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Armut in Deutschland: Studentin Lea musste ihren Job wegen Krankheit aufgeben und lebt nun in Armut

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Bild: gettyimages/montage
Unter 1000 Euro

Lea musste wegen Krankheit ihren Job aufgeben – wie die Studentin in Armut lebt

Hier sprechen regelmäßig Menschen, die von Armut betroffen sind.
29.11.2018, 09:3929.11.2018, 15:26
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Lea (Name von der Redaktion geändert) ist 28 Jahre alt, studiert soziale Arbeit. Sie bekommt 735 Euro Bafög (also den aktuellen Höchstsatz), verdient mit einem Nebenjob an der Uni ca. 150 Euro monatlich und geht bis zu dreimal monatlich Plasma spenden (ca. 17 Euro gibt es für eine Spende). Insgesamt hat sie rund 930 Euro netto im Monat zur Verfügung.

Davon zahlt sie: 

  • 300 Euro Miete in einer mittelgroßen Stadt
  • ca. 75 Euro Versicherungen
  • 35 Euro Strom
  • 70 Euro Internet/Handy
  • 93 Euro Krankenversicherung, da sie über 25 Jahre alt ist und deshalb nicht mehr über die Familienversicherung versichert werden kann

Der Studentin bleiben damit rund 350 Euro monatlich zum Leben.

Vor deinem Studium hast du eine Ausbildung gemacht, in deinem Beruf gearbeitet und dich weitergebildet. Warum hast du mit dem Job aufgehört?

Ich habe im Ausland gearbeitet, doch es haben sich schnell gesundheitliche Probleme bemerkbar gemacht. Deshalb habe ich etliche Behandlungen bekommen und mir wurde nahegelegt, dass ich den Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben soll. Das war ein Schlag ins Gesicht. Erst einmal habe ich dann Teilzeit gearbeitet und mir in dieser Zeit überlegt, was ich jetzt machen kann.

Wie kamst du denn auf das Studium?

Ich habe mich mit vielen Menschen ausgetauscht, die soziale Arbeit studieren oder studiert haben. Außerdem bin ich in der Gemeinde tätig. Da haben mich viele Mitglieder und auch der Pastor bestärkt. Die Erfahrungen der Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben dazu geführt, dass ich beschlossen habe das auszuprobieren. Das war auch insofern nicht leicht, als dass ich das erste Kind in meiner Familie bin, das studiert.

Wer ist arm in Deutschland?
16,1 Millionen Menschen, also jeder fünfte Deutsche, war im Jahr 2015 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Ein Mensch gilt als von Armut bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft: (Quelle: Leben in Europa EU-SILC).

1. Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. 2015 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1033 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2170 Euro im Monat.

2. Der Haushalt ist von erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass jemand zum Beispiel nicht in der Lage war, Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, die Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren.

3. Der Mensch lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.
erwerbsbeteiligung.eu-silc-bericht 2015

Wie war der Schritt aus dem Arbeitsleben raus und rein ins Studium für dich?

Für den Job im Ausland hatte ich alles aufgegeben. Ich musste also erst einmal bei Freunden schlafen. Das hat sich nicht gut angefühlt, schließlich hatte ich einen anderen Plan gehabt.

Ein Studium ist finanziell auf jeden Fall ein großer Rückschritt, wenn man schon lange gearbeitet hat.

Der finanzielle Aspekt war für mich ein großes Kriterium, das mich lange hat hadern lassen.

Würdest du dich selbst als arm bezeichnen?

Ich habe finanzielle Probleme – das auf jeden Fall. Als arm würde ich mich aber nicht bezeichnen, weil ich selbst schon gesehen habe, dass es so vielen andere Menschen auf der Welt so viel schlechter geht als mir. Ich habe ein Dach über dem Kopf, genug zu essen im Kühlschrank und sanitäre Einrichtungen, die ich benutzen kann. Mir geht es dementsprechend ziemlich gut, auch wenn ich finanzielle Engpässe habe.

Wie lange dauert es, bis das Geld knapp wird?

