Es gibt da diese Szene vor Jahren, an die ich mich gerne erinnere: Ich bin gerade auf dem Weg zu meiner Universität nach Mannheim. Von Neunkirchen/Saar aus muss ich dafür in Homburg umsteigen. Es ist früher Vormittag, kalt und gerade hat es angefangen zu regnen.
Gefühlt regnet es immer, wenn ich in Homburg umsteige, um ins große Deutschland zu fahren. Ich hole mir also einen dieser verkohlten aber warmen Kiosk-Kaffees und hocke mich in die S-Bahn, die binnen weniger Minuten aus dem Saarland raustuckern wird.
In diesem Moment begreife ich: Homburg
ist für mich so etwas wie die Grenzstadt Bree in "Herr der Ringe". Sie liegt direkt am
Rande des Auenlands und ich bin auch nur einer dieser Hobbits auf dem Weg in die Welt. An mir vorbei rauscht der Wald, rauschen verblasste, heruntergekommene Häuser und nasse
Wiesen. Irgendwie ist alles klein und eng. Eine Mischung aus Vertrautheit,
Wehmut und auch ein wenig Ablehnung kommt in mir hoch.
Nun, Herr Beck, hatten Sie eine Idee, die mein Gefühl direkt anspricht. Ich verstehe das ja: Es ist heiß, keiner hört zu und mitten in diesem Sommerloch wollten Sie mal wieder eine Diskussion auslösen. Verschiedene Themen boten sich wohl an.
Sie wählten leider genau jenen Vorschlag, den ich so gar nicht mehr hören kann. Sie halten es „für wünschenswert“, aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz eine neue Einheit zu formen, „ohne dass die Menschen das innerlich ablehnen“.
Sie sollten über mich wissen: Ich liebe Schwenken, aber ich meine den Grill, nicht das Schwenken von Fahnen. Ich bin ein Gegner von jeglichem Nationalismus. Ich verachte Chauvinismus. Im oben erwähnten Moment in Homburg habe ich allerdings begriffen, dass „Heimat“ auch etwas ganz Anderes
bedeuten kann. Dass hinter dem Begriff eine Prägung steckt, die mich definiert, egal wo
ich hingehe. Egal, was ich denke. Und egal, ob ich sie möchte oder nicht.
Ich lebe jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr im Saarland.
Der verlässt das Auenland zwar, aber selbst im dicken Berlin bleibt er eben noch immer Hobbit. Irgendwie klein, irgendwie geritzt, irgendwie stolz. (Über die Haare an den Füßen wollen wir mal nicht reden.) Allé hop, Neinkeijer Bub äwe.
Wenn Sie, Herr Beck, all diese Gefühle nur einen Moment lang nachvolllziehen können, dann verstehen Sie sicher: Ihr Vorschlag ist nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern er wirkt auch anmaßend.
Sie wischen mit Ihm weg, dass es Menschen in ihren jeweiligen Regionen eben nicht allein um Geld, Verwaltung und organisatorische Effizienz geht. Sondern um Achtung. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes wussten das – es gehört zum Föderalismus-Prinzip.
Es sieht nicht vor, die kleinsten Mitglieder einfach auszutilgen. Auch dann nicht, wenn es wirtschaftliche Probleme gibt. Wer das wieder und wieder versucht, der lässt nur Mehrheiten in der Demokratie zu. Und ein solcher Gedanke dürfte Ihnen als Sozialdemokrat eigentlich so garnicht gefallen, oder?
Glauben Sie mit all Ihrer Erfahrung vor Ort, dass Ihre Nachbarn im Saarland einer Zusammenlegung zustimmen würden, wenn es hart auf hart kommt?
Ich habe da ehrlich gesagt meine Zweifel. Und ich bin weiter weg als Sie. Auch meine anderen Exil-Freunde sind weiter weg als Sie. Wir sitzen in München, Hamburg und Köln. Trotzdem wissen wir:
Sie wollen Effizienz-Gewinn?
Ein Vorschlag: Als Chef der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung könnten Sie sich doch einmal mehr für Digitalisierung und den Breitbandausbau einsetzen. Wenn
eine Bürokratie zum Beispiel ordentlich digital funktionieren würde, würde sie
auch weniger Kosten verursachen. Egal, wo sie ihren Sitz hat.
Okay, zugegeben, kein so schlagzeilenträchtiges Thema wie die Forderung nach einer Bundesländerfusion. Aber eines mit echtem Mehrwert.
Dieser Hobbit wünscht Ihnen einen Guten Tag.