Paul Ziemiak hat uns besucht. Und wir hatten jede Menge Fragen: Wie kommt man eigentlich zur Jungen Union, was war da mit Özil los und was zur Hölle machen Söder und Co. da eigentlich auf Instagram?
Das watson-Interview:
Das ist Paul Ziemiak von der JU:
Bild: Ulrich Baumgarten / dpa
watson: Herr Ziemiak, mit 13 (!)
in die Junge Union. Was war da los? Paul Ziemiak: Sie meinen wohl eher: Was ist schiefgelaufen! Man
darf sich das nicht so vorstellen, wie bei Erwachsenen, die sich irgendwann mit
Mitte 40 für eine Partei entscheiden und sich lange vorher damit beschäftigt
haben. Ich habe mich damals eingesetzt für die Gründung eines Kinder- und
Jugendparlaments. Die Junge Union war sehr aktiv bei der Schaffung eines Sammeltaxis
bei uns zuhause. Und ich habe mich in der Schule – ich war Klassensprecher, später
Schülersprecher, wie das so ist – angefangen für Politik zu interessieren. Ich
wollte mich einsetzen. Aber damals war das natürlich eher Hobby als harte Politik.
Die Frage ist ja: Wie
politisch kann man mit 13 sein? Da ging es nicht um Außenpolitik, nicht in erster Linie um Bundespolitik.
Ich bin aktiv geworden, weil mich interessiert hat: Was kann man für die Schule
machen, was passiert für junge Leute in meiner Heimatstadt. Das war eher
kommunal geprägt. Und ich glaube, dass auch heute auf dieser Ebene viele
Jugendliche sehr politisch sind.
Paul Ziemiak ist...
32, wird als Pawel im polnischen Stettin geboren, kommt mit drei Jahren als Spätaussiedler nach Deutschland. Mit 13 Jahren tritt er in die Junge Union, mit 16 in die CDU ein. Seit 2014 ist er Vorsitzender der JU, seit 2017 sitzt er im Deutschen Bundestag.
Sie sind 32 und machen
seit fast 20 Jahren Politik. Nun hat der JU-Vorsitz ein natürliches Ende.
Wollen Sie nicht nochmal was Richtiges machen? Bevor ich in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, habe ich
vier Jahre in einem Unternehmen gearbeitet. Gerade erlebe ich gemeinsam mit
meiner Frau wie man Beruf, Kinderziehung und Familienleben unter einen Hut
bringt. Zumindest an Lebenserfahrung mangelt es mir nicht. Und was nach der
Politik kommt, weiß ich jetzt noch nicht. Klar ist: Jeder Abgeordnete ist nur
für vier Jahre gewählt. Das sollte einem immer bewusst sein. Nur wenn Sie
sagen: „was Richtiges“ – hat das etwas Abwertendes. Dem möchte ich
widersprechen. Die Aufgabe eines Abgeordneten ist sehr wichtig in unserer
Demokratie und ich wünsche mir, es würden sich noch viel mehr junge Leute
politisch engagieren.
Da haben Sie Recht. Die
Frage zielte eher darauf ab, dass es hilfreich sein kann, wenn man als
Parlamentarier ein Leben jenseits der Politik hat. Ja, das habe ich. Ich hoffe, Sie auch.
Wir machen immer noch
nichts Richtiges. Und würden gern ein kleines Experiment mit Ihnen wagen. Viele Ihrer Kollegen haben die Sozialen Medien
für sich entdeckt. Einige Bilder auf Instagram hinterlassen bei uns große
Fragezeichen. Wir würden Sie bitten, das ein oder andere Bild mal zu erklären
und zu sagen, was die Botschaft dahinter ist. Sie selbst sagen von sich, Sie
lieben alles was Action hat, daher haben wir besonders die Fotos mit Action
rausgesucht. I like.
Wir zeigen Politikern Politiker
Bild 1:
Markus Söder – Was ist die Botschaft? Ja. Markus Söder ist offensichtlich im Legoland unterwegs.
Star-Wars-Tag in Günzburg. Ja.
Bild 2:
Angela Merkel –
Bauernhof. Botschaft? Die Botschaft ist: Die Kanzlerin ist vor Ort, sie nutzt die
Zeit jetzt im Sommer und ihr geht es um die Milchbauern. Offensichtlich. Sie hat
vor Ort mit den Menschen gesprochen.
Achtung, gleich
streichelt sie die Kuh. Glauben Sie, sowas kommt an? Ja, und das können Sie an den Zahlen sehen: 121.000 Menschen
hat das interessiert.
Was macht Dorothee Bär hier? Coole Leute.
Bild 3:
Gibt es irgendwann
mal auch DJ-Fotos von Ihnen? Irgendwann mal sicher, wieso nicht? Ganz ehrlich, das ist
ein junges Portal.
Gibt’s da eine
Meta-Ebene, die wir nicht verstehen? Es ist Instagram! Es ist nicht das Presse- und
Informationsamt der Bundesregierung. Ich glaube, bei mir gibt es auch Fotos,
die... ein bisschen…
Dazu kommen wir noch.
