In ganz Deutschland sind die Temperaturen in den vergangenen Tagen unter den Gefrierpunkt gefallen. Was für die meisten nur unangenehm ist, ist für Menschen, die auf der Straße leben, lebensgefährlich. Erst Anfang der Woche erfror ein Obdachloser in Hannover. Viele fragen sich deshalb, wie sie helfen können. Auch gut gemeinte Vorschläge sind jedoch nicht immer hilfreich.
Der Parteivorstand der Sozialdemokraten etwa ruft auf Facebook und Twitter dazu auf, Obdachlosen zu helfen. Soweit, so sinnvoll. Konkret lautet die Aufforderung: "Kältebus rufen – Leben retten".
Kältebusse gibt es in verschiedenen Städten, in Berlin etwa von der Stadtmission der evangelischen Kirche betrieben. Dort entspricht das Prinzip der gängigen Vorstellung: Die Mitarbeiter fahren im Winter Abends und Nachts durch die Stadt, suchen Orte auf, an denen sich viele Obdachlose aufhalten und nehmen am Telefon Hinweise aus der Bevölkerung entgegen. Obdachlose, die das möchten, fahren sie zu Notschlafstellen.
In einigen anderen Städten sehen die Konzepte der Kältebusse jedoch anders aus: Dort fahren sie lediglich feste Routen ab, verteilen heiße Getränke und bieten Beratung an. Und hier beginnt das Problem: Im Internet werden regelmäßig auch Telefonnummern von Organisationen verbreitet, die solche Kältebusse betreiben. Oft sind das lediglich Büro-Telefonnummern. Ein Anruf in einer kalten Nacht bringt dort gar nichts. Teilweise kursieren auch Nummern aus Städten, in denen es überhaupt keinen Kältebus gibt. Das österreichische Portal "Mimikama" hat bereits 2014 auf das Problem hingewiesen.
Bastian Pütter ist Chefredakteur des Dortmunder Straßenmagazins "bodo" und arbeitet seit einigen Jahren in der Wohnungslosenhilfe. Den pauschalen Kältebus-Aufruf der SPD hält er für falsch. Er sagt:
Das ist nun auch der SPD passiert: In den Kommentaren unter dem Facebook-Post des Parteivorstands fragen mehrere Nutzer nach den Kältebus-Nummern für ihre Wohnorte. Für das bayerische Dachau weist das Social-Media-Team der Partei daraufhin auf eine Website der Stadt hin. Einen Kältebus erreicht man über die dort aufgelisteten Nummern jedoch nicht, sondern die Sachbearbeiter der Stadtverwaltung. Die betreibt zwar Unterkünfte für Obdachlose – eine direkte Hilfe bei nächtlichen Notfällen ist von einer Stadtverwaltung jedoch nicht zu erwarten.
Ähnlich in einem Facebook-Aufruf der Krankenkasse "BKK-VBU": Die Telefonnummer, die dort für Hamburg angegeben wird, gehört nicht zu einem Kältebus, sondern ist eine Hotline der Stadt für "gefährdete obdachlose Menschen in Hamburg". Besetzt ist die Hotline nur bis 16 Uhr.
Durch solche Posts werde die "falsche Vorstellung einer Rettung" durch einen Anruf vermittelt, sagt Bastian Pütter. Er hält das Konzept der Kältebusse auch politisch für falsch. Meist seien das ehrenamtliche Initiativen von gemeinnützigen Trägern und "absolute Nothilfemaßnahmen." Die brauche es nur deshalb, "weil etwas, das eigentlich eine staatliche Aufgabe ist, nicht richtig funktioniert. Die Kommunen sind in der Pflicht, ausreichend Unterkünfte zu schaffen." Stattdessen, sagt er, solle eine Partei wie die SPD sich besser dafür einsetzen, dass es genug Notunterkünfte und einen schnelleren Zugang zu Wohnungen gibt.
"Was solche Posts triggern ist, dass Leute auf Notsituationen aufmerksam werden und im besten Fall nicht einfach an Obdachlosen vorbeigehen", sagt Pütter. Und das sei vollkommen richtig.
Der beste Ansatz sei es, stehen zu bleiben und Obdachlose zu fragen, wie es ihnen geht und ob sie Hilfe brauchen. Manche würden gar keine weitere Hilfe wollen und sagen: "Ich hab 'nen super winterfesten Schlafsack. Wenn Sie mir 'nen Kaffee bringen, komm ich durch die Nacht."
Und für medizinische Notfälle gebe es in Deutschland ohnehin "eine sehr bekannte Telefonnummer": Die 112.
Es könne auch Fälle geben, in denen ein Obdachloser keine Hilfe wolle, aber trotzdem hilflos wirke. Wer die Dringlichkeit nicht einschätzen kann und die Verantwortung für so eine Entscheidung nicht tragen will, dem rät Pütter dazu, die Polizei zu rufen.
(Disclaimer: Der Autor dieses Textes hat in der Vergangenheit für das Straßenmagazin "bodo" gearbeitet.)