die ging schnell. Putin betonte, dass der Kontakt ins Weiße Haus eigentlich nie abgerissen sei. "Jetzt ist es an der Zeit, einmal gründlich miteinander zu sprechen", sagte Putin.
Trump selbst gratulierte erst einmal ausführlich zu einer gelungenen WM, um dann recht überraschend zu betonen. "Die Welt sieht uns zu, Russland und die USA stellen 90 Prozent der nuklearen Kapazitäten. Das ist nichts Gutes, sondern etwas Schlechtes". Vielleicht könne man etwas tun, um das in positive Bahnen zu lenken.
Kurz nach diesen Worten war die Pressekonferenz vorbei, das Licht ging sogar schon aus, während die beiden Staatsoberhäupter noch im Raum saßen.
"Unsere Beziehungen mit Russland waren NIEMALS schlechter wegen der vielen Jahre der Torheit und Dummheit der USA", schrieb Trump am Montag auf Twitter. Zudem sei die "Hexenjagd" von FBI-Sonderermittler Robert Mueller verantwortlich für die schlechten Beziehungen.
Der Ort ist symbolisch: Helsinki, wo die Vertreter von 35 Staaten des Westens und des Ostblocks 1975 die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) unterzeichneten. Die KSZE bildete eine Brücke zwischen West und Ost und trug damit zur Entspannung zwischen den verfeindeten Blöcken im Kalten Krieg bei. Sie war Vorläufer der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Der Gipfel fällt in eine Zeit, in der das Verhältnis zwischen den USA und Russland so schlecht ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Vorhersagen über den Ausgang des Treffens sind praktisch unmöglich. Russische Medien betonten am Gipfeltag, dass Putin Vorschläge für mehr wirtschaftliche Kooperation mitbringe.
Sowohl Trump als auch Putin haben sich in kriegerischer Rhetorik über ihr jeweiliges Atomwaffen-Arsenal geäußert und damit Sorgen vor einem neuen atomaren Wettrüsten geschürt. Ein solcher Rüstungswettlauf wäre gefährlich und teuer für beide Seiten. Sollten Trump und Putin eine Vereinbarung finden, die das Thema in irgendeiner Form einhegt, wäre dies ein Gewinn für beide Länder.
Fortschritte im Ringen um eine Verlängerung des neuen Start-Abrüstungsvertrages von 2010, der 2021 ausläuft, wären ein substanzieller Erfolg. Am Freitag bezeichnete Trump die Atomwaffen als "das größte Problem in der Welt". Konkrete Vorschläge machte er aber nicht.
Putin bemüht sich darum, dass US-Sanktionen gelockert werden. Mit einem Gesetz stellte der Kongress 2017 sicher, dass Trump die meisten Strafmaßnahmen nur mit Zustimmung der Parlamentarier lockern kann. Einige Erleichterungen kann er jedoch ohne Genehmigung des Kongresses verkünden.
Trump könnte auch ein Signal senden, wonach die US-Regierung nicht plant, die Liste sanktionierter russischer Firmen und Personen zu erweitern. Dies würde internationale Investitionen in Russland erleichtern, die die Regierung in Moskau dringend benötigt.
Das mit den USA verbündete Israel befürchtet, dass iranische und vom Iran unterstützte Kämpfer nach dem Ende des syrischen Bürgerkrieges im Grenzgebiet zu Israel zurückbleiben. Trump könnte Putin bitten, seinen Einfluss einzusetzen, um die iranische Präsenz in Syrien zu reduzieren.
Für Putin würde dies Gefahren bergen: Er würde damit einen Bruch mit dem Verbündeten Iran riskieren – und dass russische Truppen den Löwenanteil der restlichen Kämpfe in Syrien stemmen müssen.
Die diplomatischen Vertretungen der USA und Russlands im jeweils anderen Land sind ausgezehrt nach zwei Runden von Diplomaten-Ausweisungen in den vergangenen beiden Jahren. Zunächst ging es um die Vorwürfe der Einmischung Russlands in die US-Präsidentenwahl 2016, später dann um die Vergiftung des früheren russischen Agenten Sergej Skripal in Großbritannien. In Helsinki könnten sich Trump und Putin darauf verständigen, die Botschaften wieder voll zu besetzen.
Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 hat die Nato die Zahl der Manöver in Osteuropa stark erhöht, was die Führung in Moskau erzürnt. Sollte Trump sich bereiterklären, die Zahl der Militärübungen zurückzufahren, wäre dies ein großer Erfolg für Putin.
In Nato-Kreisen hieß es, man sei auf ein Katastrophen-Szenario vorbereitet, nach dem Trump als Geste an Putin ein Einfrieren der US-Manöver oder den Abzug aus dem Baltikum verkünden könnte.
Die USA haben die Ukraine im Konflikt mit Russland mit Militärhilfe im Wert von Hunderten Millionen Dollar unterstützt. Für Putin wäre es ein Triumph, sollte er Trump überzeugen, die Militärhilfe zu stoppen. Im Gegenzug könnte Putin Zugeständnisse mit Blick auf einen Blauhelmeinsatz in der von prorussischen Separatisten kontrollierte Ostukraine machen. Was die annektierte Halbinsel Krim angeht, so gilt ein Entgegenkommen Putins indes als ausgeschlossen.
Trump kündigte bei seinem Besuch in Großbritannien an, er werde mit Putin auch über den Vorwurf der Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 sprechen. Besondere Brisanz bekommt das Thema, nachdem eine Grand Jury am Freitag Anklage gegen zwölf Angehörige des russischen Militärnachrichtendienstes erhob.
Die Geschworenen werfen den Spionen Verschwörung vor mit dem Ziel, den Wahlkampf zu beeinflussen. Sie hätten sich in die Computer-Netzwerke des Wahlkampfkomitees der Demokratischen Partei und der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton eingehackt und Informationen über das Internet verbreitet. Die russische Seite hat jede Einflussnahme auf die Wahl bestritten.
(sg/czn/reuters)