Hannes (Name geändert) arbeitet Teilzeit – weil er sich bewusst dafür entschieden hat. Er ist 31 Jahre alt, aus der Nähe von Frankfurt, arbeitet 40 Prozent als
Fachinformatiker für Systemintegration. Dort verdient er 788 Euro netto. In seiner restlichen Zeit arbeitet er als Musiker an Solo-Projekten, ist Lehrer an einer Musikschule und produziert andere Hobbymusiker. Aus diesen Nebentätigkeiten hat er noch kein verlässliches Einkommen, im Durchschnitt verdient er damit ungefähr 50 Euro im Monat.
Von den rund 838 Euro im Monat zahlt er:
388 Euro Miete inkl. Nebenkosten
ca. 160 Euro Lebensmittel
ca. 40 Euro Benzin für den Weg zur Arbeit
50 Euro für Internet, Telefon und Netflix
8,33 Euro für Kontoführungsgebühren und Versicherungen
10 Euro Rundfunkbeitrag
10 Euro Freizeit
25 Euro Kosmetik
25 Euro Kleidung
3 Euro Spenden
Damit bleiben rund 88 Euro monatlich übrig.
Würdest du dich selbst als arm bezeichnen?
Nein. Ich definiere Armut anders. Mir gibt es unglaublich viel, dass ich
die Zeit habe, mich mit der Musik beschäftigen zu können.
Direkt nach meiner Ausbildung habe ich 42 Stunden gearbeitet und so viel Zeit in den Job gesteckt, dass ich keine Zeit mehr für meine Selbstverwirklichung hatte.
Hannes
Das
hat mich ziemlich fertiggemacht. Deshalb würde ich mich in meiner jetzigen
Situation nicht als arm bezeichnen. Materiell gesehen bin ich arm, klar.
Im Alltag
muss ich schon schauen, ob ich mir Sachen, die total praktisch sind, kaufen
kann.
Dennoch fühle ich mich nicht arm, das Gegenteil ist der Fall.
Hannes
Aber klar:
Es gibt problematische Punkte. Beispielsweise besitze ich ein Auto, für das
mein Vater noch die Versicherung bezahlt. Das zu halten ist sehr
schwierig. Wenn dafür Reparaturen oder ein Reifenwechsel anstehen, dann merke
ich schon sehr krass, wie lange ich überlege, ob ich das jetzt wirklich mache
oder ob ich es noch aufschieben kann. Außerdem fehlt mir das Geld für Weiterbildungen,
Seminare oder einfach mal ein Buch. Wenn ich 100 Euro mehr im Monat zur
Verfügung hätte, wüsste ich, dass ich dafür gute Investitionen tätigen
könnte.
Pfleger Ben hat zu wenig Geld, um sich gesund zu ernähren:
Inwiefern betrifft dich die Armut in deinem Alltag?
In meinem sozialen Leben merke ich das schon krass. Ich überlege mir sehr genau, ob ich einen Kumpel besuchen kann oder ob ich mir das Geld
für die Bahnfahrt leisten kann. Ein Ticket für 20 Euro hin und zurück geht kaum. Und auch sonst wirkt sich das auf mein soziales Leben aus.
Ich kann schon mal Essen gehen, wenn ich mir das bewusst gönne. Aber bei
Freizeitaktivitäten wie Museumsbesuchen oder Kino merke ich das schon.
Aber da ich mit meiner Musik gut beschäftigt bin, habe ich zum Glück nicht so sehr das Gefühl, dass mir da etwas fehlt.
Hannes
Floristin Stefanie hat auch wenig Geld und ist dennoch zufrieden:
16,1 Millionen Menschen, also jeder fünfte Deutsche, war im Jahr 2015 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Ein Mensch gilt als von Armut bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft: (Quelle: Leben in Europa EU-SILC).
1. Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. 2015 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1033 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2170 Euro im Monat.
2. Der Haushalt ist von erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass jemand zum Beispiel nicht in der Lage war, Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, die Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren.
3. Der Mensch lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.
Die allein erziehende Mutter, der junge Künstler und der Rentner, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt: Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam. Doch sie alle sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, genauso wie jeder Fünfte in Deutschland. watson trifft regelmäßig Menschen, die mit weniger als 1000 Euro Netto im Monat auskommen müssen.
Was war das krasseste, was du mal für Geld gemacht hast?
