Daniel (Name geändert) ist 25 Jahre alt und hat vor vier Jahren seinen Bachelor in Ökotrophologie (Ernährungs- und Haushaltswissenschaften) gemacht. Danach hat er in sehr vielen unterschiedlichen Jobs und Positionen gearbeitet. Ein richtiger Vollzeitjob in seinem Fachbereich war nicht dabei. Deshalb hat er nun beschlossen, im kommenden Wintersemester einen Master zu machen. Seine Hoffnung: So endlich einen guten Job zu bekommen, der auch etwas mit seinen fachlichen Qualifikationen zu tun hat.
Seit kurzem ist Daniel arbeitslos und bereitet sich auf das Studium vor, das er im kommenden Wintersemester beginnt. Er lebt gerade vom Arbeitslosengeld in Höhe von 650 Euro monatlich und von Erspartem. Er wohnt zusammen mit seiner Freundin in einer Großstadt – das Paar teilt sich die Kosten,
Daniel zahlt monatlich:
340 Euro Miete
ca. 150 Euro für Lebensmittel
ca. 150 Euro für Telefon, Internet, Handy, Streaming, Versicherungen
ca. 50 Euro für den Hund
Würdest du dich selbst als arm bezeichnen?
Momentan fühle ich mich nicht arm. Einfach aus dem Grund,
weil es in den vergangenen vier Jahren Zeiten gab, in denen ich mit nur 300 Euro auskommen musste, obwohl ich gearbeitet habe. Ich war nach meinem Studium nie komplett arbeitslos, sondern habe immer den ein oder anderen Job gemacht. Deshalb hatte ich nie Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Gründer Philip wünscht sich mehr staatliche Unterstützung:
16,1 Millionen Menschen, also jeder fünfte Deutsche, war im Jahr 2015 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Ein Mensch gilt als von Armut bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft: (Quelle: Leben in Europa EU-SILC).
1. Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. 2015 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1033 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2170 Euro im Monat.
2. Der Haushalt ist von erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass jemand zum Beispiel nicht in der Lage war, Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, die Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren.
3. Der Mensch lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.
erwerbsbeteiligung.eu-silc-bericht 2015
Hättest du nicht mit Hartz-IV aufstocken können?
Ich möchte das nicht, weil ich mich für Hartz-IV gläsern
machen müsste. Ich müsste alle meine Konten offen legen. Da ist auch angespartes
Geld von meiner Oma dabei, das für größere Anschaffungen gedacht ist und nicht
dafür, dass ich es für den Alltag ausgebe. Das müsste ich erst verbrauchen, bevor ich die Sozialleistungen
bekommen würde.
Da trete ich mir lieber selbst in den Hintern und suche mit hier und da noch einen Job.
Ich sehe mein Studium als Vollzeitjob an und da ich mich
gerade auf den Master vorbereite, sehe ich meinen Job jetzt darin, Student zu
sein. Das sehe ich nicht wirklich als Armut. Aber ich muss mir schon immer
wieder einen Überblick über die Kosten, die auf mich zukommen, verschaffen.
Es
gibt so viele Kosten, mit denen ich nicht gerechnet habe: Versicherungen,
Steuern oder Krankenkasse. Das sind alles Kosten, die erst nach dem Studium so
richtig auf dich zukommen.
Wenn du aber, wie ich zu manchen Zeiten, keinen Job und keine Unterstützung hast, dann ist das sehr schwierig.
Andere verschulden sich schon während des Studiums:
Ich achte sehr darauf, dass ich nicht mehr als acht Euro am Tag für alles ausgebe.
Das läuft dann so ab: Wenn ich zum Beispiel für 25 Euro
einkaufen war, dann weiß ich, dass ich die kommenden drei Tage nichts ausgeben
darf. Richtig schwierig wird es, wenn ich was unternehmen will. Das oder Urlaube muss ich mir schwer zusammensparen.
Die allein erziehende Mutter, der junge Künstler und der Rentner, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt: Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam. Doch sie alle sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, genauso wie jeder Fünfte in Deutschland. watson trifft regelmäßig Menschen, die mit weniger als 1000 Euro Netto im Monat auskommen müssen.
Worauf musst du verzichten?
Ich hätte schon gerne mal eine Woche Urlaub gemacht. Einfach
mal wegfahren. Muss ja nicht ins Ausland sein.
