Özil geht, der Hambacher Forst bleibt, Chemnitz schreckt auf – 2018 war turbulent. Auch für uns: watson.de startete im März. Auf einige Geschichten sind wir seitdem besonders stolz. Wie auf diese hier:
Er ist Komiker, Maler, Musiker, Filmemacher und Synchronsprecher. Und dabei vor allem eines: immer irgendwie er selbst. Seit über 40 Jahren hüpft der Sinnverweigerer in Jogginghose über deutsche Bühnen, malt Ottifanten und haspelt durch Reimschemata und seichtes Witzerepertoire. Seine Sätze beginnen stets rasant, enden weich im Ton und spitz in der Aussage.
Über Politik spricht Otto eigentlich nie. Grund genug, um ihn genau danach zu fragen. Für watson hat Otto einen kleinen Zwischenstopp auf seiner Promotour für den Film "DER GRINCH" eingelegt. Darin hat der Ostfriese dem animierten Miesepeter seine Stimme geliehen.
watson: Sie synchronisieren
den griesgrämigsten und haarigsten Griesgram, den die Welt je gesehen hat. Den
Grinch. Wie viel Grinch steckt in Otto? Otto Waalkes: Das habe ich
mich auch gefragt, als man mir anbot, den Grinch zu sprechen. Ich glaube aber,
einiges Ottospezifisches habe ich schon reingesteckt in den Grinch. Und
irgendwie passt es. Unter der rauen Schale, hinter der Zyne, steckt ein weiches
Herz.
DER GRINCH läuft gerade in den Kinos:
Regie: Scott Mosier, Yarrow Cheney. Basierend auf dem Buch von: Dr. Seuss. Produktion: Chris Meledandri, Janet Healy.Video: YouTube/Illumination Germany
Der Grinch macht dann
auch teilweise die Otto-typischen Geräusche. Seit ich weiß, dass dieses Interview stattfindet, habe ich auch komische Geräusche im Kopf.
Ach, echt?
Musst Du zum Arzt?
Otto macht erst "Ahaa", dann "Holladahiti". Er pfeift, er bellt und schickt ein "Bist du ruhig, sitz!" hinterher.
Ich bin wahrscheinlich
nicht der Einzige, der dieses Problem hat. Wie oft werden Sie im Alltag mit ihren eigenen
Geräuschmarken konfrontiert? Kommen Leute auf Sie zu und rufen "Hollederidi"?
Kann schon sein,
ja. "Ahaa" und "Hollederidi" höre ich manchmal auch auf der Straße – und es
kommt nicht immer von mir.
Großhirn an Faust…
Ballen! Ja!
Auch das.
Sie machen das seit 45
Jahren. Wie schaffen Sie es da, nicht verrückt zu werden? Oder haben Sie das am
Ende gar nicht geschafft?
Vielleicht ist
genau das der Grund, warum ich nicht noch verrückter werde. Weil ich immer
wieder die Bestätigung bekomme, dass ich wahrscheinlich nicht so viel
falschgemacht habe. Weil so viel hängengeblieben ist im kollektiven Gedächtnis.
Darüber freue ich mich.
Es war ja nie meine Absicht, von komischen Geräuschen zu leben.
Ich habe Kunst studiert. Jetzt male ich immer noch und nebenbei
spreche ich den Grinch.
Gibt es Witze, die der
70-jährige Otto dem 30-jährigen Otto von damals übel nimmt?
Übelgenommen
haben andere. Es gab früher eine andere Art von Tabu, religiöse zum Beispiel.
Sie mussten beim damaligen
Bundeskanzler Helmut Schmidt vorstellig werden und sich entschuldigen.
Da ging es um einen
harmlosen Scherz, viel zu bereuen gab's da eigentlich nicht. "Der Papst hat
Selbstmord begangen. - Warum nicht, wenn man sich beruflich verbessern kann?" Dafür habe ich gern Abbitte geleistet, beim Kanzler, nicht beim Papst. Denn das
hat immerhin für eine enorme Verbreitung gesorgt und war in aller Munde. Ich
entschuldige mich sehr gern: Falls ich religiöse Gefühle verletzt haben sollte,
dann bitte ich das höflichst zu entschuldigen. Religiöse Gefühle zu verletzen,
ist mir zwar nie in den Sinn gekommen – aber für einen Lacher tut man so
einiges.
Ist ja heute auch ein
Thema.
Das ist immer
ein Thema. Fragen Sie Jan Böhmermann, der hat doch ständig damit zu tun. Aber
allzu gewagte Grenzüberschreitungen liegen mir nicht. Ich teste die Grenzen des
guten Geschmacks und wenn ich merke, oh
Gott, das ging zu weit, dann mache ich was anderes.
Es gibt also Themen,
über die Sie keine Witze machen?
Wenn man es
richtig anfängt, kann man vermutlich über alles Witze machen. Gegen eine
gepflegte Sauerei zum Beispiel habe ich nichts einzuwenden. Alles eine Frage des Stils.
Die Frage ist ja: Wie
politisch ist Otto?
Eben, das
frage ich mich auch. Und zwar seit 50 Jahren. Die einfachste Antwort: Alles ist
politisch. Das stimmt zwar nicht, klingt aber gut.
Der oft gehörte Vorwurf, was ich mache, sei so systemstabilisierend, ist kaum zu widerlegen. Allerdings finde ich ein System, das es so nett mit mir meint, auch gar nicht so übel.