Ich habe Sachen verkauft, an denen ich mal gehangen habe, wie meinen
Plattenspieler. Aber das war alles nicht so schlimm, denn ich bin auch schon in
der Zeit, als ich noch in Ausbildung war, mit recht wenig Geld zurechtgekommen.
Wenn ich 1500 Euro auf dem Konto hatte, dann dachte ich immer, wohin soll
ich mit den letzten 500 Euro? Außerdem
habe ich mich über die Jahre hinweg immer stückweise reduziert. Jetzt gerade
ist es so, dass ich mit dem wenigsten ever auskomme.
Was müsste sich in Deutschland deiner Meinung nach ändern, damit sich
deine Situation verbessert?
Als ich arbeitslos wurde und dem Arbeitsamt gesagt habe, dass ich gerne Teilzeit arbeiten würde, ist mir bewusst geworden, wie schwer es ist, in Deutschland wirklich Teilzeit zu arbeiten.
Hannes
Die Menschen sollen alle in
Vollzeit-Arbeit gebracht werden. Persönliche Wünsche werden da nicht
berücksichtigt.
Was war das bei dir konkret?
Naja, es ist ja meine Entscheidung, zu sagen, dass ich nicht so viel Geld,
sondern lieber Freizeit haben möchte. Dafür gibt es wenig flexible
Möglichkeiten. In Deutschland gibt es das 450-Euro-Modell, welches praktisch
ist.
Aber im Bereich zwischen 450-Euro-Job und Vollzeitjob gibt es ganz wenige Möglichkeiten. Da würde ich mir mehr wünschen.
Hannes
Also, dass Menschen, die nicht
arbeitslos sein wollen, aber auch nicht Vollzeit arbeiten, genauso in eine für
sie interessante Beschäftigung gebracht werden.
Woran liegt das deiner Einschätzung nach, dass Teilzeitmodelle in
Deutschland noch nicht richtig angekommen sind?
Was mich damals überrascht hat, war die Reaktion der Arbeitsagentur, als ich dort gesagt habe, dass ich nur Teilzeit arbeiten möchte.
Hannes
Dafür habe ich ja
einen guten Grund: Wenn ich 40 Stunden arbeite, dann kann ich nicht noch
nebenher an der Musikschule arbeiten. Das wurde zwei Monate lang verstanden und
dann habe ich trotzdem Angebote für Vollzeit bekommen, weil das Amt das nicht
akzeptiert hat. Ich hatte das Gefühl, die wollen die Statistiken schön bekommen
und deshalb möglichst viele Menschen wieder in Beschäftigung bekommen. Das fand
ich schade.
An dieser Stelle hört für mich die Freiheit in Deutschland auf. Ich habe
nicht das Gefühl, dass ich selbst die Entscheidung treffen kann, dass ich gar nicht so viel Geld verdienen möchte.
Und wie haben die Arbeitgeber deinen Wunsch, Teilzeit arbeiten zu wollen, aufgefasst?
Die haben recht positiv reagiert. Ich muss aber dazu sagen, dass ich aus
der IT-Branche komme, dort tut sich sehr viel. Ich habe das Gefühl, dass das
mehr angenommen wird. Aber das liegt natürlich immer auch an den Möglichkeiten
der Firmen und selbstverständlich gibt es Jobs, in denen das nicht möglich ist.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass man da mehr machen könnte und die Firmen das nicht nur mit einem Zähneknirschen hinnehmen müssten.
Hannes
Wie stehst du zu einem bedingungslosen Grundeinkommen?
Ich finde das sehr interessant. Im Moment kocht die Diskussion ja schon
hoch, ich denke auch wegen Hartz-IV. Ich glaube, dieser ganze Papierkrieg kann
schon sehr viel Stress bei den Menschen, die ohnehin nicht mehr wissen wo oben
und unten ist, erzeugen.
"Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft noch seriöser über das bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren."
Hannes
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CDU-Politiker Jens Spahn empört Wärmepumpen-Branche mit Rede
Die Union will das Heizungsgesetz der Ampel-Koalition abschaffen. Das kündigte der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an. Die CDU wolle wieder stärker auf den CO₂-Preis als Steuerungselement setzen und den Menschen nicht mehr in ihren Heizungskeller "reinregieren", wie Linnemann der "Bild" sagte.