Zahlreiche Arme schnellten zum Hitlergruß in die Höhe, aus dem Festzelt schallte ein lautes und deutliches "Sieg Heil" im Chor. Die Videoaufnahmen von einem Neonazi-Festival im thüringischen Themar schreckten im vergangenen Jahr viele Menschen in Deutschland auf:
Wie konnte das passieren? Warum ließ die Polizei das zu?
In Themar waren im Juli 2017 rund 6000 Neonazis zusammengekommen. Jetzt steht ein neues Neonazi-Festival auf dem Plan, . Beim "Schild und Schwert"-Festival an diesem Wochenende werden zwar weniger Besucher erwartet – trotzdem werden die für eine gefährliche Mischung sorgen.
Wir erklären, warum.
Organisator der Veranstaltung ist der NPD-Politiker Thorsten Heise. Heise ist Mitglied im NPD-Vorstand und Landesvorsitzender der Partei in Thüringen. Er wird dem offen nationalsozialistischen Flügel der Partei zugerechnet. Seine politische Laufbahn begann Heise in der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), die 1995 verboten wurde.
Die Veranstalter des "Schild und Schwert"-Festivals rechnen eigenen Angaben zufolge mit je 750 Teilnehmern am Freitag und Samstag. Die lokale Initiative "Rechts rockt nicht", die Gegenproteste angekündigt hat, rechnet mit bis zu 3000 rechtsextremen Besuchern in dem kleinen Ort.
Bei dem "Schild und Schwert"-Festival werden Volksverhetzer, rechtsextreme Kampfsportler und Rechtsrocker mit Terror-Verbindungen zusammenkommen. Sie lehnen die demokratische Gesellschaft ab, wollen sie – mitunter auch gewaltsam – abschaffen. Solche Zusammenkünfte sind der ideale Nährboden für illegale, gewalttätige und rechtsterroristische Aktivitäten. Nicht zuletzt dienen sie dafür auch als Finanzquelle.
Diese Akteure werden am Freitag und Samstag in Ostritz erwartet:
Die Hauptattraktion des Festivals sind die Auftritte von mehr als zehn bislang angekündigten Rechtsrock-Bands. Darunter ist etwa die neonazistische Hooligan-Band "Kategorie C". Die Bremer Band gehört zu den Stars der Rechtsrock-Szene und hat vor allem unter gewaltaffinen rechtsextremen Fußballfans eine große Anhängerschaft.
Eine weitere Band, die am Samstag in Ostritz auf der Bühne stehen soll, ist die "Lunikoff Verschwörung". Der Gründer der Band, Michael Regener, war vorher Sänger der bis heute bekanntesten deutschen Rechtsrock-Band "Landser". Diese wurde 2003 als erste Band in der deutschen Geschichte als Kriminelle Vereinigung verboten. Regener musste für drei Jahre und vier Monate ins Gefängnis. "Landser" sangen in ihren Liedern etwa "Opa war Sturmführer bei der SS" oder "Bomben auf Israel".
Ebenfalls angekündigt ist die Band "Oidoxie" um den Dortmunder Neonazi Marko Gottschalk. "Oidoxie" macht nicht einfach nur Musik, die Band gilt als Teil des länderübergreifenden rechten Terror-Netzwerks "Combat 18". Zu diesem Schluss kommt der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag. Combat bedeutet Kampf, die 18 steht für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet – die Initialen Adolf Hitlers.
Das Netzwerk hat sich dem "führerlosen Kampf" verschrieben – wie auch die Rechtsterroristen des "NSU". In Dortmund sollen Neonazis rund um Marko Gottschalk in den Jahren 2003 bis 2006 eine "Combat 18"-Terrorzelle aufgebaut haben. Das geht aus Polizeiakten hervor, die 2014 bekannt geworden waren. Ein ehemaliges Mitglied der Terrorzelle informierte die Polizei darüber – während er selbst in haft saß.