Ich
bin ja kein Kabarettist. Ich kümmere mich mehr um das Allzumenschliche – die Sprache
zum Beispiel. Dadurch hat einiges, was ich
vortrage, diese Langlebigkeit. Und ich bin
immer noch da – genau wie Udo oder Heino…
Nimmt Heino Ihnen die
Nummer „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ noch übel?
Im Gegenteil. Wir wollen diese Szene jetzt gemeinsam nachdrehen – diesmal
soll ich wohl den Zombie-Part übernehmen – ausgleichende Gerechtigkeit. Friede
auf Erden.
Sie haben einmal bei
einem eigentlich seichten Talk auf der Verstehen-Sie-Spaß-Couch die Gitarre
rausgeholt, einen alten Flippers-Klassiker uminterpretiert und Drohnenkrieg und
Überwachungsstaat thematisiert. Ganz beiläufig zur Prime-Time. Wann denn
sonst? Schließlich geht das ja die meisten von uns an. Ob allerdings alle
Zuschauer gleich gemerkt haben, was ich da so singe und wobei sie mitklatschen?
Ganz sicher bin ich mir nicht, ich wirke so harmlos auf den ersten Blick, deswegen
nimmt man mir das nicht gleich übel. Der Ausschnitt läuft übrigens ständig im
Internet.
Er wurde vor allem in rechten,
verschwörungstheoretischen Kreisen ein kleiner Hit, weil
man dort meinte, Sie würden über Angela Merkel singen. Wussten Sie das?
Das konnte man nicht meinen, das hat man einfach drunter geschoben. Ein
paar neue Bilder dazu und der Sinn ist verkehrt. Das ist die Gefahr im
Internet.
Wem galt der Song
wirklich?
Ich habe da niemanden im Sinn gehabt. Es war eine reine Parodie auf den
Song der Flippers.
Vor Beifall von der falschen Seite ist kein Komiker sicher.
So ganz unpolitisch
ist Otto dann irgendwie doch nicht.
Das haben Sie gesagt. Ich bin ja anfangs meist vor studentischen
Minderheiten aufgetreten. Dass dieser abseitige Nonsens dann massenkompatibel
wurde, lag am Fernsehen. Das habe ich an dem
plötzlichen Anonymitätsverlust gemerkt, den ich seitdem sehr genossen
habe. Das lief ja auch parallel zur gesellschaftlichen Entwicklung seit `68.
Sie haben in den 70ern
in einer WG mit Udo Lindenberg gelebt, mit Autoren der Neuen Frankfurter Schule
wie Robert Gernhardt, Peter Knorr oder Bernd Eilert zusammengearbeitet. Ist
ihre Art des Witzes, der Otto typische Quatsch und Nonsens, eine bewusst unpolitische Reaktion auf
diese hochpolitische Zeit? "Parlez-vous Pommes frites?“ statt Adorno?
Nee, das war’s
nicht. Bon giorno, Adorno!, so hieß das. Oder: Liberté, Egalité, Ostfriesenté!
Es gab ja anfangs durchaus Schnittmengen zwischen politischem Protest und
Nonsens, eine studentische Spaßfraktion. Und der Bruch mit der Tradition war in
der Komik genauso radikal. Bis dahin hieß das Witzschema: Vorlauf, Pointe,
Lacher. Nun wurde der gepflegte Nonsens salonfähig. Es ging um überraschende Binnenscherze,
reiche Reime, Stilparodien, Tonfälle – die Schlusspointe wurde manchmal
verweigert. Das war neu und ungewöhnlich. Für Deutschland habe ich das im
Zusammenspiel mit drei Autoren der Neuen Frankfurter Schule entwickelt, wir
haben Showprogramme und Drehbücher zusammen geschrieben. Gernhardt, Eilert und
Knorr kamen ja von der Hochkomik. Mein Part war es, diese elitären Sachen
allgemeinverständlich zu machen. Das war manchmal gar nicht so einfach, hat aber meist geklappt.
Nonsens bedeutet ja nicht Unsinn, nein, es kommt darauf an, das Publikum in ein scheinbar stabiles Sinngehäuse zu locken, um es dort gnadenlos gegen die Wand knallen zu lassen.
Die besten Nummern funktionieren heute immer noch.
Stimmt es eigentlich,
dass Sie das Wasserbett von Udo Lindenberg mit Hansaplast abdichten mussten,
weil der immer mit Kippe eingeschlafen ist?
Der ist mit der Zigarre eingepennt. Und dann ist das immer durchgetröpfelt
von oben. Schlimmer war, wenn Udo sein Schlagzeug morgens um vier aufgebaut hat.
Über eines müssen wir
noch reden: den Schniedelwutz. Der Duden sagt, die Herkunft sei ungeklärt.
Stimmt nicht. Das
ist meine Wortfindung gewesen. Das sollte man unbedingt richtigstellen.
Der watson-Grinch: Weihnachtsfan gegen Weihnachtshater...
Frisch getrennt: Ab wann es okay ist, wieder mit Dating anzufangen
Wie lange man eine Beziehung betrauern sollte, bevor man sich wieder auf den Dating-Markt stürzt, ist eine umstrittene Frage. Die einen schwören auf frisch getrennte Singles, die sich quasi noch im Beziehungsmodus befinden, während andere befürchten, als Lückenbüßer:in herhalten zu müssen.