Am kommenden Donnerstag rollen sie wieder. Deutschland hat wegen des Feiertags Christi Himmelfahrt frei. Und die Männer schieben trinkend ihre Bollerwagen durch den sogenannten Herrentag.
Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, findet Alkohol in Deutschland zu günstig. Billigfusel hätte "nichts mehr mit Genuss zu tun", sagte sie am Freitag der Funke-Medien-Gruppe. Und Suchtexperten pflichten ihr bei.
"Wer den Alkoholkonsum reduzieren will, muss dafür sorgen, dass die in Deutschland unverhältnismäßig niedrigen Preise für alkoholische Getränke angehoben werden", sagte etwa der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Raphael Gaßmann. Vorbild ist Schottland, wo seit 1. Mai eine Mindestpreis für Alkohol gilt.
4 Fakten zu einer bierernsten Debatte.
Schottland hat zum 1. Mai als erstes Land der Welt einen Mindestpreis für Alkohol eingeführt. Mit dem Mindestpreis von 50 Pence - umgerechnet 57 Cent - pro zehn Milliliter purem Alkohol soll vor allem die Zahl der Alkohol-Toten gesenkt werden. Auf diese Weise sollen innerhalb von fünf Jahren rund 400 Todesfälle und etwa 8000 Klinikaufenthalte wegen übermäßigen Trinkens in Schottland verhindert werden.
Schottland sei "als erstes Land der Welt kühn und mutig genug", einen solchen Mindestpreis einzuführen, sagte Regierungschefin Nicola Sturgeon. Sie gehe davon aus, dass weitere Länder dem schottischen Beispiel folgen werden, vor allem Irland und Wales seien sehr interessiert.
Von Ärzten und Gesundheitsverbänden wurde die Einführung des Mindestpreises als größter Durchbruch seit dem Rauchverbot in öffentlichen Räumen gefeiert. "Dieses Gesetz wird Leben retten», sagte die Chefin der Organisation Alcohol Focus Scotland, Alison Douglas.
Eine Zwei-Liter-Flasche Cidre mit einem Alkoholgehalt von 7,5 Volumen-Prozent kostet in Schottland statt 2,50 Pfund wie bisher künftig das Dreifache, also 7,50 Pfund - umgerechnet rund 8,50 Euro.
Die schottischen Behörden orientieren sich dabei an der von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Menge von zwei Alkoholeinheiten pro Tag. Eine Alkoholeinheit entspricht einem Glas Wein (0,1 l) mit einem Alkoholgehalt von 10 Prozent.
Beispiel gefällig? Die oben erwähnte Flasche Cidre umfasst zwei Liter, macht 2000 Milliliter mal 7,5 Vol Prozent macht 15000. Dividiert durch 1000, macht 15 Alkoholeinheiten. Also mehr als die WHO für eine Woche empfiehlt.
Um es mit der CSU-Politikerin Mortler zu sagen: "Das Problem ist doch, dass Alkohol in unserer Gesellschaft viel zu allgegenwärtig, viel zu selbstverständlich ist."
"Die Europäische Union ist weltweit die Region mit dem höchsten Alkoholverbrauch", heißt es in einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2006. Laut WHO liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in der EU (2012) bei 12,5 Litern Alkohol pro Jahr.
Deutlich weniger als in den 70er-Jahren. Da lag der Pro-Kopf-Verbrauch noch bei rund 15 Litern.
Beim Trinken gibt es in Europa laut EU-Kommission ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Im Süden gibt es eher den sogenannten konvitalen Trinker, also ein Glas Wein zum Essen. Im Nordosten wird mehr gesoffen.
Bei den Studien über sogenanntes Bingedrinking ergeben sich laut EU-Kommission (2006) auch gelegentliche Ausnahmen vom Nord-Süd-Muster. Besonders Schweden hat etwa eine der niedrigsten Bingedrinking-Raten.
Nach Schätzungen der EU-Kommission (2006) sterben in der EU jährlich rund 195.000 Menschen an den Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum. Etwa 200 Krankheiten werden durch Bier, Wein und Schnaps mitverursacht, so erhöht Alkohol in großen Mengen beispielsweise das Risiko von Krebs, Leberzirrhose und Herzkreislauferkrankungen..
Schweden hat eine lange Tradition, das Trinken einzudämmen. Teils auch religiös motiviert. Seit 1955 gibt es ein staatliches Alkohol-Monopol. Bier, Schnaps, Wein, Alko-Pops mit mehr als 3,5 Vol % Alkoholgehalt gibt's nur im staatlichen Laden, dem "Systembolaget".
Und bringt's was? Statistisch ist der Effekt schwer zu belegen. Doch lohnt ein Blick nach Skandinavien. Norwegen und Finnland setzen ebenfalls auf hohe Alkoholpreise. Im Gegensatz zu Dänemark und den baltischen Staaten wie Estland, Litauen und Lettland. In diesen Ländern ist die Zahl der durch überbordenden Alkoholkonsum bedingten Toten laut EU-Kommission deutlich höher.
In Deutschland sterben jedes Jahr mehr als 20 000 Menschen an den direkten Folgen ihres Alkoholkonsums. Rund 1,77 Millionen gelten hierzulande als alkoholabhängig.
Angesichts dieser Zahlen plädierte der Suchtexperte des AOK-Bundesverbands, Kai Kolpatzik, am Freitag für höhere Verkaufspreise. Die vor 14 Jahren eingeführte Steuer auf sogenannte Alkopops habe gezeigt, "wie wirksam man über gezielte Besteuerung eine positive Lebensstiländerung auf breiter Front einleiten" könne.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält einen Mindestpreis für Alkohol in Deutschland nicht für hilfreich. Studien zufolge wirkten Preissteigerungen bei Alkohol - anders als bei der auf Kinder abzielenden Kampagne gegen Alkopops - nicht abschreckend, sagte Lauterbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung" . Stattdessen forderte er, Alkoholismus zu enttabuisieren. Schon bei ersten Anzeichen sollte es niedrigschwellige Hilfsangebote geben, forderte Lauterbach.
(per/dpa/AFP)