Neben den Rechtsrock-Konzerten soll auch ein Kampfsport-Event auf dem Festival für Unterhaltung sorgen. Organisiert wird dies von den Veranstaltern des "Kampf der Nibelungen". Die rechtsextreme Kampfsport-Veranstaltung fand sonst bislang an vorab streng geheim gehaltenen Orten statt – zuletzt in der sauerländischen Kleinstadt Kirchhundem. Hinter der Veranstaltung stecken Neonazis aus Deutschland. Zu Gast waren jedoch auch extrem gewaltbereite Rechtsextreme aus dem Ausland, vor allem aus Russland. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Kampfsport-Szene, Hooligans und knallhartem Neonazi-Aktivismus.
Nicht alles auf dem Neonazi-Festival ist Unterhaltungsprogramm. Es geht dort natürlich auch um rechtsextreme Politik. Als Redner sind unter anderem Politiker der NPD angekündigt, daneben jedoch auch Aktivisten der neonazistischen Kleinpartei "Die Rechte" aus Nordrhein-Westfalen. Einer von ihnen, Sascha Krolzig, wurde erst kürzlich wegen Volksverhetzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er hatte den Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde beleidigt.
Für beide Tage verlangen die Veranstalter 45 Euro Eintritt von ihren Besuchern, es werden außerdem "Fan-Tickets" für fast 200 Euro verkauft. Zu diesen Einnahmen kommt noch der Verkauf von Essen und Getränken.
Auf dem Festival soll es außerdem diverse Verkaufsstände mit Kleidung, CDs und "Propagandamaterial" geben. Unter den Verkäufern sind etwa die NPD und mehrere neonazistische Klamotten-Labels.
Für die rechtsextreme Szene in Deutschland sind die Einnahmen aus solchen Konzerten und Festivals ein wichtiger Bestandteil ihrer Finanzierung.
Was am Ende mit dem Geld geschieht und ob es in illegale Aktivitäten fließt, ist dabei kaum nachprüfbar.
Das "Schild und Schwert"-Festival ist offiziell als politische Versammlung angemeldet – hat dadurch den gleichen Status wie eine Demonstration oder Kundgebung. Und das, obwohl die Veranstaltung auf dem Privatgelände eines Hotelbesitzers stattfindet und Eintritt kostet.
Die Polizei und das Landratsamt Görlitz als Versammlungsbehörde verweisen auf das Grundgesetz, wonach sich jeder "friedlich und ohne Waffen unter freiem Himmel versammeln" dürfe. Schon das Rechtsrockkonzert in Themar war im vergangenen Jahr als Versammlung angemeldet worden. Kritiker forderten damals, Rechtsrockkonzerte nicht mehr als politische Demonstrationen einzustufen, die unter die Versammlungsfreiheit fallen. Dadurch könnten solche rechtsextremen Events künftig einfacher verboten werden. Diese Änderungen müssten jedoch in den einzelnen Bundesländern durchgebracht werden – die Ausgestaltung des Versammlungsrechts in in Deutschland Ländersache.
Bereits vor zwei Wochen hatten sich 40 Bürgermeister aus der Region in einer gemeinsamen Erklärung gegen das Neonazi-Festival positioniert. Sie wandten sich klar "gegen eine Etablierung neuer rechtsextremer Strukturen in der Oberlausitz". Wer Menschenrechte in Frage stelle und die Demokratie bekämpfe, "der ist hier nicht willkommen", hieß es.
Von der Linkspartei und dem Deutschen Gewerkschaftsbund wurden außerdem insgesamt vier Gegenveranstaltungen angemeldet. Parallel dazu findet in Ostritz ein Friedensfest statt.
Das Festival-Gelände wird während der Veranstaltung von der Polizei bewacht und abgeschirmt werden. Die Polizei rechnet über das Wochenende mit dem größten Einsatz in Ostsachsen in den vergangenen zehn Jahren. Es werden mehrere Hundertschaften auch aus anderen Bundesländern im Einsatz sein.
(mit afp)