Aber vorher, wer zeigt hier seine Würstchen?
Bild 4:
Sie sind ein großer Markus Söder Fan, sehe ich.
Das stimmt. Hier gibt
es also auch keine Meta-Ebene? Ich hoffe nicht.
Wann hat Ihnen ein
Politiker-Kollege das letzte Kompliment für einen Post auf Ihrem
Instagram-Kanal gemacht? Heute. Ich habe ein
Video gemacht zu Jordanien und Israel. Ich bin der erste Politiker, der
Instagram-TV gemacht hat. Die Leute konnten Fragen stellen und die habe ich sie
beantwortet.
Ein letztes Bild noch.
Sie ahnen es, es geht um...
Bild 5:
...Matjes. Sind die beiden nicht sympathisch?
Absolut. Botschaft
dahinter ist? Wir haben eine schöne Veranstaltung zusammen gemacht und ich
habe Philipp Amthor im Wahlkreis besucht.
Zurück zu Inhalten! Erst
der Streit innerhalb der Union, jetzt die Kritik von außen: In München gingen
Menschen unter dem Hashtag #ausgehetzt auf die Straßen. Die Mobilisierung richtet
sich gegen die Asylpolitik der CSU. Täuscht der Eindruck oder hat Ihre Partei
ein Abgrenzungsproblem zwischen konservativ und Rechtsaußen?
Das glaube ich nicht. Schauen Sie sich doch mal an, wer da mitläuft. Da sind Leute, die tragen die Fahne der Linkspartei. Zu glauben, das sei jetzt eine große Bürgerbewegung, halte ich für falsch.
Immerhin sind da über
130 Initiativen mitgelaufen, über 20.000 Menschen, das sind doch nicht nur
Linke. Schauen Sie sich doch mal die Initiativen an. Die meisten
sind doch keine Organisationen, die vorher Wahlwerbung für die CSU gemacht haben.
Es ist gutes Recht zu demonstrieren. Und es gibt sicherlich einige, die sagen,
das gefällt uns nicht, was da an Sprache kommt. Aber ich würde das jetzt nicht
überbewerten.
Die CSU hat im
Vorfeld der Demonstrationen mit Plakaten dazu aufgerufen, nicht zur Demo zu
gehen. Unglücklich? Warum?
Menschen quasi von
oben zu bitten, ein Bürgerrecht nicht wahrzunehmen, ließe sich schon als merkwürdige
Auffassung von Demokratie interpretieren. Das gehört auch zur Meinungsfreiheit. Es ist doch berechtigt,
zu sagen: Wir halten diese Demonstration für falsch. Das tun wir übrigens auch
bei anderen, egal ob links oder rechts. Ich habe bei TTIP auch gesagt, dass ich
es für falsch halte, dagegen zu demonstrieren.
Stichwort Integration: Der Fall Özil beschäftigt alle. Finden Sie den Rücktritt Özils aus der
Nationalmannschaft und seine Begründung nachvollziehbar? Es ging unter
anderem um Rassismusvorwürfe. Das ist wieder eine Debatte, die sehr verengt ist: Verstehen
Sie Özil oder verstehen Sie ihn nicht?
Niemand Vernünftiges fordert, dass er seine Herkunft verleugnen soll. Ganz im Gegenteil.
Ich gehöre zu den Leuten,
die sagen: Wenn Menschen woanders herkommen, dann sollen die die Kinder auch
zweisprachig erziehen. Weil das ein Mehrwert ist. Aber: Wenn sich Erdoğan mitten
im Wahlkampf vor türkischen Flaggen mit zwei deutschen Spielern der
Nationalmannschaft trifft, sich ein Trikot überreichen lässt, auf dem steht:
„Für meinen Präsidenten“ – dann ist das doch etwas, das berechtigterweise in
Deutschland für Kritik sorgt. Diese Kritik muss man aushalten können. Und Präsident Erdoğan sollte sich nicht in Deutschland und diese Debatten einmischen.
Sie haben mal gesagt:
„Wer hier leben will, muss sich zur Gesellschaft bekennen.“ Wie bekenne ich
mich am besten und für alle ersichtlich zu der Gesellschaft? Indem ich mich an Recht und Gesetz halte, die Sprache
spreche, mich mit der Geschichte dieses Landes auseinandersetze. Ein Beispiel: Wir
haben eine besondere Verpflichtung gegenüber Israel. Wenn Leute, die zu uns
kommen, finden, dass der Staat Israel nicht auf die Landkarte gehört, dann ist
das ein Problem, dann werden die Leute hier nicht ankommen. Wenn ich von meiner
Frau oder Tochter verlange, dass sie sich komplett verschleiern. Wenn man
ankommen will in dieser Gesellschaft, sind gewisse Dinge essentiell. Wir müssen
aber gleichzeitig auch offen sein. Dieses Land ist ganz vielfältig. Ich bin ja auch
in Polen geboren und war drei Jahre alt, als meine Eltern nach Deutschland
kamen.
