Kanzlerin Angela Merkel trifft am Donnerstag Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Es geht um den Euro und die Zukunft der Europäischen Union. Bis zum EU-Gipfel im Juni soll eine Lösung her. Eurozonen-Budget, Euro-Finanzminister, ein eigener Europäischer Währungsfonds – warum ticken Deutsche und Franzosen anders. Das Verhältnis ist kompliziert. Wirtschaftsforscher erklären die Beziehung Frankreich-Deutschland.
Epilog
Drei Ökonomen, drei Meinungen? Die drei Wirtschaftswissenschaftler Markus Brunnermeier (Deutschland), Harold James (UK) und Jean-Pierre Landau (Frankreich) fanden das spannend. Vor Jahren trafen sie sich bei einem Gastaufenthalt. Sie diskutierten über den Euro und stellten fest. Das Denken ist national begrenzt. So entstand ein spannendes Buch über deutsch-französische Gegensätze, den Rheingraben und Europa. ""Euro: Der Kampf der Wirtschaftskulturen", heißt ihr gerade erschienenes Buch. Ein Blick auf die deutsch-französischen Denk-Gegensätze.
Der Rheingraben in Buchform
4 Gründe, warum Merkel und Macron heute ein schwieriges Date haben könnten
Merkel setzt auf den Markt, Macron wünscht Solidarität
Im vergangenen September legte Macron seine Europapläne vor, am Dienstag erneuerte er sie vor dem Europäischen Parlament.
Macron wünscht sich zum Beispiel
ein eigenes Budget für die Eurozone, um Krisen wie nach 2009 abzufedern,
einen gemeinsamen Finanzminister für die Eurozone,
einen autonomen Europäischen Währungsfonds.
Politiker aus Merkels Union fürchten
eine Vergemeinschaftung von Schulden und
den Abfluss deutscher Steuergelder in andere EU-Staaten.
Kurzum: eine Schuldenunion.
Harold James' historische Erklärung für den Gegensatz:
"Deutschland besteht auf einer Regelpolitik, Frankreich eher auf Flexibilität und auch darauf, dass der Staat eingreifen muss, etwa über Investitionen oder expansive Fiskalpolitik. Aber das liegt nicht in der DNA der Nationen, es hat historische Gründe."
Markus Brunnermeier ergänzte:
"Die deutsche Perspektive betont das Haftungsprinzip, wer bestellt zahlt. Frankreich eher die Solidarität. Und in der Tat prägt das auch die Sicht auf die Eurokrise."
Merkel setzt auf behutsame Reformen, Macron den radikalen Bruch
Streik, wie hier gegen Macrons Bahnreform, ist für Franzosen ein echtes Vergnügen.Bild: AP
In Deutschland ist Reform das Maß der Dinge. Auch für Angela Merkel. Nur keine radikalen Umbrüche.
Frankreich tickt anders. Wir kommen nicht mehr voran? Dann wird eben mal gleich die ganze Verfassung ausgetauscht, wie 1958. Seither ist der Präsident der starke Mann. Das Land liebt "la rupture", den radikalen Bruch. Macron hat es vorgemacht, mit seiner neuen Partei "En Marche" kippte er Frankreichs Parteiensystem.
Markus Brunnermeiers Analyse für den Gegensatz:
"Das deutsche Ideal ist, dass Reformen in der Rezession umgesetzt werden müssen, dann sind die Menschen zu Opfern bereit. Deshalb hat die deutsche Bundesregierung in der Krise auch stets die Notwendigkeit von Reformen betont. Das französische Verständnis ist genau umgekehrt. Reformen werden in der Boomphase gemacht, da treffen sie die Menschen nicht so hart."
Deutschland setzt aufs Sparen, Frankreich auf Schulden für Investitionen
Die Deutschen feiern gerade in einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin das Sparen. Sie schätzen die "Schwarze Null" und die "Schwäbische Hausfrau", sprich das Sparen.
Und wer hat's erfunden? Les Allemands
Die Sparbüchse ist eine deutsche Erfindung. Andere sehen das Geldhorten als politische Bombe. Blick in die Sparausstellung in BerlinBild: dpa
Frankreich setzt auf den starken Staat und Investionen.
Harold James' historische Einsicht:
"Der traumatische Einschnitt in Frankreich kam mit der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs. Sparmaßnahmen, so das französische Verständnis, hatten Staat und Militär geschwächt. Deshalb die Wende zum starken Staat. In Deutschland hingegen waren im 19. Jahrhundert sehr staatsgläubig, der Ordo-Liberalismus setzte sich erst nach 1945 durch."
Deutschland vertraut auf Kant, Frankreich auf JJR
Es steht nicht nur Angela Merkel gegen Emmanuel Macron. Sondern eine deutsche gegen eine französische Denktradition. Kurzum: Immanuel Kant steht gegen Jean-Jacques Rousseau (JJR).
Der deutsche Philosoph betont die Rolle der Pflicht in der Ethik, der französische Denker die schöpferische Kraft des freien Willens.
Harold James:
"Das zeigt schon die Sprache. 'Laissez faire'."
Die Prognose? Wird schon!
Europa ist eine Konsensmaschine
Bild: dpa
Drama, Baby, Drama. Die Franzosen schätzen das auch in der Politik. Und Deutschland will das "harte Ringen um", wie es im politischen Frühschoppen gerne heißt. Merkel und Macron werden sich einigen. Muss ja. Zum einen gilt der europäische Imperativ des Kompromiss. Zum anderen die pure Notwendigkeit: der Brexit. Großbritannien geht und Europa muss sich neu sortieren.
Harold James' Prognose:
"Der Brexit "macht einige Reformen eher wahrscheinlicher, die Eurozone wird enger zusammenrücken. In kleinere Staaten wie die baltischen Staaten oder Slowenien wissen besser, dass abgeschottete Märkte keine Zukunft haben. Das Problem sind eher Länder wie Deutschland, Frankreich oder Italien, wo manche dem Irrglauben nachhängen, sie könnten die Welt noch allein gestalten."
Elon Musk und sein einflussreicher X-Faktor für die Bundestagswahl
Für 44-Milliarden-Dollar kaufte sich Tesla-Chef Elon Musk Twitter. Mit seiner Übernahme hat es sich ausgezwitschert, heute heißt die Plattform schlicht X. Musk entließ zahlreiche Angestellte und krempelte den Mikroblogging-Dienst komplett um.