Es würde auch schon die Nordsee oder der Schwarzwald reichen, um sich zu erholen.
Was mir auch fehlt: Einfach
mal einkaufen zu gehen und mir das zu kaufen, worauf ich gerade Lust habe.
Pfleger Ben muss auf eine gesunde Ernährung verzichten:
Im kommenden Wintersemester beginnst du nun deinen Master.
Warum hast du den nicht direkt nach dem Bachelor gemacht?
Ich
wollte arbeiten. Ich dachte, dass ich mit einem Einkommen auch einen besseren
Lebensstandard haben würde.
Aber es war relativ schwer, an Arbeit zu kommen, vor allem an Vollzeitarbeit und in dem Bereich, in dem ich studiert habe.
Ich war freier Mitarbeiter bei einer NGO, war Projektmanager
in einem großen Unternehmen, habe im Marketing gearbeitet und in einem Start-up
gearbeitet. Das Problem ist: Es ist wahnsinnig schwer. Wenn du im Bereich der
Ernährungswissenschaften arbeiten willst, dann geht das nur ein paar Stunden in
der Woche und für wenig Geld. Bei großen Unternehmen hast du dagegen wahnsinnig
viel Stress und ein hohes Arbeitspensum und der Job hat mit dem Studium kaum
noch was zu tun. Das soll sich nun ändern.
Außerdem habe ich mich einmal völlig überarbeitet.
Damals hatte ich einen Messejob, bei dem ich zwölf Stunden am Tag gearbeitet habe. Während des Tages habe ich wenig getrunken und wenig gegessen. Wenn ich in dieser Zeit abends nach Hause gekommen bin, habe ich für einen anderen Auftraggeber dann auch nochmal ein bis drei Stunden weitergearbeitet. Auf Dauer ist so ein 14-Stunden-Arbeitstag zu viel für den Körper. Ich hoffe nun, dass sich das alles durch den Master ändert.
Das klingt nach vielen Bewerbungen. Wie viele hast du denn
geschrieben?
Inzwischen bestimmt 35 Stück. Das finde ich schon wahnsinnig
viel.
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass du keinen Job
bekommen hast?
Diese Frage stelle ich mir auch immer noch. Ich habe eine
sehr gute Qualifikation, daran liegt es nicht. Es ist ja auch nicht so, dass ich
nicht arbeiten wollen würde, ich bekomme nur keine vernünftigen Jobs momentan.
Floristin Stefanie hat auch wenig Geld und ist dennoch zufrieden:
Wenn es nicht an deiner Qualifikation liegt, woran liegt es
deiner Meinung nach dann?
Meine Bearbeiterin beim Arbeitsamt meinte, dass der Arbeitsmarkt
für Ökotrophologen wohl sehr schwierig ist. Im Studium haben wir genau das
Gegenteil gesagt bekommen, nämlich, dass 90 Prozent der Studienabgänger sofort
einen Job bekommen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, was die im Studium gesagt
haben, oder das, was die Frau auf dem Arbeitsamt gesagt hat.
Sind deine ehemaligen Kommilitonen in einer ähnlichen
Situation?
Ein Freund, der zurück zu seinen Eltern aufs Land gezogen
ist, hat ziemlich schnell einen guten Job bekommen. Mein bester Freund hat
gleich nach dem Bachelor seinen Master gemacht und ist damit fast fertig.
Was müsste sich ändern, damit der Einstieg in den Beruf
für Studenten einfacher ist?
Ich glaube, da kann man wenig machen. Im Endeffekt habe ich mir das ja selbst ausgesucht.
Ich hätte natürlich auch einfach ein anderes Fach
studieren können. Aber ich studiere ja nicht, um damit reich zu werden, ich
habe mein Studienfach aus persönlichem Interesse und aufgrund meiner
Fähigkeiten ausgewählt. Mich interessiert das Thema Ernährung und die betriebs-
und volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. In meinem Fach muss man sich
spezialisieren und diese Spezialisierung herauszufinden ist sehr schwierig.
Hinzu kommt, dass das Fach noch zu unbekannt ist und Arbeitgeber das schwer einschätzen können.
Man ist kein reiner BWLer und auch kein reiner
Ernährungswissenschaftler. Spezialisten wird da der Vorrang gegeben.
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