Wurden Sie schon einmal
als „Deutsch-Pole“ bezeichnet? Bestimmt.
Wie finden Sie das
dann?
Mir ist das relativ egal, wie man mich bezeichnet.
Wenn ich
in die Verfassung schaue, steht das auch für mich persönlich da drin: Jeder
Abgeordnete ist Vertreter des ganzen deutschen Volkes. Das ist meine Aufgabe,
das nehme ich sehr ernst. Und trotzdem vergesse ich meine Herkunft nicht – sie
ist Teil meiner Identifikation.
Allein 1988, in dem
Jahr als Sie als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland kamen, reisten über
140.000 polnische Spätaussiedler nach Deutschland ein. Wie sehr erinnert Sie
das an die Ereignisse seit Beginn der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015? Der Unterschied ist, es waren Aussiedler. Es war rechtlich
geregelt, wer unter welchen Voraussetzungen kommen darf. Und diejenigen, die
diese Voraussetzungen nicht erfüllten, mussten auch Deutschland wieder verlassen.
2015 hatten wir eine Situation, in der sehr viele Menschen kamen. Wir haben ja
heute nicht das Problem mit Asylberechtigten und auch nicht mit Flüchtlingen.
Wir haben ein Problem mit Menschen, die aus anderen Gründen kommen.
Sie sprechen die sogenannten
„Wirtschaftsflüchtlinge“ an… Ich spreche über die Gruppe von Migranten, die nicht
Flüchtlinge sind und nicht politisch verfolgt werden.
Sie wissen ja aber
auch, dass diese Menschen deswegen Asyl beantragen, weil Deutschland kaum eine
andere Möglichkeit der legalen Einreise zulässt.
Deswegen bin ich für ein Zuwanderungsgesetz. Darin wird man dann auch klären müssen, unter welchen Voraussetzungen man kommen darf. Und wenn man die nicht erfüllt, wird man nicht kommen dürfen.
Bei Ihren Eltern und
vielen Spätaussiedlern hat bei der Einreise nach Deutschland die Perspektive
auf ein besseres Leben eine Rolle gespielt. Trotzdem sagen Sie
Perspektivlosigkeit ist kein Kriterium für Einwanderung? Jetzt vermischen Sie zwei Dinge. 1988 gab es klare Regeln,
die die Politik gesetzt hat, wer kommen darf und wer nicht. Auch 1988 durfte
nicht jeder einfach einreisen.
Die Union hat aber in
den letzten Jahren nicht gerade für ein Einwanderungsgesetz geworben… Stimmt. Aber das hätte die Probleme von 2015 aber auch nicht
gelöst. Nicht jeder, der in den vergangenen Jahren nach Deutschland kam, war eine
Fachkraft im Sinne des Fachkräftemangels. Worum es mir geht: Ich war gerade in Jordanien, in einem
Flüchtlingslager. Wir müssen doch auch über die Menschen sprechen, die dort
sind, in Albanien, im Libanon, in Nordafrika. Wir haben hier eine große
Verantwortung. Wer glaubt, dass wir die Probleme dieser Welt allein durch
Zuwanderung nach Deutschland lösen können…
Aber wer glaubt denn
das? Sie fragen doch, warum können die anderen nicht auch nach
Deutschland kommen….
Es geht eher um die
Frage nach den Kriterien, die Sie anlegen. Die sind für mich ganz klar: Politisch Verfolgte, die Asyl
bekommen. Kriegsflüchtlinge nach der Genfer Konvention und
Fachkräftezuwanderung. Das sind die drei Gruppen, die kommen dürfen.
Sie sehen keine
Parallele zwischen den Spätaussiedlern und den Flüchtlingen heute. Ist die Stimmung
dann vergleichbar mit heute? Es ist ja nicht so, dass die Spätaussiedler Ende
der 80er mit offenen Armen empfangen worden sind. Ja, das war keine Euphorie, sondern gelegentlich auch das
Gegenteil. Deswegen müssen wir doch Folgendes hinbekommen:
Recht und Gesetz umsetzen, sagen, wo unsere Grenzen sind. Und trotzdem niemals Stimmung schüren gegen Menschen, die hier sind.
Egal, aus welchem Grund. Auch wenn jemand
überhaupt nicht verfolgt ist, aus keinem Krieg geflohen ist und einfach nur da
ist, weil er hier leben will, müssen wir menschenwürdig mit allen Menschen
umgehen. Das ist der Unterschied. Nicht Feindschaft, nicht Hass schüren. Keine
Pauschalurteile. Und trotzdem eine klare Linie haben und Recht und Gesetz
umsetzen.
Wusste kaum jemand: Markus Söder ist der König der Flachwitze:
Donald Trump dreht Anhängern Ramsch-Bibeln aus China an
Die wichtigste Währung in einer Demokratie sind Stimmen. Doch kurz darauf folgt schon das Geld. Ganz besonders gilt das in der ältesten Demokratie der Welt – den USA. Bereits vier Wochen vor dem alles entscheidenden Wahltag haben Demokraten und Republikaner Milliarden von Dollar in den Wahlkampf geschüttet.