Eine gesperrte Innenstadt und Männer mit "I love HTLR"-Shirts – im 2300-Einwohner Städtchen Ostritz herrschte am Wochenende Ausnahmezustand. Schuld daran? Das Neonazifestival "Schild und Schwert".
1200 Menschen aus dem rechten Spektrum trafen sich hier pünktlich zu Adolf Hitlers Geburtstag, um rechtsradikaler Musik und NPD-Rednern zuzuhören.
Gleichzeitig kamen hunderte Gegendemonstranten in die Stadt, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen.
Die Polizei Sachsen fasste am Sonntag zusammen, dass die Lage "an allen Tagen friedlich und ohne nennenswerte Störungen blieb". Doch das ist nur eine von mehreren Perspektiven, wir haben bei der Polizei, aber auch bei Beobachtern vor Ort nachgefragt:
Um die Situation unter Kontrolle zu behalten, erhielt die Polizei Sachsen Unterstützung von Kollegen aus Thüringen, Berlin und Baden-Württemberg, sowie der Bundespolizei.
Sogar Beamte aus Tschechien und Polen waren dabei (Ostritz liegt an diesen Ländergrenzen). Allein am Samstag waren insgesamt 1.900 Polizisten im Einsatz, sagte Polizeisprecherin Madeleine Urban gegenüber watson.de.
Die Polizisten überwachten den Bahnhof, die Innenstadt und das Festivalgelände, auf dem kein Alkohol getrunken werden durfte. Ärger gab es trotzdem: Alle im Folgenden angeführten Straftaten und Vorkommnisse wurden von der Polizei Sachsen gemeldet. In Fällen des tätlichen Übergriffes ermittelt die Kriminalpolizei.
Die Polizei habe von Freitagmorgen bis Sonntagmittag mehr als 70 Straftaten und sieben Ordnungswidrigkeiten registriert. Überwiegend handelte es sich dabei um ein Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole.
"Insgesamt war das Wochenende aber verhältnismäßig friedlich", so die Pressestelle zu watson. Das Einsatzkonzept sei aufgegangen. Dieser Meinung waren nicht alle.
Die Initiative "Rechts rockt nicht" wurde von Einzelpersonen aus Zittau-Görlitz, Sachsen und Brandenburg gegründet, nachdem bekannt wurde, dass ein Nazi-Festival geplant ist. "Das wollten wir nicht kommentarlos geschehen lassen", so die Pressesprecherin Sascha Elser zu watson.
Die Veranstalter kritisieren die Polizeiarbeit in Ostritz heftig: "Das Alkoholverbot wurde erst am Samstag für das gesamte Festivalgelände umgesetzt, vorher galt es nur für den ,Bereich der politischen Versammlung', wo die Reden gehalten wurden – und war damit faktisch ausgehebelt."
Außerdem wären stark alkoholisierte Personen auf das "Schild und Schwert"-Gelände gelassen worden, obwohl die Auflagen des Festivals das verboten hätten.
Am Samstagabend hätten dann sowohl auf der Bühne, als auch im Publikum mehrere Menschen "Sieg Heil" gerufen. Elsner zu watson: "Nach unserem Kenntnisstand ist die Polizei deshalb aber nicht eingeschritten. Wir können nicht verstehen, warum den Nazis soviel Freiraum geboten wird."
Als "OstritzInside" schleuste sich eine Gruppe der Antifa auf das Festival und twitterte von dort. Sie kooperierten mit "Rechts rockt nicht".
Das Jüdische Forum ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 2012 gegen Antisemitismus engagiert, indem die Mitglieder aktuelle Geschehnisse beobachten. Auch sie waren vor Ort:
Am Wochenende trafen sich laut Veranstalter bis zu 3.000 Menschen zum Friedensfest in Ostritz, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Der Schirmherr der Veranstaltung war Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Am Freitagabend bildeten Teilnehmer des Festes eine Lichterkette auf dem Rathausplatz. Samstag aßen und tranken die Menschen in einem großen Festzelt und schickten gemeinsam Luftballons in den Himmel.
Zwei Protest-Fahrradtouren setzten sich am Samstag um 10 Uhr in Bewegung. Sie starteten in Görlitz und Zittau, um von da aus nach Ostritz zu radeln, wo sie sich auf dem Marktplatz gegen 13 Uhr begegneten. Organisiert war der Korso unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund Ostsachsen.
Markus Schlimbach, Vorsitzender des DGB Sachsen, sagte: "Neonazis versuchen immer wieder sich in der Lausitz breit zu machen. Durch Wegschauen und Ignorieren lassen sich die Neonazis nicht stoppen."
Die Initiative "Rechts rockt nicht" bot als Gegengewicht zum Nazi-Festival ein alternatives Line-Up mit Musikern, wie zum Beispiel Sebastian Krumbiegel von den "Prinzen".
Zu den Konzerten kamen am Freitag 250 Personen, am Samstag über den Tag verteilt etwa 1000 Personen, so die Sprecherin der Initiative auf watson-Anfrage.
Die Arbeit der Medienvertreter vor Ort war erschwert, da Pressevertreter samstags auf dem "Schild und Schwert"-Gelände nur in einem abgesperrten Bereich bleiben sollten.
Auch die Leipziger Volkszeitung schilderte Probleme: "Die Pressekonferenz fand im direkten Eingangsbereich statt. Ordner verhinderten, dass die Journalisten weiter auf das Gelände gelangten."
Auf Twitter vermuteten einige Beobachter, dass mit dem abgesperrten Pressebereich die freie Berichterstattung behindert werden sollte. Die Polizei widersprach.