Rückblickend würde ich sagen, dass es, als ich noch gearbeitet habe, immer eher auf den Monat ankam. Jetzt ist es eher so die Mitte des Monats, also der Zeitpunkt, wenn alle Fixkosten abgebucht sind. Vom dritten bis zum fünften Semester habe ich ein Stipendium bekommen. Seit ich das nicht mehr bekomme, merke ich schon oft, dass es brenzlig ist. Ich muss viel stärker darauf achten, was ich wirklich brauche und auf was ich gerade verzichten muss.

Worauf musst du denn verzichten?

Es fängt damit, dass ich nicht in den Urlaub fahren kann, auch nicht für kurze Zeit. Bei Kleidung muss ich auch extrem darauf achten, ob ich jetzt wirklich eine neue Hose brauche oder nicht. Ich bin auf jeden Fall in gewissen Sachen wesentlich eingeschränkter, als vorher.

Das ist unsere Serie "Unter 1000 Euro"
Die allein erziehende Mutter, der junge Künstler und der Rentner, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt: Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam. Doch sie alle sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, genauso wie jeder Fünfte in Deutschland. watson trifft regelmäßig Menschen, die mit weniger als 1000 Euro Netto im Monat auskommen müssen.

Mit 735 Euro bekommst du den aktuellen Bafög-Höchstsatz. Die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat vor kurzem angekündigt, dass dieser im Herbst des kommenden Jahres auf 850 Euro angehoben werden soll. Wie findest du das?

Bafög ist ein sehr wichtiger Punkt. Da sollte nach all den Jahren des Stillstandes nun auch wirklich mal was passieren.

Ich finde es gut, dass das jetzt auch in der Diskussion ist. Ich finde es ein richtiges Unding, dass der Mietspiegel in allen Städten gleich behandelt wird, obwohl Wohnen zum Beispiel in Düsseldorf teurer ist als in Dresden. Auch das müsste sich ändern.

Mit 28 bist du verhältnismäßig "alt" für eine Studierende. Was müsste sich ändern, um die Situation von älteren Studierenden zu verbessern?

Auf jeden Fall die Versicherungskosten. Die Krankenversicherung kostet fast 100 Euro, die einfach weg sind, sobald man über 25 ist. Ich würde mir wünschen, dass da auch die Versicherungen mehr auf Studenten zukommen würden – beispielsweise mit studentenfreundlicheren Tarifen.

Und was müsste sich, neben dem Bafög, im Allgemeinen ändern?

Ich finde, es ist ein Problem, dass es zu wenige studentenfreundliche Minijobs gibt. Oft gibt es wenig Geld, die Jobs sind körperlich nicht immer zu bewältigen und haben nichts mit dem Studium zu tun. Ich merke es gerade selbst, weil ich körperlich beeinträchtigt bin und da ist es sehr schwer, einen flexiblen Nebenjob zu finden, den ich machen kann. Ich würde mir ein Portal nur für fachbezogene Studentenjobs wünschen, die einen auch beruflich weiterbringen.

Es gibt ziemlich viele Stipendien, mit denen man sich schon sehr intensiv auseinandersetzen muss. In diesem Bereich müsste noch viel stärker und viel früher Aufklärung betrieben werden. Deshalb engagiere ich mich da auch selbst.

Wie genau engagierst du dich?

Ich bin bei Arbeiterkind.de aktiv. Die Ehrenamtlichen dort haben mir selbst sehr viel geholfen und mir Ängste genommen.

Ich habe gemerkt, dass ich mit meiner eigenen Geschichte viel bewirken kann.

Ich erzähle den Menschen, wie es bei mir war und wie ich alles gerade schaffe – auch wenn mein Weg kein gerader ist. Diese Aufklärung muss schon in der Schule stattfinden. Mir wurde in der Schule immer eingetrichtert, dass ich das Abitur gar nicht schaffen würde und dass studieren erst recht nichts für mich wäre. Man muss den Menschen Mut machen und sie auch ermutigen, zu studieren.

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