"Ich konnte nur gründen, weil meine Eltern mich unterstützt haben" – Gründer Philip
Philip (Name geändert), ist 27 Jahre alt und hat zusammen mit zwei Co-Gründern ein Tech-Start-Up. Das Unternehmen finanziert sich durch Fonds und eine private Investorin. Dort zahlt er sich monatlich einen Lohn in Höhe von 1000 Euro netto aus.
Davon zahlt er:
- 380 Euro Miete für sein WG-Zimmer in einer 3er-WG
- 100 Euro für die Krankenkasse, da er noch als Student eingeschrieben ist
- zwischen 50 und 250 Euro für Abendveranstaltungen, die er beruflich besuchen muss
- ca. 250 Euro für Lebensmittel
- ca. 100 Euro für Kleidung
- 10 Euro Spotify
- ca. 35 Euro für Kosmetik, Medikamente und Kontaktlinsen
- je nachdem, wie sich die Ausgaben verteilen, versucht er rund 100 im Monat zu sparen
Philip hat BWL und Kulturmanagement studiert. Seit zwei Jahren arbeitet er im eigenen Start-Up.
Würdest du dich selbst als arm bezeichnen?
Voll. Alle meine Freunde bauen sich auch gerade erst ihre Karriere auf.
Vielleicht ist das der Preis dafür. Aber wenn ich sehe, was andere Menschen in meinem Alter verdienen, dann bin ich einfach arm dagegen.
Woran merkst du täglich, dass du arm bist?
Jeden Tag Euros zählen ist schon nicht so geil. Wenn ich durch die Einkaufsstraße laufe und dort die Menschen mit gefühlt 800 Einkaufstüten sehe, ist das nicht so cool. Ich kann mir schon Klamotten leisten. Die sind immer Second Hand. Das stört mich zwar nicht weiter, aber es wäre schon schöner, wenn es anders wäre.
Wie lange dauert es bis das Geld knapp wird?
Das nehme ich dann mit auf die Arbeit und spare mir so ein paar Kröten.
Unterstützt dich jemand finanziell?
Bevor wir durch Investoren finanziert waren, wurde ich monatlich von meinen Eltern unterstützt und habe parallel Erspartes ausgegeben. Das war bis vor wenigen Monaten so. Ein Kollege hatte einen Nebenjob und der andere wurde von seinen Eltern unterstützt.
Besonders dann, wenn man eine kreativere Idee hat, die die Menschen nicht sofort verstehen, weil sie keine klassische Dienstleistung ist. Wer da kein Netz hat, das ihn auffängt hat es extrem schwer.
Ein Mensch gilt als von Armut bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft: (Quelle: Leben in Europa EU-SILC).
1. Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. 2015 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1033 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2170 Euro im Monat.
2. Der Haushalt ist von erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass jemand zum Beispiel nicht in der Lage war, Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, die Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren.
3. Der Mensch lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.
Was hast du dir zuletzt gegönnt?
Mein Fahrrad hat den Geist aufgegeben. Da habe ich mir auf Ebay Kleinanzeigen ein neues für 130 Euro gekauft.
Und worauf musst du verzichten?
Es gibt schon vieles, was vor allem mein soziales Leben einschränkt. Ich kann nicht essen gehen, obwohl ich sehr gerne gut essen gehe. Drinks in guten Bars kann ich mir nicht leisten, obwohl ich auch echt gerne trinken gehe. Genauso sind 20 Euro Eintritt für einen Club fernab jeglicher Realität. Auch eine Mitgliedschaft in einem Sportclub ist zu teuer, genauso wie neue Klamotten. Ich würde gerne nur Bio-Lebensmittel kaufen, aber auch das ist nicht drin.
Was war das krasseste, was du mal für Geld gemacht hast?
Tatsächlich habe ich bislang nichts wirklich krasses gemacht. Klar, ich habe mal nebenbei gekellnert oder am Wochenende als DJ gearbeitet.
Die Entschädigung, die ich bekommen habe, hat mich gerettet.
Was müsste sich in Deutschland deiner Meinung nach ändern, um die Situation von Gründern zu verbessern?
Ist schwer zu sagen.
Das geht halt nicht bei jedem. Im Grunde finde ich die Entwicklung, dass immer mehr Leute in Deutschland gründen, gut.
Das wäre leicht umzusetzen, indem Gründer schneller an Unterstützungskapital, zum Beispiel von der Agentur für Arbeit, gelangen.
Hinzu kommt, dass die Förderstruktur in Deutschland überhaupt nicht auf abgefahrene Geschäftsmodelle ausgelegt ist. Sondern nur auf solche Neugründungen, deren Geschäftsmodelle von den Entscheidern verstanden werden – ein Friseursalon beispielsweise oder eine Werbeagentur.
Welche konkreten Vorschläge für eine bessere Förderstruktur von Gründern hast du?
In so einem Modell könnten Gründer dazu verpflichtet werden, das Darlehen mit ihren Umsätzen zurückzuzahlen.
Wie stehst du zu einem bedingungslosen Grundeinkommen?
Ich finde den Ansatz super.
Das könnte vor allem helfen, Lösungen zu finden, hinter denen nicht das große Business steht, oder die durch ein perfektes Geschäftsmodell bestechen, sondern die Menschen einen Mehrwert bieten.
Venture Capital fließt nur selten in gemeinnützige Projekte, sondern eher in jene, die das große Geld versprechen. Das merke ich jeden Tag. Eine App? Ne, is doof. Ah, man kann mit den Daten ne ganze Branche revolutionieren und viel Geld verdienen? Ok, geil!